Rapport d'information n° 753 (2020-2021) de M. Ronan LE GLEUT et Mme Hélène CONWAY-MOURET , fait au nom de la commission des affaires étrangères, de la défense et des forces armées, déposé le 7 juillet 2021

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Nr. 753

SENAT

SONDERSITZUNG 2020-2021

Aufgezeichnet im Präsidium des Senats am 7. Juli 2021

INFORMATIONSBERICHT

ERSTELLT

im Namen des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten, Verteidigung und Streitkräfte (1) zum Thema Welcher strategische Kompass für die Europäische Union?

von Ronan LE GLEUT und Hélène CONWAY-MOURET,

Senatoren

(1) Zusammensetzung des Ausschusses: Christian Cambon , Präsident; Pascal Allizard, Olivier Cadic, Olivier Cigolotti, Robert del Picchia, André Gattolin, Guillaume Gontard, Jean-Noël Guérini, Joël Guerriau, Pierre Laurent, Cédric Perrin, Gilbert Roger, Jean-Marc Todeschini , Vizepräsidenten; Hélène Conway-Mouret, Joëlle Garriaud-Maylam, Philippe Paul, Hugues Saury , Sekretäre; François Bonneau, Gilbert Bouchet, Marie-Arlette Carlotti, Alain Cazabonne, Pierre Charon, Édouard Courtial, Yves Détraigne, Nicole Duranton, Philippe Folliot, Bernard Fournier, Sylvie Goy-Chavent, Jean-Pierre Grand, Michelle Gréaume, André Guiol, Alain Houpert, Gisèle Jourda, Alain Joyandet, Jean-Louis Lagourgue, Ronan Le Gleut, Jacques Le Nay, Vivette Lopez, Jean-Jacques Panunzi, François Patriat, Gérard Poadja, Isabelle Raimond-Pavero, Stéphane Ravier, Bruno Sido, Rachid Temal, Mickaël Vallet, André Vallini, Yannick Vaugrenard, Richard Yung .

WESENTLICHE PUNKTE

WESENTLICHE FESTSTELLUNGEN UND EMPFEHLUNGEN

? Die laufenden Diskussionen zum Strategischen Kompass, dem zukünftigen strategischen Dokument der Europäischen Union bis 2030 und von struktureller Bedeutung für deren Sicherheit, sind den Bürgern Europas so gut wie nicht bekannt .

Die nationalen Vertretungen, d. h. die Parlamente der Mitgliedstaaten wurden bei diesem Prozess übergangen , trotz der tiefgreifenden Konsequenzen für deren Zukunft. Um dieses Versehen zu beheben, soll mit dem vorliegenden Bericht die breite Öffentlichkeit informiert und gewarnt werden , da es sich um eine komplexe Materie handelt, die mit großen Herausforderungen und hohen Risiken einhergeht. In Zukunft gilt es, die Parlamente in die regelmäßige Aktualisierung des Strategischen Kompasses einzubeziehen .

? Die somit lediglich auf die Exekutive und die Experten beschränkten Arbeiten zum Strategischen Kompass wurden eingeleitet während der durch die Trump-Regierung verursachte Periode der Ungewissheit hinsichtlich der Sicherheitsgarantie der NATO für Europa. Seitdem hat die Biden-Regierung den Alliierten erneut den Schutz der NATO zugesichert , so dass diese ihre Ambitionen bezüglich der europäischen Sicherheit und Verteidigung deutlich reduziert haben .

? Der Trumpismus ist jedoch keinesfalls tot. Und selbst wenn, stimmen die strategischen Interessen der USA nicht immer mit denen der EU überein , die sich somit um einen gewissen Spielraum und Autonomie bezüglich Sicherheit und Verteidigung im Krisenfall bemühen sollte . Außerdem tendieren die Kompetenzen der NATO zunehmend zur Resilienz , einer Domäne, der sich die EU dank des Strategischen Kompasses ebenfalls bemächtigt. Die EU muss auch weiterhin versuchen, sich mit der NATO abzustimmen, aber gleichzeitig auch ihre eigenen Prioritäten setzen.

? Der strategische Kompass soll bis März 2022, während des französischen Vorsitzes der EU (1. Halbjahr 2022), fertiggestellt werden. Frankreich spielt eine aktive Rolle beim Thema Sicherheit und Verteidigung. Unser Land zeichnet sich regelmäßig durch starke Initiativen und den Verweis auf allgemeine Prinzipien wie die strategische Autonomie aus. Das Gefälle zwischen den Ambitionen Frankreichs und denen der meisten Mitgliedstaaten ist dabei zunehmend flagrant .

? Wenn Frankreich überzeugen will, muss daher versucht werden, besser auf unsere Partner einzugehen und ausgewogene Maßnahmen mit viel Takt und Überzeugung vorzubringen. Dies gilt insbesondere für die Staaten mit einer transatlantischen Tradition, die mehr denn je zögern, auf dem Weg einer strategischen Autonomie voranzugehen. Diese Maßnahmen könnten dazu dienen:

- Die Funktionsweise und das Zusammenspiel der zahlreichen Instrumente zur Kompensation der Fähigkeitslücken der EU zu verbessern und mittels verstärkter Kooperationen eine technologische und industrielle Basis der europäischen Verteidigung (EDTIB) zu schaffen;

- Besser mit dem Prinzip der Einstimmigkeit umzugehen, dass ein großes Hemmnis darstellt, um Operationen einzuleiten, die trotz zunehmender Risiken und eines hohen Konfliktpotentials immer seltener werden;

- Die Operationen zu verbessern, indem insbesondere die militärische Befehlsgewalt in europäische Hände gelegt und die Bereitstellung von Streitkräften beschleunigt wird . So könnte beispielsweise eine erste Vorauskraft“ bestehend aus 5 000 trainierten Soldaten aufgestellt werden, um so endlich die battlegroups zu mobilisieren, die zwar 2006 eingeführt, aber nie bereitgestellt wurden und häufig nicht zur Verfügung stehen.

Diese Perspektiven wären ein substantieller Fortschritt für eine Sicherheits- und Verteidigungspolitik, die trotz sukzessiver Initiativen immer wieder an Dynamik verliert. Aus diesem Grund muss Frankreich sich für die Einführung eines Follow up-Mechanismus und eine politische Unterstützung des Strategischen Kompasses einsetzen .

? Es wird schwierig werden, diese Gratwanderung erfolgreich zu meistern. Dabei ist dies von grundlegender Bedeutung, da der strategische Kompass mit möglichen schwerwiegenden Risiken verbunden ist, so zum Beispiel, wenn er keinerlei wirkliche Dimension aufweist oder aber sich vollständig mit den Ambitionen der NATO überschneidet. Je nach Grad seiner Präzision könnte sich der Kompass im Fall einer schwerwiegenden Krise sogar als restriktives Korsett erweisen .

Empfehlungen für den französischen Vorsitz der EU

1. Betonen, dass die Europäische Union mit dem Strategischen Kompass eigene Prioritäten setzt, die sich von denen der NATO unterscheiden können.

2. Sich darauf beschränken, Maßnahmen zu unterstützen (siehe oben), die sich im Rahmen einer offenen und respektvollen Diskussion mit unseren Partnern als ausgewogen und konkret erweisen.

3. Einen Follow up-Mechanismus und eine politische Unterstützung des Strategischen Kompasses fördern.

4. Eine Aktualisierung des Strategischen Kompasses aller 5 Jahre anregen und dabei die Parlamente der Mitgliedstaaten einbeziehen.

I. EIN STRATEGISCHER KOMPASS FÜR EIN FREIES UND STARKES EUROPA

Die ersten Jahre dieses Jahrhunderts sind geprägt durch die Herausbildung neuer Bedrohungen (Dschihad, Cyberspace, Weltraum, Hybrid“), Initiativen von Mittelmächten mit destabilisierenden Absichten (Türkei und Iran) und einen derartigen Aufschwung Chinas, das damit zunehmend die weltweite Führung der USA gefährdet wird. Deren Asien-Allianz“ stellt damit die Prioritäten der NATO bezüglich der Sicherheit Europas in Frage.

Gleichzeitig werden Operationen der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP) seltener . Dabei sind sich die EU-Mitgliedstaaten einig bezüglich der Notwendigkeit, auf kollektiver Ebene mehr zu tun. Aber sie haben nach wie vor Mühe, präzise und operativ in einem Hoheitsbereich zu agieren, der Einstimmigkeit voraussetzt, wo Interventionen und Investitionen mit hohen Kosten verbunden sind und die NATO an ihrer Ostflanke als einzig zuverlässiger Partner gilt.

A. ANGLEICHUNG DER ANALYSEN

Um die konstruktiven Überlegungen zur Sicherheit der EU neu zu initiieren, hat Deutschland 2019 die Erstellung eines Strategischen Kompasses“ angeregt, eine Art Weißbuch für die Sicherheit und Verteidigung der EU, dessen Abfassung wir im Bericht zum Thema Europäische Verteidigung, die Herausforderung der strategischen Autonomie“ 1 ( * ) empfohlen hatten. Diese unter dem deutschen Ratsvorsitz der EU im zweiten Halbjahr 2020 begonnene und unter dem französischem Ratsvorsitz im ersten Halbjahr 2022 abzuschließende Initiative organisiert auf höchster Ebene den Austausch zwischen Experten und Vertretern der Exekutive sämtlicher Mitgliedstaaten . Dieser Diskussion ging eine auf der Grundlage der Beiträge ihrer Nachrichtendienste erstellte Bedrohungsanalyse voraus. Dieses Ende 2020 durch den Europäischen Auswärtigen Dienst (EAD) fertiggestellte Verschlussdokument ist nicht politisch anerkannt , damit keine Prioritäten bei Bedrohungen gesetzt werden müssen, die von den einzelnen Ländern ganz unterschiedlich bewertet werden.

Auf dieser Grundlage wurde der nachfolgende Dialog zu 4 Hauptthemen geführt: Krisenmanagement“ und Resilienz“ bezüglich der Ziele sowie Fähigkeiten“ und Partnerschaften“ bezüglich der Mittel. Mit diesen um die Themen Resilienz und Partnerschaften erweiterten strategischen Überlegungen will man umfassend auf die neue Bedrohungslage reagieren. Bei dieser Übung wird explizit vermieden, die strategische Autonomie“ und die Souveränität“ der EU zu befördern, da diese Begriffe bestimmte Mitgliedstaaten noch immer irritieren. Ausgehend von den Beiträgen der Mitgliedstaaten wird der EAD im zweiten Halbjahr 2021 eine Synthese erstellen, damit die finale politische Diskussion im März 2022 abgeschlossen werden kann.

Welche Hoffnungen kann diese Initiative vor dem Hintergrund der neuerlichen Hinwendung der USA und der NATO zu den internationalen Beziehungen wecken?

B. ZWECKS WIEDERBELEBUNG DER GSVP ...

Die Ergebnisse der jüngsten Initiativen zur Wiederbelebung der gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik , seitens des Vertrags von Lissabon (2009) und der Globalen Strategie der Europäischen Union“ (2016) blieben hinter den Erwartungen zurück. Wenn es an einer gemeinsamen Vision mangelt, können sämtliche Prozesse früher oder später aufgrund der Regel der Einstimmigkeit blockiert werden.

1. Ein ambitionierter Schwerpunkt bezüglich der Fähigkeiten, der jedoch hinter den Erwartungen zurückbleibt

Die EU verfügt über zahlreiche Tools, um ihre Fähigkeitslücken zu kompensieren und eine europäische verteidigungstechnologische und industrielle Basis (EDTIB) mittels Förderung von Kooperationen zu erzielen. Die einzelnen Mitgliedstaaten richten sich jedoch bei ihren Investitionen nach ihren strategischen Interessen beziehungsweise denen der NATO. Darüber hinaus gehen sie auch Partnerschaften außerhalb der GSVP ein, wie zum Beispiel zwischen Frankreich und Deutschland (luftgestützte Kampfsysteme der Zukunft, Panzer der Zukunft) beziehungsweise dem Vereinigten Königreich (Lancaster House). Mit dem Ergebnis, dass Russland, das 4 Mal weniger für Verteidigung ausgibt als die EU, die GSVP an der Ostflanke aus Sicht bestimmte Mitgliedstaaten diskeditiert .

a) Erster Ansatz: das Potential jedes der verfügbaren Tools besser ausschöpfen

• Der Fähigkeitenentwicklungsplan (CDP) setzt Prioritäten bezüglich der Verteidigungsfähigkeiten der EU. In einer ersten Phase definiert der Militärstab der Europäischen Union (EUMS) auf der Grundlage des Mechanismus zur Entwicklung von Fähigkeiten (CDM) die für den reibungslosen Ablauf von 5 Beispielszenarien erforderlichen militärischen Ressourcen. Durch den Abgleich dieses Bedarfs mit den Ressourcen, die die Länder für die EU bereitstellen können, erstellt der EUMS ein Inventar der Fähigkeitslücken, auf dessen Grundlage die Europäische Verteidigungsagentur (EDA) den Plan zur Entwicklung von Kapazitäten erstellt.

Aber die Mitgliedstaaten deklarieren hier lediglich einen geringen Teil ihrer Kapazitäten, gegenüber in etwa der Hälfte im Rahmen des NDPP, dem Prozess zur Verteidigungsplanung der NATO. Diese nicht gemeldeten Kapazitäten, die einen Vorbehalt gegenüber der GSVP zum Ausdruck bringen, verringern die Zuverlässigkeit des Fähigkeitenprozesses der EU . Das anspruchsvollste Szenarium des HLGP, das mit der Bereitstellung von 60 000 Soldaten nicht wirklich glaubwürdig ist, trägt zusätzlich zur Definition unerreichbarer Vorgaben bei . In Frankreich plädiert das Verteidigungsministerium für ein realistischeres 6. Szenarium , das an die Operation Serval angelehnt ist. Dabei geht es um die Bereitstellung von lediglich 5 000 Soldaten mit hohen Vorgaben an deren materielle Ausstattung für den Kampf in einem schwer zugänglichen Umfeld.

• Der von der EDA vorgelegte Koordinierte Jahresbericht zur Verteidigung ( CARD für Coordinated Annual Review on Defence ), vermittelt einen kompletten Überblick über die Ausgaben und Investitionen der Mitgliedstaaten, einschließlich der Forschung. Er gibt Einblick in die Verteidigungsplanung und die Entwicklung der Kapazitäten und verweist gleichzeitig auf Mängel bezüglich des Fähigkeitenentwicklungsplans (CDP), um so die diesbezügliche Kooperation zu vereinfachen. Im November 2020 haben die europäischen Verteidigungsminister den ersten CARD verabschiedet , der mit dem Verweis auf eine kostspielige Fragmentierung“ 55 Möglichkeiten der multinationalen Kooperation im militärischen Bereich und 6 Fähigkeiten der neuen Generation als Prioritäten“ auflistet. Dabei muss befürchtet werden, dass der parallel dazu verlaufende Prozess des Strategischen Kompasses eine gewisse Abwartehaltung begünstigt.

Die Ständige Strukturierte Zusammenarbeit (SSZ bzw. PESCO ), Ende 2017 lanciert, dient der Anhebung der Verteidigungsausgaben, in Übereinstimmung mit dem 2014 definierten Ziel der NATO, dass alle Alliierten jeweils 2% des BIP für die Verteidigung aufbringen, davon 20% an Investitionen, und der Strukturierung von gemeinsamen Projekten für Ausrüstungen und Operationen zwecks Steigerung der europäischen Kapazitäten. Die PESCO, die auch kleinere Länder miteinbezieht, umfasst bereits 47 solche Projekte. Die Bilanz ist jedoch durchwachsen und weist sehr unterschiedliche Realisationen auf, was eine strengere Auswahl der Projekte erforderlich macht. Die 2020 eingeführte Öffnung für Drittstaaten setzt ebenfalls entsprechende Wachsamkeit voraus. Dies ist insbesondere bei der ITAR-Regelung ( International Traffic in Arms Regulations ) der USA der Fall, um zu verhindern, dass Material mit amerikanischen Komponenten ohne Zustimmung verkauft wird.

• Mit dem neuen Europäischen Verteidigungsfonds (FEDEF ) will die Kommission Investitionen in die Forschung im Bereich Verteidigung und die Entwicklung gemeinsamer Technologien und Ausrüstungen unterstützen, indem insbesondere Projekte im Rahmen der PESCO gefördert werden. Die Nicht-EU-Mitglieder haben kein Anrecht auf den Fonds. Der für den Zeitraum 2021-2027 mit 8 Mrd. € (und somit weit mehr als die Vorgängerinstrumente) dotierte Fonds ist ein wirklicher Fortschritt , dessen Erfolg jedoch unter der Tendenz zahlreicher Mitgliedstaaten leiden könnte, ihn lediglich als Verteilmechanismus zu begreifen .

b) Zweiter Ansatz: ein besseres Zusammenspiel der verfügbaren Instrumente

Der CDP enthält eine Liste von Prioritäten, die die Mitgliedstaaten setzen wollen, indem sie sich vage von einer Liste von Fähigkeitslücken inspirieren lassen, die auf der Grundlage von halbwegs realistischen Szenarien und wenig aufrichtigen Erklärungen erstellt wurde... Dieser Plan dient jedoch der Strukturierung, weshalb ein besseres Zusammenspiel der Logik der einzelnen Elemente erforderlich ist : des EUMS mit seinen illustrativen Szenarien, der Europäischen Verteidigungsagentur mit dem CDP und CARD sowie der Kommission, die über den FED industrielle Kooperationen organisiert. Dabei ist gleichzeitig den zeitlichen Vorgaben der Fähigkeitsplanung der NATO Rechnung zu tragen. Außerdem wäre es angeraten, die Elemente des Fähigkeitenprozesses der EU in die nationalen Planungen zu integrieren.

2. Ein operativer Schwerpunkt, der an Bedeutung verliert

Von insgesamt 17 laufenden Missionen und Operationen sind bei 3 militärischen (sogenannten exekutiven”) Operationen Streitkräfte einbezogen worden: bei Althea (2004), Atalante (2008) und Irini (2015). Damit bleiben 3 nicht exekutive“ militärische Operationen, bei denen es sich um Ausbildungsmissionen handelt ( EUTM ) sowie 11 zivile Missionen.

a) Erster Ansatz: Überwinden des Prinzips der Einstimmigkeit

Der gegenwärtige Notbehelf: ad hoc- Koordinierung : um schnell zu agieren, greifen die Mitgliedstaaten (insbesondere Frankreich bei Missionen wie Agénor oder Takuba) vorzugsweise außerhalb der GSVP ein. Sie bringen sich somit um deren Vorzüge (Befehlsgewalt, Finanzierung, politische Legitimierung) und die Beteiligung bestimmter Mitgliedstaaten. So sieht sich beispielsweise Deutschland, abgesehen von bestimmten präventiven Missionen, von Rechts wegen daran gehindert, an einer Operation ohne Mandat der UNO, der NATO oder der EU teilzunehmen .

Der Ansatz eines Automatismus im Fall einer Aggression : das Projekt des Strategischen Kompasses scheint einen neuen Konsens für die Klausel des gegenseitigen Beistands nach Art. 42.7 EUV herauszubilden, auf den sich bisher lediglich Frankreich im Anschluss an die Attentate in Paris im Jahre 2015 berufen hatte.

Der Ansatz einer vereinfachten Zustimmung für mehr Flexibilität : Der Art. 44 EUV ermöglicht es einem Staat, eine mit einigen anderen Partnerstaaten konzipierte schlüsselfertige“ Operation vorzuschlagen . Damit kann Zeit für Studien und Diskussionen zwischen Mitgliedstaaten zur Vorbereitung eines Konzepts für die Operation gespart werden. Ein weiterer, von Frankreich angeregter Ansatz ist jener der Kooperations-Module“, welche die GSVP einer nationalen Operation, einer europäischen ad hoc -Kooperation wie Takuba oder Agénor beziehungsweise einer Operation der NATO oder der UNO beibringen könnte.

Der Ansatz der Umgehung der institutionellen Ebene : außerhalb der GSVP und der EU favorisieren 13 Mitgliedstaaten der Europäischen Interventionsinitiative (EI2) bei ihren Überlegungen die Herausbildung einer gemeinsamen strategischen Kultur. Weitere multinationale Initiativen in Europa haben die Gründung einer schnellen Eingreiftruppe zum Ziel: Eurocorps, Deutsch-Französische Brigade (D/F Brig), Combined joint expeditionary force (CJEF), Joint expeditionary force (JEF).

Der Ansatz eines harten Kerns: Einsetzung eines Europäischen Sicherheitsrats? Da die EU-Staaten Mühe haben, sich auf Verteidigungsthemen zu verständigen, stellt sich die Frage nach der Gründung einer Avantgarde“ außerhalb des Rahmens der GSVP. Eine solche Hypothese, von Angela Merkel mehrfach unter der Bezeichnung Europäischer Sicherheitsrat“ angesprochen, fand schließlich die Unterstützung Emmanuel Macrons (gemeinsame Erklärung vom 19. Juni 2018).

b) Zweiter Ansatz: Verbesserung der Operationen und ihres Kontexts

• Verbesserung der Qualität der Missionen

Die aus den 3 EUTM hervorgehenden Streitkräfte leiden unter einer unzureichenden Ausbildung. Die zivilen Missionen hingegen zeichnen sich vor allem durch eine unzureichende Bedarfs-Expertise aus, was auf die mangelnde Ambition der beitragszahlenden Staaten zurückzuführen ist. In Afrika sind diese Lücken umso problematischer, als Russland, China und selbst die Türkei sich dort mittlerweile als Rivalen präsentieren.

• Beschleunigung der Bereitstellung von Streitkräften, indem den battlegroups endlich eine Nachkommenschaft gewährt wird

Die 2006 eingeführten Gefechtsverbände der Europäischen Union ( EU Battlegroups) umfassen jeweils 1 500 Mann und sollen immer zu zweit eine permanente militärische Präsenz sichern. Sie sind jedoch noch nie bereitgestellt worden und in der Mehrzahl der Fälle nicht verfügbar .

Eine kollektive Finanzierung über die Europäische Friedensfazilität wäre ein entsprechender Anreiz. Im Rahmen der Diskussionen über den Strategischen Kompass hat eine kleine Mehrheit von Staaten ein französisches Non-Paper unterzeichnet, das in Anlehnung an das vorstehende 6. Szenarium eine erste Vorauskraft“ anregt. Deren harter Kern könnte aus zwei großen battlegroups bestehen, mit Komponenten an Land, in der Luft und auf See.

• Bessere Finanzierung der Missionen: die Europäische Friedensfazilität (EFF)

Die für den Zeitraum von 2021-2027 mit 5 Mrd. € (außerhalb des regulären EU-Haushalts) dotierte EFF ersetzt dieses Jahr den Athena -Mechanismus, der bestimmte gemeinsame Ausgaben für die Operationen der GSVP und die Friedensfazilität in Afrika (APF) finanziert. Die FEP stellt einen Fortschritt dar bezüglich der Bereitstellung einer direkten militärischen Hilfe, einschließlich letaler Maßnahmen, wodurch ein wesentlicher Punkt der Ausbildung durch die EUTM verbessert wird.

• Europäisierung der militärischen Befehlsgewalt

Für die Befehlsgewalt der militärischen Operationen der GSVP gelten:

- entweder die Vereinbarungen von Berlin plus“ (2003) , die es ermöglichen, sich der Befehlsstruktur der NATO zu bedienen, wie es für Mazedonien und Bosnien der Fall war (und bezüglich der Operation Althea noch immer ist); ein neuerlicher Rückgriff auf diese Vereinbarungen scheint heute eher unwahrscheinlich;

- oder eine autonome Operation der Europäischen Union“ basierend auf einem nationalen Militärstab, der für jede Operation zwischen fünf berechtigten Mitgliedstaaten ausgewählt wird, was jedes Mal voraussetzt, das man sich mit der Funktionsweise der betroffenen europäischen Instanzen vertraut machen muss;

- beziehungsweise, seit 2017, für nicht exekutive militärische Operationen ein MPCC (militärischer Planungs- und Durchführungsstab), an dessen Spitze der Generaldirektor des EUMS steht.

Die drei EUTM unterstehen somit dem MPCC. Dank seiner personellen und materiellen Ausstattung ist der MPCC jedoch noch immer nicht in der Lage, seinen Aufgaben optimal nachzukommen . Der Generaldirektor des EUMS dürfte erst Ende 2021, mit einem Jahr Verspätung, eine 100%ige operationelle Fähigkeit ankündigen können. In einer zweiten Phase wäre es von Vorteil, die Aktion des MPCC auf exekutive militärische Missionen auszuweiten . Damit würde für sämtliche militärische Missionen ein Planungs-Militärstab beziehungsweise OHQ 2 ( * ) “ zur Verfügung stehen. Vor diesem Hintergrund unterstützt Frankreich den Fortbestand der einheitlichen Befehlsgewalt des EUMS und des MPCC, um so die Einheit der Überlegungen zu den Fähigkeiten und ein zufriedenstellendes Gleichgewicht zwischen dem Rat und der Kommission zu gewährleisten. Bestimmte Mitgliedstaaten wollen dies in der Tat in Frage stellen.

• Beratung der militärischen Befehlsgewalt

Der europäische Nachrichtendienst weist zahlreiche Lücken auf. Frankreich empfiehlt hier, auf Tools der elektronischen Nachrichtendienste der EU zuzugreifen, darunter auch SatCen (Analysezentrum für Satellitenaufnahmen), und die Kapazitäten zur Informationsbeschaffung zu steigern.

C. ... UND NEUDIMENSIONIERUNG DER AKTIONEN DER EU FÜR IHRE SICHERHEIT?

1. Resilienz“, ein von der Kommission unterstütztes notwendiges und einvernehmliches Ziel

Resilienz besteht darin, den Zugang zu umstrittenen strategischen Räumen zu sichern, wie den Cyberspace, den Weltraum, den Luftraum und die Meere. Dabei geht es gleichzeitig darum, unsere industrielle Abhängigkeit hinsichtlich Sicherheit und Verteidigung zu reduzieren sowie unseren Zugriff auf kritische Technologien und strategische Materialien zu stärken. Außerdem ist es wichtig, unsere wirtschaftliche, gesundheitliche und klimatische Sicherheit zu garantieren. Die Kommission, die sich nunmehr als geopolitisch“ versteht, befasst sich aktiv mit diesen Themen. Diese veränderte Dimension war bereits spürbar bei den Verhandlungen mit den Pharma-Laboren, dem europäischen Konjunkturprogramm beziehungsweise den Maßnahmen gegenüber Russland und China. Die 2020 eingesetzte GD DEFIS ( Defence industries and Space ) mit Thierry Breton an ihrer Spitze, ist emblematisch für die neue Bereitschaft der EU, ihre wirtschaftliche Stärke in strategischer Hinsicht zu mobilisieren .

2. Mit Vernunft zu pflegende Partnerschaften“

Zur Stärkung der Statur als geostrategischer Akteur gilt es, zahlreiche Partnerschaften einzugehen . Dabei kommt der NATO besondere Bedeutung zu, weshalb die Organisation stärker strukturierend für die GSVP ist als umgekehrt.

a) NATO: die zentrale Frage mit der EU lautet Wer macht was?“

• Die NATO garantiert die Sicherheit des alliierten Territoriums der EU gemäß der Klausel über die gegenseitige Verteidigung des Art. 5, der Grundlage der Allianz. Sie ist darüber hinaus auch außerhalb des Territoriums ihrer Mitglieder für das Krisenmanagement kompetent, das 1999 in ihr strategisches Konzept integriert wurde.

Die EU sollte vor dem Hintergrund einer GSVP auf dem ab 1999 in Helsinki ambitionierten Niveau bei der Krisenbewältigung in ihrem unmittelbaren Umfeld auf die NATO verzichten können. Sie kann sich in der Tat nicht der Zustimmung (so stellt sich die Türkei gegen bestimmte Operationen im Mittelmeerraum) oder der Hilfe (wenn sich die USA beispielsweise nicht engagieren wollen) sämtlicher Alliierten außerhalb der EU sicher sein. Das Potential der GSVP ist jedoch unzureichend , weshalb es häufig zu nachfolgender Rollenteilung kommt:

- Die NATO übernimmt nicht nur die Verteidigung des europäischen Territoriums, sondern auch das Krisenmanagement im oberen Spektrum (beide betreffen a priori die Ostflanke);

- Die Europäische Union antwortet auf die anderen Sicherheitsherausforderungen im Umfeld Europas - Operationen zur Stabilisierung und zum Friedenserhalt, Kontrolle der Migrationsflüsse (dieses Krisenmanagement betrifft a priori die Südflanke).

Diese Komplementarität NATO-EU muss bekräftigt und präzisiert werden, in Kohärenz mit einem realistischen Niveau an Ambitionen, was ein Beweis für die Glaubwürdigkeit einer Europa-Macht wäre, eventuell auf der Grundlage des französischen Szenarios einer ersten Vorauskraft ( siehe vorstehend ). In jedem Fall muss der strategische Kompass endlich eindeutig zum Ausdruck bringen, was die EU tun können muss, ohne jedoch eine rigide und detaillierte und somit potentiell kontraproduktive Rollenverteilung vorzunehmen.

• Neben den Berlin Plus“-Vereinbarungen ( siehe vorstehend ), muss die Beziehung zur NATO aus der Warte ihrer zahlreichen Partnerschaften in Betracht gezogen werden, die seit dem Gipfel von Warschau im Juli 2016 neu belebt wurden. Die NATO und die EU tauschen seitdem in Echtzeit Warnungen zu Cyberattacken aus, nehmen wechselseitig an ihren Übungen teil und kooperieren bei ihrer Antwort auf die Flüchtlingskrisen. Die militärische Mobilität, ein wesentliches Kapitel bei der Zusammenarbeit der beiden Organisationen, rechtfertigt sogar die Teilnahme der USA, Kanadas und Norwegens an einem spezifischen PSC-Projekt.

b) USA, Vereinigtes Königreich, China, Indopazifik, Afrika

Joe Biden hat die Mehrzahl der von der EU kritisierten Entscheidungen zurückgenommen. Die Qualität der Beziehungen zu den USA ist wieder hergestellt, aber bestimmte Konstanten laden dazu ein, den USA nicht blind hinterherzulaufen : Schwerpunkt Asien und der Willen, ihren Ansatz gegenüber China durchzusetzen, Förderung einer Integration von Fähigkeiten in der NATO, die dem eigenen militärisch-industriellen Komplex zugutekommen (zuungunsten der EDTIB), wirtschaftliche Konkurrenz, extraterritoriale Sanktionen, ITAR-Auflagen...

Ohne auf eine privilegierte Bindung im Bereich Sicherheit und Verteidigung mit dem Vereinigten Königreich zu verzichten, muss man dennoch die nach dem Brexit noch vorhandene Motivation für europäische Mechanismen eines vor allem auf die transatlantische Achse setzenden Landes realistisch einschätzen. Dessen letzter strategischer Review wurde mit dem Fokus auf die NATO und die USA erstellt. Außerdem versucht das Vereinigte Königreich, in die Allianz die Problematik der Resilienz hineinzutragen, die die EU unbedingt selbst behandeln will.

China stellt für die EU eine zunehmende Herausforderung dar, insbesondere was das Thema Resilienz anbelangt: digitale Souveränität, Desinformation, industrielle Kapazität, Wettbewerbsfähigkeit, Marktzugang, Risiko der Verweigerung des Zugangs zu Schifffahrtswegen, insbesondere in den Meerengen. Der ursprüngliche Enthusiasmus der Mitgliedstaaten des 17+1 Formats geht beständig zurück. Zunehmend bricht sich die Überzeugung Bahn, dass man nur gemeinsam bestehen kann gegenüber China, das gleichzeitig als Rivale, Konkurrent und Partner beschrieben wird und einer zunehmenden Hybris unterliegt . Es wäre jedoch ein Fehler, die chinesische Frage“ lediglich mittels der NATO behandeln zu wollen, mit dem Risiko einer amerikanischen Einmischung in die Handelspolitik der EU. Letztere muss somit sehr schnell eine strategische Linie definieren, der die Forderung einer Reziprozität in wirtschaftlichen Fragen zugrunde liegt. Dann könnte es passieren, dass China an den ehemaligen Präsidenten Trump als Motor der Geopolitisierung“ der EU anknüpft.

Der Indopazifik bietet der EU letzten Endes einen anderen Ansatz gegenüber China, das ihr möglicherweise gewisse maritime Zugangswege in einer Zone verweigert, die 60% der Weltbevölkerung sowie eine Reihe besonders dynamischer BIPs auf sich vereint. Aber ein so komplexer Sachverhalt der Sicherheit und Verteidigung kann im Rahmen der NATO sicher adäquater behandelt werden , in Zusammenarbeit mit den Seemächten USA und Vereinigtes Königreich und mit dem Risiko, die politische Autonomie der EU gegenüber China zu reduzieren.

Darüber hinaus muss die EU einen afrikanischen Schwerpunkt“ bekräftigen, dank dessen in einem immer stärker umkämpften Kontext (China, Russland, Türkei) eine verstärkte Kooperation angestrebt wird - zwecks Konsolidierung der Institutionen, Schaffung von Infrastrukturen, Bildung und Kampf gegen die durch die Krise verstärkte Armut zugunsten von mehr Wachstum, Sicherheit, Kampf gegen Terrorismus und Bemeisterung der Emigration.

II. EIN KOMPASS, DER SICH VIELLEICHT ZU STARK AM WESTEN ORIENTIERT

A. DIE RÜCKKEHR EINES ATLANTISCHEN TROPISMUS...

1. Die neuerliche Glaubwürdigkeit der NATO angesichts einer GSVP mit einem reduzierten Potential, wegen des Brexits...

Die Wahl von Joe Biden und die Ankündigung, dass die USA erneut ihre Rolle als Weltgendarm übernehmen, im Rahmen einer NATO, die ihre Schutzfunktion der Alliierten bekräftigt hat, vermittelten ein Gefühl von Sicherheit. Auch die Nominierungen von Antony Blinken sowie von Karen Donfried als Assistant Secretary for European and Eurasian Affairs wurden in der gesamten Europäischen Union begeistert aufgenommen. Die europäischen Entscheider fühlten sich bestätigt, da ihnen in der Regel daran gelegen ist, erneut an die Tradition der transatlantischen Beziehungen anzuknüpfen.

Im Vergleich zur Situation vor Trump stellt der Brexit ein zusätzliches Argument für die NATO dar , da das Vereinigte Königreich der Alliierte mit den höchsten Verteidigungsausgaben ist (60 Mrd. $), nach den USA (785 Mrd. $), aber vor Deutschland (56 Mrd. $) und Frankreich (50 Mrd. $). Die EU-Länder kommen nur noch auf ein Fünftel der Verteidigungsausgaben der NATO-Staaten .

2. ... wegen der Gesundheitskrise und der damit verbundenen Mehrausgaben...

Die Gesundheitskrise hat zu enormen Ausgaben zwecks Stützung der Wirtschaft geführt und gleichzeitig in punkto Sicherheit die Aufmerksamkeit auf das untere Spektrum und die Resilienz gerichtet. Damit verlassen sich die EU-Alliierten stärker auf die NATO bezüglich des oberen Spektrums, umso mehr als sie zu Haushaltsanpassungen gezwungen sind . Sie könnten so auf Fähigkeiten und operative Maßnahmen verzichten, die wahrscheinlich nicht durch eine bessere Koordinierung kompensiert werden.

3. ... und wegen politischer Konstellationen, die sich möglicherweise weniger günstig entwickeln

Die Wahlen in Deutschland im September 2021 und in Frankreich im Frühjahr 2022 belasten die Mobilisierung der EU hinsichtlich Sicherheit und Verteidigung . In Deutschland können die Wahlen zu einer neuen Koalition mit den Grünen führen, die in der Vergangenheit stärker gegen bewaffnete Interventionen waren und sich gegenüber China und Russland möglicherweise weniger nachgiebig zeigen - ganz im Sinne der USA.

B. ... TROTZ EINER IMMER ANSPRUCHSVOLLEREN UND KOMPLEXEREN KOORDINIERUNG MIT DER NATO

1. Potentiell unterschiedliche geostrategische Absichten

China stellt vor allem für die USA (die bei der NATO den Ton angeben) eine große Bedrohung dar, nicht für die EU . Die wirtschaftlichen und strategischen Interessen der Europäischen Union können eine Zusammenarbeit rechtfertigen, auch mit Russland, die von den USA jedoch missbilligt würde. Während im Gegenzug die Türkei, gegenüber der die EU mögliche Maßnahmen ergreifen könnte, Teil der NATO ist, die nicht einen Alliierten mit einer geographischen Positionierung, die von den USA als strategisch angesehen wird, verprellen möchte.

2. Die Unantastbarkeit des Schutzschirm der NATO“

Joe Biden verfügt im Kongress über eine sehr knappe Mehrheit, insbesondere im Senat, was ihn bezüglich seiner internationalen Politik schwächt und hinsichtlich der zukünftigen Wahlen Anlass zu Sorge gibt. In etwa einem Jahr stehen die midterm- Wahlen an und in etwas über drei Jahren die nächsten Präsidentschaftswahlen.

Die über die NATO wiedererlangte pax americana könnte sich als weniger dauerhaft erweisen als erhofft. Sie sollte als Chance angesehen werden, da sie der EU Zeit verschafft, um ihre Sicherheit besser zu organisieren.

3. Die unmittelbar bevorstehende Perspektive des großen Sprungs nach vorn“

Die NATO bekräftigt ihre hochgesteckten Ambitionen, die insbesondere in der Agenda NATO 2030 festgeschrieben sind , die am 14. Juni 2021 von den Alliierten in Brüssel verabschiedet wurde. Seit einigen Monaten entwickelt die NATO eine 360-Grad-Verteidigungsstrategie , die in diesem Dokument zusammengefasst wird.

Die Agenda empfiehlt die Anwendung von Artikel 5 im Falle einer Cyberattacke , muss dies jedoch weiter präzisieren . Diese Handlungen können von Ländern verursacht werden, gegenüber denen die Risiken und Ziele der EU und der USA differieren und deren Identifizierung im Übrigen mit Vorsicht zu bewerten ist. Dabei werden die Resilienz im weitesten Wortsinn aufgefasst und den Alliierten sogar gegebenenfalls Ziele vorgegeben, deren Umsetzung Gegenstand eines Follow up ist.

Wenn sich die von der Agenda eröffneten Perspektiven sämtlich erfüllen , könnte die von der EU zu schaffende Resilienz eventuell im Schatten einer von der NATO kontrollierten Resilienz enden, genauso wie die PSDC ihr Dasein neben der Allianz fristet. Was dabei durch die unermessliche Stärke der amerikanischen Armee erklärt werden kann, wäre in Anbetracht der Mittel der EU in diesem Fall nicht zu rechtfertigen .

4. Die Oberhand der NATO hinsichtlich der Fähigkeiten

Die im Vergleich zum NDPP ( Nato Defence Planning Process ) weniger auf Vorgaben und Anreizen basierende europäische Fähigkeitsplanung wird weniger streng befolgt , insbesondere seitens der Mitgliedstaaten, die über kein Finanzierungsprogramm für die Verteidigung verfügen und ihren Militärhaushalt allein auf dieser Basis bestreiten.

Damit stellt sich die Frage nach der Kohärenz des Engagements der Staaten in der EU und der NATO . 38 von 47 PESCO-Projekten entsprechen mehr oder weniger den Prioritäten der NATO. Die NATO ist jedoch nicht gehalten, mittels des NDPP ein Recht auf Einsicht in die innerhalb der EU eingegangenen Verpflichtungen zu genießen. Darüber hinaus könnte ein Übertragen der dank der PESCO entwickelten europäischen Standards und Normen auf die Normen und Standards der NATO die Schaffung einer EDTIB in Gefahr bringen. Die Tatsache, dass die Finanzierungen des FED europäischen Projekten vorbehalten sind, erweist sich dabei als teilweiser Schutz. Die Agenda erwägt jedoch die Einführung eines NATO-Fonds für Innovation .

5. Die Gleichzeitigkeit strategischer Überlegungen

Der strategische Kompass , der die Beziehungen zur NATO aus der Perspektive einer Partnerschaft sieht, versteht sich nicht als lokale Variation des strategischen Konzepts“, an dem die Allianz arbeitet. Im Prinzip sind die Überlegungen ebenso wie der Zeitpunkt für deren Abschluss zeitlich verschoben, da das strategische Konzept im Sommer 2022 veröffentlicht werden soll. Die zeitliche Planung erfolgte bewusst, damit der strategische Kompass keinen entsprechenden Einflüssen unterliegt. Im Rahmen ihrer Strategie NATO 2030 stellt die NATO jedoch auf Betreiben ihres Generalsekretärs zahlreiche Arbeiten und Überlegungen an. Laut Aussage einiger Beobachter wirkt dies wie ein Wettlauf auf Zeit. Aufgrund der dabei gewählten Optionen besteht somit das Risiko, den Strategischen Kompass nachhaltig zu beeinflussen - was im Übrigen dem Wunsch von Ländern wie Polen oder bestimmten baltischen Staaten entsprechen würde. Ein politischer Dialog zwischen dem HR/VP und dem Generalsekretär der NATO wäre somit hilfreich, um die notwendige Kohärenz zwischen beiden Ansätzen herzustellen und gleichzeitig die Autonomie des Strategischen Kompasses zu gewährleisten. Bisher deutet jedoch nichts auf einen solchen Dialog hin.

III. EIN ZUNEHMEND MIT RISIKEN BEHAFTETER STRATEGISCHER KOMPASS

Ein Scheitern des Strategischen Kompasses wäre für die GSVP sehr problematisch : die Erfahrung zeigt, dass Desillusionen diesbezüglich jegliche Chancen für Fortschritt auf Jahre hinweg vereiteln. Daher müssen wir an dieser Stelle unser Bedauern bezüglich der Methode äußern: die Konzertierung und die Diskussionen zum Strategischen Kompass sind nicht auf die Parlamente ausgeweitet worden. Bei dessen Kommunikation gegenüber den europäischen Bürgern bringt man den Strategischen Kompass somit um eine wichtige Dimension der Bereicherung und der Vertiefung. Dieses Versäumnis wird sich beim Abschluss des Prozesses Anfang 2022 möglicherweise rächen .

A. DAS RISIKO EINES WENIG AMBITIONIERTEN DOKUMENTS

Die angekündigte Bekräftigung und Stärkung der atlantischen Sicherheitsgarantie wirkt sich auf die Ambitionen der meisten Mitgliedstaaten hinsichtlich der GSVP aus. Die Analyse der Bedrohungen, für die sie politisch bereit sind einzustehen, könnte sich auf die Formen beschränken, zu denen der größte Konsens besteht, wie beispielsweise hybride und technologische Bedrohungen. Dies würde die Resilienz zuungunsten eines Krisenmanagements befördern und bei den Fähigkeiten lediglich auf die industrielle und technologische Dimension setzen. Damit wären für die GSVP zwei Jahre verloren, die für die Erstellung des Strategischen Kompasses aufgewendet wurden . Dazu kämen dann eventuell noch die darauffolgenden Jahre, während derer der strategische Kompass weiterhin als verpflichtend für die Mitgliedstaaten präsentiert wird.

Eine Nicht-Umsetzung des Strategischen Kompass könnte nuanciert - und rechtfertigt - werden dank verpflichtender Maßnahmen zur Verbesserung der nicht-exekutiven zivilen oder militärischen Missionen , die Deutschland gegenüber den exekutiven Missionen präferiert. Dabei gilt es jedoch, jegliche Überlegungen abzuwehren hinsichtlich des Rückgriffs auf das Militär innerhalb der Grenzen, um im Namen der Resilienz eine Rolle als Generalist zu spielen und sich somit auf Dauer von den eigentlichen Aufgaben abzuwenden.

B. DAS RISIKO EINES ALLEIN AUF DIE BEDÜRFNISSE DER NATO ZUGESCHNITTENEN DOKUMENTS

Es besteht das Risiko, ein Dokument zu erarbeiten, das dem strategischen Konzept der NATO angepasst wird. Der Kompass würde keinerlei Vorschläge enthalten, die als Duplizierung der Mittel der NATO oder als Emanzipation von deren Ambitionen verstanden würden, sowohl in militärischer Hinsicht als auch bezüglich Resilienz. Die Erwartungen an den Kompass wären vor allem mit einer Vertiefung der Partnerschaft zur NATO verknüpft.

Es steht zu befürchten, dass das Niveau der Ambitionen des Strategischen Kompasses zumindest teilweise von den USA abhängig ist . Die von ihnen ausgesandten Signale hinsichtlich des Grads einer möglichen Autonomie der EU werden vor allem von den Atlantikern unter den Mitgliedstaaten bis zum Abschluss des Prozesses aufmerksam interpretiert.

C. DAS RISIKO EINES AMBITIONIERTEN DOKUMENTS, DAS JEDOCH NUR WENIG WIRKUNG ZEIGT

Das Schlussdokument könnte durchaus interessante Perspektiven eröffnen, insbesondere im Zusammenhang mit Resilienz bezüglich strittiger Zonen, deren Fortbestand organisiert werden muss. Hinsichtlich der GSVP würde die von Josep Borrell unterstützte erste Vorauskraft einen wesentlichen Durchbruch darstellen, der durchaus akzeptabel wäre, wenn er darauf zugeschnitten ist, jegliche Duplizierungen zu vermeiden, an denen die NATO oder die USA Anstoß nehmen könnten.

Aus diesem Grund muss ein Follow up-Mechanismus sowie eine bessere politische Behandlung gewährleistet sein, was einem der wichtigsten französischen Anliegen entspricht.

D. DAS RISIKO EINES DOKUMENTS, DAS SICH IM KRISENFALL ALS RESTRIKTIVES KORSETT ERWEIST

Die Corona-Krise hat gezeigt, dass die EU in einer Krise sehr wohl in der Lage ist, politischen Willen zu zeigen . Ein stark formalisiertes Dokument, insbesondere hinsichtlich von Mindestfähigkeiten zum Handeln, könnte sich daher im Krisenfall als kontraproduktiv herausstellen . Dieses Argument gilt für die Beziehungen zur NATO, die durch den Kompass nicht in ein zu starres Korsett gezwängt werden dürfen. Eine geringere Flexibilität in unseren Beziehungen zu Russland, der Türkei, China und bestimmten Ländern Nordafrikas wäre ebenfalls von Nachteil. Dank einer Aktualisierung des Strategischen Kompasses aller 5 Jahre könnte dieser an die geostrategische Realität angepasst werden, indem gleichzeitig die vorgenannten Risiken limitiert werden.

E. DAS ZUSÄTZLICHE RISIKO, DASS FRANKREICH ALS WEICHENSTELLER WAHRGENOMMEN WIRD

Frankreich ist sicher in Sorge bezüglich seines Ratsvorsitzes, wenn der strategische Kompass die in ihn gesetzten Erwartungen enttäuscht, darf jedoch nicht seiner Neigung für spektakuläre Erklärungen und Werbung für neue Konzepte erliegen . Im gegenteiligen Fall würden lediglich die Partner Frankreichs brüskiert und der gesamte Prozess beeinträchtigt.

Aber Frankreich vermag es weiterhin, sich Gehör zu verschaffen und mit seinen Analysen Aufmerksamkeit zu erzielen. Somit muss Frankreich für seine Überzeugungen einstehen, diese erklären und versuchen zu überzeugen - im Interesse sämtlicher Mitgliedstaaten der Union .

EINFÜHRUNG

Als die Opposition zwischen dem westlichen und dem sowjetischen Block überholt und sogar vom Ende der Geschichte“ 3 ( * ) die Rede war, kam es in den 90er Jahren zum Aufschwung der liberalen Demokratie und des Marktes als Vektor für Wachstum, Austausch und Frieden, als Garant für ein weltweit rückläufiges Konfliktpotential. Das 21. Jahrhundert läutete jedoch eine neue Periode der Ungewissheit ein.

Der Beginn des Jahrhunderts ist geprägt durch die Ausbildung neuer Gefahren (insbesondere im Zusammenhang mit dem Dschihadismus, aber auch Cyberattacken und eine Vielzahl neuer, sogenannter hybrider“ Bedrohungen), ein neues Selbstbewusstsein von Mächten mit destabilisierenden Absichten (Russland, Türkei und Iran, um uns auf die jüngste Vergangenheit und unser unmittelbares Umfeld zu beschränken) und ein weltweites leadership der USA, das durch den spektakulären Aufstieg Chinas sukzessive angefochten wird. Die stark auf ihren asiatischen Herausforderer fixierte Obama-Regierung setzte ab 2011 einen asiatischen Schwerpunkt“, der letzten Endes die von der NATO der Sicherheit des europäischen Territoriums zugemessene Priorität in Frage stellte.

Die Europäische Union hat zwar seit der Wende der 90er Jahre schrittweise eine Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP) eingeführt, deren Ambitionen jedoch begrenzt blieben. Die meisten Mitgliedstaaten verlassen sich im Wesentlichen weiterhin auf die den Alliierten seitens der NATO gebotene Sicherheitsgarantie, entweder weil sie sich zu starken Bedrohungen ausgesetzt sehen, insbesondere an der Ostflanke, oder weil sie über zu schwache Verteidigungskapazitäten verfügen oder aber beides gleichzeitig. Diese Garantie ist in erster Linie eine Garantie der USA, deren kolossale (und weltweit mit Abstand höchsten) Militärausgeben 70% der Gesamtausgaben der Alliierten ausmachen. Sie wurde als deutlich beruhigender, bequemer und, um die Dinge beim Namen zu nennen, kostengünstiger angesehen.

Indem sie sich zunehmend des Schereneffekts bewusst wurden aufgrund der erhöhten Anzahl von Bedrohungen (die im Übrigen nicht alle in die Zuständigkeit der NATO fallen) und des Risikos, dass die amerikanische Garantie für die Sicherheit innerhalb der Allianz weniger bedingungslos erfolgt, sahen sich die Mitgliedstaaten der Europäischen Union in der jüngsten Vergangenheit gezwungen, mehr für ihre Sicherheit zu tun.

Die Amerikaner hatten bereits eine bessere Aufteilung der Ausgabenlast“ für die Verteidigung der Alliierten eingefordert, so dass sich jedes Land während des NATO-Gipfels in Newport in 2014 verpflichtet hatte, in den nächsten zehn Jahren mindestens 2% seines BIP für die Verteidigung aufzuwenden. So hat sich seit 2015 der Trend zu niedrigeren Verteidigungsausgaben der EU-Länder umgekehrt.

VERTEIDIGUNGSAUSGABEN IN ANTEIL AM BIP IN 2014 UND 2020 (%) 4 ( * )

Die Trump-Regierung hat die amerikanische Garantie der transatlantischen Absicherung offen in Frage gestellt. Nachdem sie den ersten Schock überwunden hatten, haben sich daraufhin immer mehr Europäer gefragt, ob nicht der Moment gekommen ist, die GSVP effizient wiederzubeleben, um für jegliche Eventualitäten gewappnet zu sein.

Dies ist ein beachtlicher Schritt hinsichtlich einer Politik, der man häufig vorwirft, zu komplex und unleserlich sowie relativ ineffizient zu sein (im Sinne eines Mehrwerts gegenüber nationalen Initiativen, die eventuell kombiniert werden können) und bei den europäischen Bürgern auf Gleichgültigkeit zu stoßen.

Demgegenüber hat jedoch die Biden-Regierung mit Nachdruck das amerikanische Engagement innerhalb der NATO bekräftigt. Die zunehmenden Bestrebungen Europas, eine wahre Autonomie im Bereich Sicherheit und Verteidigung zu erlangen, könnten somit sofort wieder in Frage gestellt werden.

Die Bedrohungen außerhalb des traditionellen Einzugsbereichs der Allianz bleiben jedoch bestehen. Und der Trumpismus ist nicht vorbei, nichts lässt vermuten, dass er nicht weiter gedeiht und somit eine überzeugende Wahlalternative für eine Mehrheit von Amerikanern bietet, entweder für die anstehenden midterms oder für die nächsten Präsidentschaftswahlen.

Was würde aus dem Schutz der NATO, wenn es erneut zu vier Jahren Misstrauen der USA gegenüber den europäischen Alliierten kommt? Vier Jahre einer amerikanischen Außenpolitik, die darauf basiert, den Multilateralismus anzufechten? Vier Jahre, in denen enthemmte Mittelmächte die gesamte Bandbreite an neuem Konfliktpotential nutzen und sich mehr denn je in der Lage fühlen, alle möglichen Abenteuer vom Zaun zu brechen, um im eigenen Land eine öffentliche Meinung hinter sich zu versammeln, die aufgrund der Angriffe auf die Meinungsfreiheit und der wirtschaftlichen Schwierigkeiten bereits stark in Mitleidenschaft gezogen wurde?

Die Europäische Union ist heute weit davon entfernt, die Rolle eines weltweiten Stabilitätspols auf sich nehmen zu können und zu wollen, der den Respekt des Multilateralismus und der Menschenrechte verbindet mit dem universellen Respekt, den eine Supermacht auf sich zieht. Damit ist der Erfolg der Biden-Regierung im eigenen Land von wesentlicher Bedeutung, denn davon hängt möglicherweise die politische Tragfähigkeit der Rückkehr der USA auf dem internationalen Parkett ab, die von den Europäern mit Erleichterung vermerkt wird, sowie die Herausbildung einer neuen pax americana - unabhängig davon, ob diese unter dem Banner der UNO oder der NATO umgesetzt wird.

Die Europäer stehen noch immer unter dem Eindruck dieses unvermittelten amerikanischen Lichtblicks und setzen auf dieses günstige Szenario - in der Hoffnung, dass die europäische Verteidigung (im Sinne einer Verteidigung des europäischen Territoriums, wie vom Vertrag von Amsterdam vage ins Auge gefasst - siehe nachstehend) auch heute lediglich für eine ferne Zukunft ins Auge gefasst werden braucht.

Dabei ist jedoch nicht auszuschließen, dass selbst bei diesem optimistischen Ansatz bestimmte Alliierte (wie die USA, das Vereinigte Königreich oder die Türkei) der EU bei einer Operation zwecks Krisenmanagement“ außerhalb ihres Territoriums möglicherweise nicht folgen, auch wenn diese als unverzichtbar für deren Sicherheit angesehen wird. Ein solches Beispiel ist die Entscheidung der Obama-Regierung, in 2013 nicht in Syrien einzugreifen. Die amerikanischen Partner wollen sich bisher auch nicht direkt im Sahel engagieren... Dabei ist man sich einig, was die zunehmende Anzahl an Risiken anbelangt in einer zunehmend instabilen und nicht vorhersehbaren Welt, ein Zeichen für eine mögliche Rückkehr zu anspruchsvollen, hoch intensiven Operationen an Schauplätzen außerhalb der EU, die für diese von Belang sind, für die NATO jedoch sehr viel weniger. Beim gegenwärtigen Stand des politischen Willens, der Fähigkeiten und der Organisation bezüglich Sicherheit und Verteidigung deutet jedoch alles darauf hin, dass die EU Mühe hätte, eine effiziente und angemessene Eingreiftruppe bereit zu stellen.

Kann die Europäische Union die Mittel aufbringen, um diese minimale Rolle des Krisenmanagements zu spielen, in Ergänzung zur Rolle der NATO für die Verteidigung ihres Territoriums? Sie versucht es zumindest, und dass seit mehr oder weniger dreißig Jahren.

Dabei ist es von Interesse, auf das Projekt der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft (EVG) zu verweisen 5 ( * ) , das von Frankreich 1954 abgelehnt wurde, beziehungsweise auf die Westeuropäische Union (WEU), die im gleichen Jahr eingeführt wurde 6 ( * ) . Im Rahmen der gegenwärtigen internationalen Ordnung geht die gemeinsam erkannte Notwendigkeit eines effizienten europäischen Sicherheits- und Verteidigungssystems auf die Jugoslawien-Kriege (1991-2001) zurück, die mit circa 150 000 Toten in 10 Jahren den traurigen Beweis dafür lieferten, dass Europa nicht in der Lage ist, vor der eigenen Haustür zu agieren, ohne die NATO, das heißt die USA anzurufen.

Daher führte der 1993 in Kraft getretene Maastricht-Vertrag die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) als zweiten Pfeiler der EU ein. 1997 übertrug der Vertrag von Amsterdam der GASP die Aufgabe, sukzessive eine gemeinsame Verteidigungspolitik zu definieren, (...) die zu einer gemeinsamen Verteidigung führen könnte“, mit dem Ziel der Durchführung der Petersberg-Missionen 7 ( * ) .

Beim französisch-britischen Gipfel in Saint-Malo in 1998 zog das Vereinigte Königreich sein Veto gegen die Bildung von europäischen Kapazitäten für das Krisenmanagement zurück. Im Jahre 2003 kam es zu den ersten Missionen und Operationen der EU .

Daraufhin wurde 2004 mit dem Vertrag von Nizza ausdrücklich die Außenpolitik im Bereich Sicherheit und Verteidigung eingeführt, gefolgt im Jahre 2009, mit dem Vertrag von Lissabon, von der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP) , als integralem Bestandteil der PESC. Gleichzeitig wurde der Posten des Hohen Vertreters der Europäischen Union für Außen- und Sicherheitspolitik (HR/VP) geschaffen. Diesem untersteht der 2011 gegründete Europäische Auswärtige Dienst EAD ( European external action service - EEAS ), der die diplomatischen Beziehungen der EU mit den Nicht-Mitgliedern leitet und die GASP umsetzt. Seit 2016 gilt den Instrumenten der GSVP ganz besondere Aufmerksamkeit, was zu verschiedensten, mehr oder weniger erfolgreichen Initiativen führte, wohl wissend, dass die Entscheidungen bezüglich GASP/GSVP im Prinzip einstimmig angenommen werden.

Natürlich kann eine Verteidigungs- und Sicherheitspolitik nicht ohne strategisches Dokument auskommen und so wurde im Dezember 2003 die Europäische Sicherheitsstrategie“ verabschiedet, die bereits auf einer gemeinsamen Evaluierung der Bedrohungen basierte und Ziele zur Durchsetzung der Interessen der Europäischen Union bezüglich der Sicherheit definierte. Dieses Dokument wurde 2007 überarbeitet und am 28. Juni 2016 durch die Globale Strategie der Europäischen Union“ (GSEU) ersetzt, die bis heute gültige aktualisierte Doktrin der Europäischen Union zur Verbesserung der Effizienz der Verteidigung und der Sicherheit der Union und ihrer Mitgliedstaaten 8 ( * ) .

Insgesamt ist die Bilanz aus dreißig Jahren mit zahlreichen Gipfeln, Sitzungen, Abstimmungen, Verträgen, Plänen sowie einer Vielzahl von Instanzen und Instrumenten zur Stärkung und Strukturierung der Sicherheit und Verteidigung der EU enttäuschend . Trotz aller Anstrengungen der letzten dreißig Jahre ist es weder gelungen, eine detaillierte und einvernehmliche Diagnose der Bedrohungen für die EU zu erstellen noch sofort mobilisierbare Truppen zu organisieren, um auf Krisen zu reagieren. Weder gibt es Modalitäten für eine effiziente Entscheidungsfindung bezüglich einer Operation noch einen ausreichend mit Anreizen ausgestatteten Fähigkeitenprozess, um die Lücken der EU bezüglich der Verfügbarkeit und der Produktion des erforderlichen Materials zu schließen. Trotz einiger vielversprechender Ansätze waren dies im Wesentlichen dreißig Jahre ohne konkretes Ergebnis.

Und dennoch sind sich mittlerweile alle einig bezüglich der Notwendigkeit für Europa, mehr bezüglich Sicherheit und Verteidigung zu tun angesichts des Umfangs und der Vielfalt der Bedrohungen. Aber die Erfahrung zeigt auch, dass es sofort zu Meinungsverschiedenheiten kommt, sobald man ins Detail der einzelnen Themen einsteigt, die im Allgemeinen einstimmig beschlossen werden müssen.

Damit schien die Zeit reif, sich erneut mit der Gesamtheit der offenen Themen zu befassen und gleichzeitig den dabei zugrunde gelegten Ansatz zu erneuern, sowohl was die Methode als auch den Blickwinkel betrifft .

In diesem Sinn hat Deutschland 2019 die Abfassung eines Strategischen Kompasses“ angeregt, der eine Art Weißbuch für die Sicherheit und Verteidigung in der EU darstellen soll.

Dieses unter deutschem Vorsitz des EU-Rats im zweiten Halbjahr 2020 initiierte und im ersten Halbjahr 2022 unter französischem Vorsitz abzuschließende Projekt organisiert einen Austausch von Experten und Vertretern sämtlicher Mitgliedstaaten in einem noch nie dagewesenen Umfang.

Dabei stützt man sich auf eine Analyse sämtlicher Bedrohungen , vom konventionellen Konflikt bis zu Beschaffungsproblemen (ein während der Gesundheitskrise besonders offensichtliches Risiko), ebenso wie Bestrebungen, den Zugang zu bestimmten Zonen zu verweigern, Desinformation und Softwarepiraterie. Um die Maßnahmen zu definieren, die in Reaktion auf diese Bedrohungen zu treffen sind, wird eine deutlich breitere Perspektive zugrunde gelegt. Neben den klassischen Bereichen des Krisenmanagements und der dafür erforderlichen zivilen und militärischen Fähigkeiten, ist diese strukturiert, um eine Gleichbehandlung der Resilienz (im Interesse einer kompletteren Antwort in Anbetracht der Vielzahl der Bedrohungen) und der Partnerschaften zu gewährleisten, zu denen insbesondere die NATO gehört. Diese vier Kapitel müssen in der Tat frontal angegangen werden, um die Herausbildung einer wirklich geopolitischen, starken und frei über ihr Schicksal verfügenden Europäischen Union zu favorisieren, die auf dem geopolitischen Schachbrett auch wirklich existiert .

In welchem Stadium des Prozesses für einen Strategischen Kompass, der so außerordentlich wichtig für die Zukunft Europas und unsere kollektive Sicherheit ist, befinden wir uns nunmehr? Welche Hoffnungen können dadurch vernünftigerweise geweckt werden? Enthält er nicht gewisse Risiken - insbesondere in Anbetracht der jüngsten internationalen Entwicklungen - und wie kann man sich gegebenenfalls davor schützen?

Die Antwort auf diese Antworten setzt eine Auseinandersetzung mit komplexen Problemstellungen voraus, die entweder bruchstückhaft und hochtechnisch unter den verschiedensten Experten abgehandelt werden oder aber auf der Basis politischer Argumente. Zuweilen (und dies trifft vor allem auch auf die Vertreter der französischen Regierung zu) führen diese Probleme zu klaren Analysen und darauf beruhenden starken Vorschlägen, die sich jedoch nicht wirklich um die Sensibilität der europäischen Partner bemühen. Mit dem Risiko, dass diese Vorschläge dann mit einer häufig deutlich wahrnehmbaren Gereiztheit aufgenommen werden und als eine Art Plädoyer pro domo gelten zur Stärkung einer Autonomie, die sicherlich einer französischen Sicht auf diese Themen entspricht, aber in Wirklichkeit unrealistisch beziehungsweise gar gefährlich ist.

Dies ist das Anliegen des vorliegenden Berichts: argumentierte Antworten auf diese wesentlichen Fragen geben und diese gleichzeitig im jeweiligen Kontext zu beleuchten, damit sie von den europäischen Bürgern nachvollzogen werden können, um deren Zukunft es schließlich geht.

Indem die Elemente dieser Diskussion erhellt werden, können die Ambitionen des Strategischen Kompasses zugunsten eines gemeinsamen Guts gestärkt werden: ein freies Europa, das seinen Verpflichtungen nachkommt, ein starkes Europa, das sich seiner Grenzen bewusst ist und ein Europa, das sowohl Wohlstand als auch Schutz bietet.

*

Um ihre Arbeiten zu untermauern, haben die Berichterstatter Anhörungen französischer und europäischer Administrationen sowie von Experten, Europaabgeordneten, Verantwortlichen in den Verteidigungsministerien anderer Mitgliedstaaten der EU vorgenommen (Liste im Anhang). Darüber hinaus haben sie einen (ebenfalls angehängten) Fragebogen zum Strategischen Kompass an sämtliche Botschaften Frankreichs in den EU-Ländern verschickt.

ALLGEMEINE PRÄSENTATION DES STRATEGISCHEN KOMPASSES

Der strategische Kompass ist eine neue Doktrin der europäischen Verteidigung , mit dem Ziel, die reale Handlungsfähigkeit der EU an ihre Ambitionen/ehrgeizigen Ziele (die sicherlich stärker präzisiert werden müssen) anzugleichen, indem die Initiativen im Bereich Sicherheit und Verteidigung für die nächsten zehn Jahre definiert werden .


Das Ambitionsniveau“ der EU

Die Ambitionen der EU umfassen eine politische und eine militärische Dimension und sind das Ergebnis einer Reihe von zwischen 1999 und 2016 verabschiedeten Texten.

In politischer Hinsicht hat die EU ihr Ziele letztmalig mit der GSEU und deren Umsetzung im Bereich Sicherheit und Verteidigung formuliert. Die GSEU definiert drei strategische Prioritäten im Bereich Sicherheit und Verteidigung: die Reaktion auf externe Krisen und Konflikte ; die Stärkung der Fähigkeiten der Partner ; der Schutz der Union und ihrer Bürger .

Auf militärischer Ebene erfordern diese Zielsetzungen die gesamte Bandbreite an Verteidigungsfähigkeiten“ . Die GSEU hat jedoch zu keinerlei kompletten Revision der Art von Operationen geführt, zu denen die EU und ihre Mitgliedstaaten in der Lage sein müssen. Die aktuellen militärischen Ziele der EU leiten sich somit nach wie vor aus dem EUV und dessen allgemeinen Prinzipien ab.

Gemäß EUV müssen die EU und ihre Mitgliedstaaten zu folgenden Operationen in der Lage sein: gemeinsame Aktionen im Bereich Abrüstung, humanitäre und Evakuierungsmissionen, militärische Beratungs- und Unterstützungsmissionen, Missionen zur Konfliktvermeidung und Friedensbewahrung, Missionen der Streitkräfte zwecks Risikomanagement, einschließlich von Missionen zur Friedensschaffung und Stabilisierungsmissionen im Anschluss an Konflikte“ .

Der strategische Kompass umfasst zwei wesentliche Beiträge: eine gemeinsame Analyse der Bedrohungen und der Verwundbarkeit der EU, Definition der Orientierungen und Ziele bis 2030 - auf der Grundlage von vier Schwerpunktthemen zwecks Strukturierung der Position der EU innerhalb ihres strategischen Umfelds: Krisenmanagement, Resilienz, Fähigkeiten und Partnerschaften.

Diese Arbeit wurde offiziell im Anschluss an den Rat für Auswärtige Angelegenheiten/Verteidigung (CAE-D) vom 17. Juni 2020 lanciert und setzt sich bis zur französischen Ratspräsidentschaft der EU im ersten Halbjahr 2022 fort. Die zu Beginn festgelegte Roadmap kann aus jetziger Sicht eingehalten werden:

1. Juni 2020: Start des Prozesses

2. November 2020: Abschluss der Bedrohungsanalyse

3. 1. Halbjahr 2021: Diskussion der Ziele, Mittel und Beiträge der Mitgliedstaaten

4. 2. Halbjahr 2021: Synthese zwecks Entwurfs eines Strategischen Kompasses

5. Politische Diskussionen und Verabschiedung des Strategischen Kompasses im März 2022

Die Erarbeitung des Kompasses und die damit verbundenen vorbereitenden Arbeiten werden vom Hohen Vertreter /Vizepräsidenten gesteuert. Die Konvergenz der Europäer hinsichtlich gemeinsamer Interessen bezüglich Sicherheit und Verteidigung ist eines der wesentlichen Anliegen dieser Arbeiten.

Bedrohungsanalyse

Dank eines Inventars der Bedrohungen kann man die Existenz von Feinden oder doch zumindest Gegnern sowie gemeinsame Risiken erkennen. Jeder Mitgliedstaat führt regelmäßig solche Analysen durch, ebenso wie die NATO, die auf dieser Grundlage etwa aller zehn Jahre ihr strategisches Konzept“ überarbeitet.

Eine solche umfassende Bedrohungsanalyse über einen Zeitraum von zehn Jahren ist jedoch eine Premiere für die Europäische Union. Diese erste Analyse wurde am 26. November 2020 fertiggestellt. Sie beruht auf der Zuarbeit der Nachrichtendienste, wird in Form eines als Verschlusssache eingestuften und nicht gemeinsam gebilligten Brutto-Dokuments vom Europäischen Auswärtigen Dienst (EEAS) erstellt und vom Militärstab der EU (EUMS) 9 ( * ) koordiniert. Das Dokument umfasst drei Teile: die regionalen Bedrohungen, transversale Bedrohungen und Bedrohungen für die EU. Es enthält darüber hinaus eine prospektive Analyse, um die Entwicklung von Bedrohungen in den nächsten fünf oder zehn Jahren zu evaluieren.

•Die europäische Antwort auf diese Bedrohungen: Definition der Orientierungen und Ziele bis 2030

Die Mitgliedstaaten waren aufgefordert, ihren Beitrag zum Strategischen Kompass zum ersten Halbjahr 2021 vorzulegen. Ab Februar hat der EEAS ein scoping paper“ mit einer ersten Zusammenfassung der einzelnen Beiträge zu vier Schwerpunktthemen erstellt, um schrittweise erste Vorschläge zu initiieren. Dieses Dokument war ebenfalls nicht öffentlich. Im Laufe des Prozesses werden Beiträge bestimmter Mitgliedstaaten in Form von Nicht-Papieren“ 10 ( * ) vorgelegt, um die Diskussionen innerhalb von Workshops“ anzureichern, die in Abhängigkeit vom jeweiligen Thema Vertreter der jeweiligen Mitgliedstaaten und Experten zusammenführen. Die auf diese Art ausgehandelten Nicht-Papiere“ wurden von einer unterschiedlichen Anzahl von Mitgliedstaaten unterzeichnet und dem EEAS vorgelegt. Parallel zum Fortschreiten dieser Arbeiten wurden Sitzungen des Ministerrates abgehalten.

Der Inhalt der einzelnen Schwerpunktthemen des Strategischen Kompasses kann folgendermaßen präzisiert werden:

Management von internen oder externen Krisen ; mit dem Ziel, sich zu einem Garanten für Sicherheit“ zu entwickeln, der angesichts von Krisen fähiger und effektiver“ agiert als in der Vergangenheit und die operationellen Antworten und Reaktionen verbessert. Dabei geht es um europäische externe Missionen und Operationen.

Resilienz : Sicherung des Zugangs zu Gemeingütern (Cyberspace, Hochsee, Weltraum), Evaluierung der strategischen Verletzlichkeit in der Verteidigung und Sicherheit (Destabilisierung, hybride Bedrohungen, Bedrohungen hinsichtlich kritischer Infrastrukturen, Versorgungswege), Stärkung der gegenseitigen Unterstützung und der Solidarität zwischen Mitgliedstaaten (Klauseln der Artikel 222 AEUV 11 ( * ) et 42.7 EUV 12 ( * ) ); ein relativ neues Kapitel, um die gemeinsamen Werte, Institutionen, Instrumente und Güter zu schützen.

• Entwicklung der Fähigkeiten : dabei geht es konkret um die Entwicklung der notwendigen militärischen und zivilen Fähigkeiten, um einen verbesserten Prozess der Entwicklung von Fähigkeiten, die Förderung von Innovation und technologischer Souveränität, unter Berücksichtigung der wichtigsten Instrumente für Fähigkeiten der jüngsten Zeit: Ständige strukturierte Zusammenarbeit (SSZ), Europäischer Verteidigungsfonds (FED) (siehe nachstehend)...

Partnerschaften : hier geht es um die Strukturierung der Kooperation mit bestimmten internationalen Organisationen (UNO, NATO, OSZE, Afrikanische Union, ASEAN, G5 Sahel etc.), die Entwicklung eines strategischen Ansatzes mit Drittländern, Hilfe für Partner der EU, um ihre Sicherheit selbst zu gewährleisten.

Die ersten zwei Schwerpunktthemen definieren eine Ambition, die zwei letzten behandeln deren Umsetzung . Oder anders formuliert, bei den zwei ersten geht es um die Ziele und den zwei letzten um die Mittel zu deren Umsetzung .

Zwischen den einzelnen Aspekten gibt es zahlreiche Überschneidungen und nichts gibt Anlass zur Aussage, dass die endgültige Fassung genauso aussehen wird. Der EAD wird seine Synthese im zweiten Halbjahr 2021 vorlegen. Dieser Entwurf eines Strategischen Kompasses wird dem Rat für Auswärtige Angelegenheiten/Verteidigung im November 2021 vorgelegt.

• Abschluss des Prozesses

Der strategische Kompass wird mit dem Ziel einer Verabschiedung im März 2022, während der französischen Präsidentschaft des Rats der Europäischen Union im 1. Halbjahr 2022, erarbeitet.

• Die wesentlichen Spezifika des französischen Ansatzes , wie sie vom Ministerium für Europa und für Auswärtige Angelegenheiten angemerkt wurden, sind dabei die folgenden:

Zunächst einmal will Frankreich sich nicht durch einen im voraus definierten Plan einengen lassen . So wurde beispielsweise die Frage des Zugangs zu gemeinsamen Räumen (Cyberspace, Weltraum, Meere) dank einer französischen Initiative im Rahmen eines Workshops behandelt. Angesichts des vermehrten Potentials an Risiken ist Frankreich der Meinung, dass die Europäische Union mittels normativer Maßnahmen zur Stabilisierung des Zugangs zu diesen Zonen beitragen kann.

Frankreich wird darüber hinaus ganz besonders auf die Umsetzung des Kompasses achten . Frankreich wird sich dafür einsetzen, gemeinsam mit den nachfolgenden Präsidentschaften einen Plan der Umsetzung bis 2030 zu definieren (tschechischer Vorsitz im 2. Halbjahr 2022 und schwedischer Vorsitz im 1. Halbjahr 2023).

Und nicht zuletzt legt Frankreich großen Wert auf die Kohärenz des Kompasses mit dem strategischen Konzept der NATO , dessen Revision zeitgleich erfolgt, ohne dass die erste Übung konform mit der zweiten erfolgt. Im Übrigen nimmt Frankreich zwar sehr wohl die Bekräftigung der kollektiven Verteidigung der Alliierten durch die NATO zur Kenntnis, wünscht jedoch nicht, dass dies auf eine starre Teilung“ der Kompetenzen hinausläuft. Diese würde von Frankreich als gefährlich erachtet, da wir der Meinung sind, dass es Aufgabe jener Staaten ist, die sowohl Mitglied der Europäischen Union als auch der NATO sind, sich der Kohärenz der jeweiligen Aktionen zu versichern.

I. EIN KOMPASS FüR EIN FREIES, STARKES UND SCHüTZENDES EUROPA

A. ANALYSEN ABGLEICHEN

Im ehemaligen Ostblock galt das Augenmerk der baltischen Staaten, Polen und Rumänien eher Russland, wobei sie ihre Erwartungen an die NATO und die Vereinigten Staaten und nicht an die EU richteten.

Südeuropa, Frankreich und Belgien verfügen ihrerseits über ein verstärktes Bewusstsein hinsichtlich des von der Sahelzone ausgehenden Terrorismus- und Migrationsrisikos, welches die türkische Politik aus dem Gleichgewicht gebracht sowie die Konflikte in Syrien bzw. Libyen negativ beeinflusst hat. Angesichts der allgemeinen Verweigerung der NATO auf diesen Schauplätzen zu intervenieren, führte dies zu der Überzeugung, dass die EU ihre strategische Autonomie“ erobern muss, ein Konzept, das in Italien, Spanien und sogar in einem Teil Deutschlands auf offene Ohren stieß.

Zu guter Letzt fühlen sich Länder wie Österreich, Irland und Schweden historisch gesehen nicht von konventionellen Bedrohungen betroffen, da sie nicht der NATO angehören und im Bereich Sicherheit militärisch gesehen neutral sind.

Diese unterschiedlichen, auch gegenüber China oder Libyen eingenommenen Haltungen , könnten tiefgreifend, ja sogar unüberbrückbar erscheinen, machen jedoch das Spektrum geostrategischen Verständnisses der Europäischen Union ausmachen und sind jedoch nicht unverrückbar .

1. Zahlreiche Bedrohungen, die zum Beistand aufrufen
a) Bedrohungen, die in Anzahl, Vielfalt und Schwere zunehmen

Die Europäer mussten während der Trump-Regierung fast fassungslos mitansehen, dass der US-Beitrag zur NATO-Beistandsgarantie gegenüber den europäischen Mitglieder plötzlich nicht mehr selbstverständlich war. Donald Trump hatte ausdrücklich zu verstehen gegeben, dass die NATO-Beistandsgarantie seitens der Vereinigten Staaten für gewisse Mitgliedstaaten von deren Handelsverhalten abhinge und setzte so den US-Schutz als Druckmittel insbesondere gegenüber Deutschland ein, um dessen Exporte zu reduzieren.

Gleichzeitig sahen sich die Europäer spezifischeren, zahlreicheren und vielfältigeren Bedrohungen ausgesetzt, wodurch ein gemeinsamen Ansatz wünschenswert war.

Das steigende Risiko regional destabilisierender Konflikte vor der Haustür der Europäischen Union - wie in Syrien, Libyen und Berg-Karabach - würden somit einen verstärkten Einsatz der GSVP im Rahmen der Krisenbewältigung rechtfertigen. Hinzu kommt die neue Durchsetzungskraft der umliegenden Mittelstaaten (wie Russland, Türkei und Iran) sowie die Spannungen um Wasser und Energie, der Klimawandel und die Ernährungssicherheit, die derartige Konflikte auslösen bzw. aufrechterhalten können.

Des Weiteren kam es zu den allseits bekannten Angriffen, die aufgrund ihrer Natur ein NATO-Bündnisfall gewesen wären und auf die das Bündnis jedoch nur mit Mühe eine gemeinsame Antwort fand, da eines ihrer Mitglieder, nämlich die Türkei, involviert war. Ihre Haltung, ihre illegalen Aktionen zum Nachteil Griechenlands und Zyperns, gegen die Frankreich als erstes energisch auftrat, führten schließlich zu einer allgemeinen, zumindest formellen Verurteilung innerhalb der EU.

Diese Bedrohung, die zu den o.g. hinzukam, wurde zwar identifiziert und die Notwendigkeit sich zu organisieren erkannt, wurde aber weder von der NATO noch von der Europäischen Union richtig angegangen. An erster Stelle steht nun die Bedrohung durch endogenen bzw. exportierten Terrorismus und seiner Radikalisierung sowie kämpferischen Islamismus. Die Gefahr der Migration beunruhigt ebenso wie Cyberangriffe und Desinformation mit sehr aktiven Kampagnen seitens der Türkei, Russlands und Chinas. Allgemein gesehen erfordert die zunehmende Stärke Chinas aufgrund eines immer aufdringlicheren und weitaus weniger freundschaftlichen Verhaltens eine möglichst koordinierte Antwort.

Hybride Bedrohungen sind eine Mischung aus einer konventionellen und unkonventionellen Gefährdung der Sicherheit, wobei diese diplomatischer, militärischer, wirtschaftlicher oder technischer Natur sein können. Diese können so vage wie die Definition selbst sein. Sie sind die Folge regionaler oder globaler Mächte, die versuchen ihren Einfluss auszuweiten, indem sie alle ihnen zur Verfügung stehenden Mittel einsetzen, einschließlich politischer oder Industriespionage.

Aus einem anderen Blickwinkel betrachtet bedeutet dies, dass der Einsatz von chemischen, bakteriologischen bzw. Atomwaffen ebenfalls Teil des Bedrohungsspektrums ist, sowohl innerhalb als auch außerhalb der Europäischen Union.

Seit rund zwei Jahren häufen sich problematische Situationen, die auf die Resilienz“ zurückgreifen, wie der Zugang zu umkämpften Räumen - einschließlich der Seewege - und die Kontrolle von Investitionen in strategischen Sektoren, wobei sie einen recht breiten Konsens finden. Die Gesundheitskrise hat den Begriff der Resilienz schließlich geprägt. Grund war die Gefährdung der Liefer- und Versorgungsketten, die die Souveränität der Europäischen Union ernsthaft gefährdete.

Auf längere Sicht kommt die systemische und sich Jahr um Jahr leider verschärfende Bedrohung durch den Klimawandel hinzu. Dieser wirkt sich in der Arktis unmittelbar aus und führt in Afrika bereits zu bestimmten Migrationsströmen.

b) Wachsende gemeinsame Ansichten

Werfen wir nun einen Blick auf die deutsch-französische Achse. Der politische Kontext war ab 2017 geprägt von einem französischen Präsidenten, der pro-europäischer als seine Vorgänger war und einer deutschen Bundeskanzlerin, die von Trump unter Druck gestellt wurde und der Deutschland verteufelte. Beide scheuten sich nicht, von der Notwendigkeit zu sprechen, dass Europa sein Schicksal in die Hand nehmen muss.

Die Europäer waren sich schnell einig, dass das Umfeld feindlicher als 2016 war, als die Globale Strategie für die Außen- und Sicherheitspolitik der Europäischen Union“ vorgelegt worden war. Dieses Dokument war schnell überholt, da es in der Woche des Brexit-Votums und 6 Monate vor Trumps Wahl veröffentlicht wurde. Sein Hauptverdienst war es, auf einem relativ kleinen gemeinsamen Nenner einen Moment der Versöhnung zu schaffen (nachdem starke Differenzen über die Militärintervention im Irak aufgetreten waren).

Einigkeit bestand hinsichtlich der Notwendigkeit sich die Mittel zu geben, um ernst genommen zu werden. Außerdem wurde das Interesse eines neuen strategischen Dokuments erkannt, einem echten Weißbuch über die europäische Verteidigung. Die voraussichtliche Veröffentlichung des Strategischen Kompass ist für Anfang 2022 vorgesehen und erfolgt nach dem Amtsantritt der neuen US-Regierung, wodurch dieser Text wahrscheinlich nicht so schnell überholt sein wird.

Im Allgemeinen erkennen die Mitgliedstaaten allmählich, dass die Verwirklichung eines umfassenden Sicherheitsziels auf nationaler Ebene immer schwieriger wird, auf supranationaler Ebene jedoch realistisch bleibt, in einem Kontext, in dem die NATO nicht alle Risiken übernehmen kann . Man ist sich nun bewusst, dass staatliche Souveränität und europäische Souveränität sich gegenseitig verstärken und nicht miteinander konkurrieren - eine Idee, die zudem dazu beitragen würde, einen Populismus zu bekämpfen, der dem Aufbau Europas im Allgemeinen und seiner Sicherheits- und Verteidigungspolitik im Besonderen schadet.

Natürlich wird der Strategische Kompass niemals in der Lage sein, alle Differenzen zwischen den europäischen Partnern zu beseitigen, von denen einige, insbesondere im militärischen Bereich, unüberbrückbar erscheinen. Wirft man einen Blick auf Polen oder das Vereinigte Königreich, so bemerkt man, dass die Trump-Ära dort gegensätzliche Auswirkungen hatte . Diese Länder zeigten ein gewisses Maß an Übereifer gegenüber den Vereinigten Staaten und bekräftigten energisch ihre Unterstützung durch ungewöhnlich teure Anschaffungen von US-Militärmaterial, was sich durch die Aussicht auf ihren nachhaltigen Schutz direkt erklären lässt.

Im Großen und Ganzen waren jedoch die Unterschiede zwischen den verschiedenen Ansätzen weniger groß, als man oft dachte.

Ein positives Zeichen ist, dass einige nördliche und östliche EU-Länder der Task Force Takuba 13 ( * ) beigetreten sind oder demnächst beitreten werden - selbst wenn einige ihre Teilnahme auch als eine Möglichkeit sehen von uns zu lernen, um ihre territoriale Verteidigung effektiver zu gestalten. Polen, Rumänien und die baltischen Staaten beteiligen sich zum Beispiel an der EUTM Mali 14 ( * ) . Die Risikowahrnehmung der Tschechischen Republik bzw. der Slowakei hat sich in den letzten Jahren verändert und beide zeigen ein wachsendes Interesse an einer strategischen Autonomie“. Im Allgemeinen scheinen die mitteleuropäischen Staaten zu einem nunmehr stärkeren Engagement in der GSVP bereit zu sein. Dies gilt im Bereich Cyberangriffe, für die Polen und die baltischen Staaten nun die Vorstellung einer europäischen Cyberverteidigung und einer Solidaritätsklausel in diesem Bereich zu schätzen wissen, was eine kleine Revolution darstellt - selbst wenn sich die Entwicklung bestimmter Haltungen ganz einfach dadurch erklären lässt, dass die Türkei den NATO-Verteidigungsplan für die baltischen Staaten und Polen seit mehreren Jahre blockiert 15 ( * ) .

Umgekehrt ist Frankreich mit der Mission Lynx im Rahmen der eFP 16 ( * ) in Estland präsent. Je stärker die Belegschaften der Mitgliedstaaten zusammenarbeiten, umso wahrscheinlicher ist eine Annäherung ihrer strategischer Kulturen.

2. Ein sowohl umfassender als auch ehrgeiziger Strategischer Kompass“

Entsprechend der deutschen Sichtweise, die in Fragen der Sicherheit und Verteidigung stark inklusiv ist, verfügt der Strategische Kompass über einen partizipatorischen Ansatz mit dem obersten Ziel, kein Mitgliedsland auf der Strecke zu lassen. Frankreich und Deutschland arbeiten eng bei der Vorlage von Non-Papers und bei der Organisation von Workshops zusammen, wobei Deutschland auf der Tatsache besteht, dass beim Strategischen Kompass die Gespräche genauso wichtig sind wie das Schlussdokument an sich.

Seit der SK auf den Weg gebracht wurde war das mit der Verwirklichung dieses Ansatzes verbundene Risiko nicht unerheblich. Es bestand die Gefahr eines engstirnigen Endergebnisses, das durch 27 noch sehr unterschiedliche Auffassungen, die sich durch dieses Vorhaben kaum weiterentwickelt hätten, auf den größten gemeinsamen Nenner reduziert würde. Nach mehreren Jahrzehnten symbolischer Fortschritte und realer Entsagungen im Bereich der europäischen Sicherheit und Verteidigung ist es jedoch auch denkbar, dass dadurch die Notwendigkeit einer Änderung der Methode zum Ausdruck gebracht wurde.

Politiker und Experten an einen Tisch zu bringen, um über die uns umgebenden Risiken nachzudenken und dafür zu sorgen, dass jeder das Risiko seines Nachbarn versteht und sich zu eigen macht, ist ein einfacher, positiver und intelligenter Ansatz, der dazu beitragen kann, das größte Übel der europäischen Sicherheit und Verteidigung zu beseitigen: die tiefgreifenden Meinungsverschiedenheiten hinsichtlich der Bedrohungen. Dementsprechend können gemeinsame Überlegungen zu den Zielen und folglich zu den wirklichen Beitragsmöglichkeiten, über die die Europäische Union über ihre Mitglieder im Bereich Sicherheit und Verteidigung verfügt, dazu beitragen Standpunkte zu harmonisieren.

Dies ist auch die Gelegenheit neue Ideen auf das Tapet zu bringen, zu denen sich Mitgliedstaaten bisher nicht geäußert haben. Dies könnte die allgemeine Akzeptanz erhöhen, da man sich nicht verpflichtet sieht, etwas bereits Gesagtes zurückzunehmen. Wird die Kühnheit der Vorschläge die paradoxe Garantie für den Erfolg eines inklusiven Strategischen Kompasses sein?

Auf jeden Fall wird ein solches Werkzeug die europäischen Partner, die am wenigsten dafür empfänglich sind fast beiläufig dazu bringen, sich Verteidigungsfragen anzueignen , zumal man sie durch die Ausweitung auf Fragen der Resilienz, dadurch dass der Begriff umfassender und weniger militärisch konnotiert ist, dafür gewinnen kann.

Schließlich stellen sich ganz natürlich folgende Frage: Welchen Bedrohungen sind wir ausgesetzt? - Welche Ziele setzen wir uns, um darauf zu antworten? - Welche Mittel sind folglich notwendig?“. Diese werden in zahlreichen Workshops mit variabler Geometrie je nach Thema und teilnehmenden Staaten in einem konstruktiven Klima behandelt, was einen noch nie da gewesenen Austausch der Standpunkte und Analysen zu sämtlichen europäischen Sicherheitsfragen fördert und vom EAD zusammengefasst wird.

Es sollte noch hinzugefügt werden, dass dies nicht auf Betreiben Frankreichs geschieht. Das ist für eine Initiative, die darauf abzielt den europäischen Sicherheits- und Verteidigungsapparat zu stärken von Vorteil, da so ein gewisses Misstrauen ausgeräumt wird. Ebenso wird Frankreich darauf achten müssen, dass es während der französischen Ratspräsidentschaft keinen eindeutigen Vorteil in Bezug auf die Ausrichtung des Kompasses sucht (siehe nachstehend).

Den meisten Quellen zufolge wurde eine hochwertige Bedrohungsanalyse durchgeführt, die ein solides Bezugsdokument für weitere Überlegungen bildet. Die Informationen wurden ohne jeglichen Widerwillen zwischen Nachrichtendiensten ausgetauscht. Insbesondere die international ausgerichteten Nachrichtendienste Frankreichs und Deutschlands waren in der Lage anderen Mitgliedstaaten, deren Nachrichtendienste meist regional ausgerichtet sind, nützliche Informationen zu liefern. Jedoch wäre der Inhalt der Analyse stark eingeschränkt, müsste man sie zu diesem Zeitpunkt politisch umsetzen 17 ( * ) .

Hinsichtlich der Ziele waren die Workshops sehr gut besucht und es fanden keine Trittbrettfahrer-Haltungen“ statt. Das System der Non-Papers“ funktioniert: Frankreich hat zum Beispiel ein Non-Paper zum Krisenmanagement erstellt, das von 14 Staaten unterzeichnet wurde (Österreich, Belgien, Zypern, Tschechische Republik, Deutschland, Griechenland, Frankreich, Irland, Italien, Luxemburg, Niederlande, Portugal, Slowenien, Spanien).

Das Scoping Paper (Zwischenbericht zur Sachlage, siehe vorstehend ) hat die Messlatte hoch genug gelegt um zu weitläufige, meist sterile Diskussionen zu vermeiden. Je detaillierter der Strategische Kompass ist, desto einfacher wird es, ihn operativ anzuwenden.

Natürlich ist die Bedeutung, die die Mitgliedstaaten dem Strategischen Kompass beimessen, nicht durchgehend einheitlich . Diesbezüglich ist zu sehen, dass die Beiträge der Botschaften in den meisten Fällen von der Bedeutung abhängt, die sie der GSVP und der strategischen Autonomie zumessen.

Insgesamt ist die umfassende Beteiligung am Prozess in Form von im Allgemeinen als erfolgreich empfundenen Brainstormings mit Regierungen, Think-Tanks und Experten zufriedenstellend, auch wenn letzteren mehr Platz eingeräumt werden könnte. Im Grunde bedauern wir hinsichtlich dieser Methode nur eins, dies jedoch zutiefst: Die Absprachen und Gespräche wurden nicht auf die Parlamente ausgedehnt, was den strategischen Kompass eines Hebels beraubt, der die Diskussionen bereichern und den europäischen Bürgern diesen hätte näher bringen können. Dieses Manko könnte beim Abschluss des Prozesses in der Waagschale wiegen.

Der vorliegende Bericht zielt in gewisser Weise darauf ab, diese Lücke zu schließen, was sämtliche Beiträge unserer Botschaften bestätigen: In der EU ist der Strategische Kompass in der öffentlichen Debatte durchweg abwesend.

3. Ein Strategischer Kompass“ ohne spaltende Konzepten

Aus unserer Sicht ist es klar, dass der Strategische Kompass letztlich die strategische Autonomie der EU zum Ziel hat, ein Konzept, das wir in einem Bericht mit dem Titel Europäische Verteidigung, die Herausforderung einer strategischen Autonomie“ 18 ( * ) unterstrichen haben. Eine der ersten Empfehlungen dieses Berichts war, um die o.g. Autonomie zu erreichen, gemeinsam ein europäisches Weißbuch der Verteidigung auszuarbeiten, derzeit fehlendes Bindeglied zwischen der globalen Strategie der Europäischen Union, dem Fähigkeitenbedarf und den vorhandenen operativen Werkzeugen. “ Der Strategische Kompass wird diesem Bestreben ganz bzw. teilweise gerecht werden können.

Das Konzept der strategischen Autonomie sowie das der europäischen Souveränität“, ganz zu schweigen vom französisch geprägten Europe de la défense “ (Europa der Verteidigung) ruft bei den Staaten, die darin ein Bestreben nach Distanzierung und sogar Ablösen der NATO sehen, starke Vorbehalte hervor. Ins Englische übersetzt, erhält die strategic autonomy“ 19 ( * ) somit eine härtere Bedeutung, die bei den Mitgliedstaaten, für die der Schutz der NATO überlebenswichtig erscheint, eine fast instinktive Ablehnung hervorruft und zu einem Falschverständnis der Absichten ihrer Befürworter führt.

Seien wir also taktvoll, denn wichtig ist nur die Idee: Europa die Fähigkeit zu geben, notfalls allein für seine Sicherheit zu handeln . Diese Handlungsfähigkeit gilt es zu fördern.

Ziel des Strategischen Kompasses ist es, alle Europäer beim Vorantreiben der europäischen Sicherheit und Verteidigung auf einen Weg zu bringen. Daher ist es nicht verwunderlich, dass bei den Diskussionen zum Strategischen Kompass konkrete Themen angesprochen werden , was eventuelle Missverständnisse hinsichtlich dieses Ansatzes ausräumen soll. In dieser Hinsicht wird das Konzept des Strategischen Kompasses von einem durch seinen Pragmatismus beruhigend wirkenden Deutschland inspiriert.

Genauso baut der vorliegende Bericht nicht auf diese Themen auf. Diese Entscheidung ist umso notwendiger, da Frankreich sich einerseits von 1966 bis 2009 aus der NATO zurückzog, andererseits die Idee einer europäischen Armee förderte und nun der einzige Mitgliedstaat ist, der über Atomwaffen verfügt. Aus diesem Grund kann es diese Konzepte nicht vorbringen, ohne den sofortigen Verdacht zu erwecken, dass es versucht, eine EU-Verteidigung ohne die Vereinigten Staaten als nie endendes gaullistisches Epos zu fördern.

Zugegebenermaßen wird in der Globalen Strategie für die Außen- und Sicherheitspolitik der Europäischen Union ausdrücklich die strategische Autonomie als zu erreichendes Ziel genannt, was Frankreich erlaubt, sich von der Urheberschaft des Konzepts freizusprechen. Zugegebenermaßen ist dieses Ziel während der Trump-Administration bei den Mitgliedstaaten, die über eine Schwächung des NATO-Schirms besorgt waren, auf offene Ohren gestoßen. Jedoch werden wir sehen, dass die Wahl von Joe Biden und sein Bekenntnis zum US-Engagements in der NATO die Situation von Grund auf geändert hat, so dass die meisten Mitgliedstaaten:

- entweder dem Ausdruck mit erneutem Misstrauen begegnen 20 ( * ) ;

- oder den Ausdruck vorbehaltlos einsetzen, jedoch seines Inhalts entleert, d. h., indem sie ihn auf die Resilienz beschränken und somit auf die Bereiche Wirtschaft, Technologie, IT (aus dem Gesichtspunkt der Cyberverteidigung), Handel, Gesundheit, Ernährung bzw. Umwelt beziehen, ohne dabei militärische bzw. Verteidigungsfragen im eigentlichen Sinne anzusprechen.

B. ... DIE GSVP21 ( * ) WIEDERBELEBEN...

Um das Ziel einer wirksameren EU-Sicherheits- und Verteidigungspolitik zu erreichen, wurde die Globale Strategie für die Außen- und Sicherheitspolitik der Europäischen Union“ (siehe vorstehend) durch einen Umsetzungsplan für Sicherheit und Verteidigung“ (IPSD - Implementation Plan on Security and Defence ) ergänzt, der sich aus den Schlussfolgerungen des EU-Rates vom 14. November 2016 ergibt. Dieser sah die Einführung der Koordinierten jährlichen Überprüfung der Verteidigungsplanung (CARD), die Wiederaufnahme der Ständigen Strukturierten Zusammenarbeit (SSZ bzw. PESCO), die Einrichtung eines Militärischen Planungs- und Führungsstabs (MPCC) und die Stärkung der Krisenreaktionsfähigkeit der EU vor, zu der auch die Gefechtsverbände der Europäischen Union (EUBG) gehören. Derselbe Rat nahm den Europäischen Aktionsplan im Verteidigungsbereich (EDAP) an, der die Einrichtung des Europäischen Verteidigungsfonds (EVF) und einen Plan für die Umsetzung der Warschauer Erklärung der EU und der NATO vom 8. Juli 2016 umfasst. Diesen Instrumenten ging die Einrichtung der Europäischen Verteidigungsagentur (EDA) voraus, zu der inzwischen die Europäische Friedensfazilität (EPF) hinzugekommen ist.

Trotz dieser Fülle an Akronymen ist die Wiederbelebung der GASP/GSVP durch den Vertrag von Lissabon und anschließend durch die Globale Strategie für die Außen- und Sicherheitspolitik der Europäischen Union“ enttäuschend. Die Zusammenarbeit hinsichtlich der Fähigkeiten wird nicht effizient genug koordiniert, um die Autonomie der EU nachhaltig stärken zu können, während die GSVP vor Ort weniger aktiv ist als die Intensität und Häufigkeit der Krisen vor den Toren der EU erwarten ließen.

Um diese analysieren zu können muss zuerst das Geflecht der bestehenden Instrumente entwirrt und dazu eine erste Trennung zwischen der Achse der Fähigkeiten und der operativen Achse durchgeführt werden.

1. Achse der Fähigkeiten

Ziel ist es, der Europäischen Union die Werkzeuge zur Verfügung zu stellen, um bestehende Fähigkeitslücken zu schließen und gleichzeitig eine technologische und industrielle Basis der europäischen Verteidigung“ (EDTIB) aufzubauen, die Arbeitsplätze schafft und insbesondere für die EU-Autonomie im Bereich Sicherheit und Verteidigung unerlässlich ist. An dieser Stelle sei daran erinnert, dass die Fähigkeiten im Strategischen Kompass im dritten Kernthema enthalten sind. Das erste widmet sich den Zielen des Krisenmanagements und das zweite der Resilienz.

a) Trägheitskräfte überwinden

Die zahlreichen zur Verfügung und ganz offensichtlich nicht perfekt aufeinander abgestimmten Instrumente führen zu enttäuschenden Ergebnissen. Die europäische Sicherheits- und Verteidigungsfähigkeiten sind weitaus geringer, als es die Höhe der Militärausgaben vermuten lässt.

Dies ist auf einen fehlenden gemeinsamen Willen zurückzuführen. Die Mitgliedstaaten sind ontologisch dazu geneigt souverän im militärischen Bereich zu handeln, da sie stark vom Hoheitsrecht geprägt sind. Die Investitionen in Fähigkeiten werden meist von ihren eigenen strategischen Interessen gelenkt sowie von der Vorstellung, die sie von ihrer Macht und ihrem Ansehen haben.

Es ist daher nicht verwunderlich, dass die erlangten GSVP-Fähigkeiten noch sehr bescheiden sind im Vergleich zu nationalen Initiativen oder GSVP-unabhängigen partnerschaftlichen Projekten , wie zum Beispiel die seit mehr als 10 Jahren bestehenden Verträge über die Zusammenarbeit in der Verteidigungs- und Sicherheitspolitik zwischen Großbritannien und Frankreich mit insbesondere der CJEF ( Combined Joint Expeditionary Force ) bzw. großen Fähigkeitsprojekten zwischen Deutschland und Frankreich wie das Luftkampfsystem der Zukunft FCAS ( Future Combat Air System ) und dem Panzer der Zukunft im Rahmen von MGCS ( Main Ground Combat System ) 22 ( * ) . Auch die NATO verfügt über wesentlich besser koordinierte Fähigkeiten für eine militärische Reaktion als die GSVP (siehe nachstehend).

Es stellt sich die Frage, ob mit dem Strategischen Kompass ein gewisser Konsens angesichts der Bedrohungen und der diesbezüglich für notwendig erachteten Fähigkeiten erreicht werden kann, und wenn ja, ob seitens der Mitgliedstaaten stärkeres politisches Engagement erreichbar ist, um Fähigkeiten für den Aufbau einer EDTIB zu mobilisieren.

Die so neugewonnene Entschlossenheit sollte dementsprechend dazu führen, dass das Ziel der NATO und der EU (siehe nachstehend ) von 2 % gemessen am BIP für Militärausgaben eingehalten wird , da dies sonst zu einer schwer wieder aufholbaren strategischen Schlechterstellung führen könnte. Die Europäer haben bereits begonnen ihre Verteidigungshaushalte aufzustocken, um wieder auf ein Ausgabenniveau von 2008 zu kommen. Selbst wenn die französischen Ausgaben 2,1 % des BIP in 2020 ausmachen, sind andere Länder trotz großer Fortschritte noch weit vom 2 %-Ziel entfernt, insbesondere Deutschland, Italien und Spanien mit jeweils 1,6 %, 1,4 % und 1,2 % ihres BIP in 2020. Jedoch könnte dieser Aufwärtstrend bei den Ausgaben (siehe Tabelle in der Einleitung) zum Erliegen kommen (siehe nachstehend).

Primär sollte diese Entschlossenheit vor allem durch eine deutliche Verstärkung der Zusammenarbeit und Koordinierung im Bereich der Fähigkeiten umgesetzt werden. Dieser Ansatz würde eine erhebliche Optimierung der Militärausgaben auf EU-Ebene ermöglichen.

b) Instrumente mobilisieren...

Die Diskrepanz zwischen dem zur Verfügung stehenden Potenzial eingerichteter Instrumente und ihrer tatsächlichen Nutzung ist teilweise eklatant.

(1) Die Europäische Verteidigungsagentur (EDA)

Spricht man von den Organen der GSVP, so ist die Europäische Verteidigungsagentur (EDA - European Defence Agency ) als erste zu geben. Sie unterstützt ihre 26 Mitgliedstaaten (alle EU-Länder mit Ausnahme Dänemarks, das über eine Opt-out-Klausel 23 ( * ) hinsichtlich der GSVP verfügt) bei der Entwicklung ihrer Militärressourcen, indem sie die Zusammenarbeit fördert, Initiativen ergreift und Vorschläge zur Verbesserung der EU-Verteidigungsfähigkeiten unterbreitet. Sie setzt sich für die Stärkung der europäischen Verteidigungsindustrie ein, indem sie als Katalysator und Vermittler für Verteidigungsministerien fungiert, die an gemeinsamen Projekten im Bereich der Verteidigungsfähigkeit arbeiten möchten.

Insbesondere erstellt sie den Fähigkeitenentwicklungsplan (CDP) und legt die (siehe nachstehend) Koordinierte jährliche Überprüfung der Verteidigungsplanung (CARD) vor.

Es sollte darauf geachtet werden, dass neue Initiativen - insbesondere die PESCO - nicht zu einer Marginalisierung dieses Gremiums führen, das nachweislich über Fachwissen und wertvolle Erfahrungen bei der Reflexion und Initiierung von Fähigkeitsprojekten verfügt.

(2) Der EU-Fähigkeitenentwicklungsplan (CDP)

• Im Fähigkeitenentwicklungsplan (CDP - Capability Development Plan ), der seit 2006 regelmäßig von der EDA erstellt wird, werden die kurz-, mittel- und langfristigen EU-Prioritäten im Bereich der Verteidigungsfähigkeit dargelegt. Dieser wurde gestärkt, um dem Anspruchsniveau der Globalen Strategie für die Außen- und Sicherheitspolitik der Europäischen Union zu genügen (CDP vom 28. Juni 2018).

Die Ausarbeitung dieses Plans stützt sich zum Teil auf den Fortschrittskatalog“ , einen vom Militärstab der Europäischen Union ( EUMS - European Union military staff ) erstellten Katalog von Fähigkeitslücken, auf der Grundlage des Mechanismus zur Entwicklung der Fähigkeiten ( Planziel-Prozess ). Der Planziel-Prozess soll die in 1999 und auf Grundlage von 5 illustrativen Szenarien“ nach War Game“ Art definierten Fähigkeitslücken identifizieren. Dieser Prozess ähnelt dem NATO-Verteidigungsplanungsprozess NDPP (siehe nachstehend).

In der ersten Phase des Planziel-Prozesses legt der EUMS in einem Anforderungskatalog fest, welche Militärressourcen für die reibungslose Durchführung der Szenarien notwendig sind. Diese Anforderungen werden dann mit dem Bestand an Streitkräften verglichen, den die Länder nach eigenen Angaben der EU in einem Streitkräftekatalog zur Verfügung stellen können. Auf dieser Grundlage wird der Fortschrittskatalog“ erstellt, in dem die Fähigkeitslücken aufgezählt werden.

• Der Streitkräftekatalog kann jedoch verzerrt sein, da manche Länder davon ausgehen, dass die für die NATO abgestellten Ressourcen nicht für GSVP verfügbar ist. Nur ein kleiner Teil der Fähigkeiten der Mitgliedstaaten wird von ihnen als der GSVP zur Verfügung stehend angegeben, während sie als Bündnispartner der NATO die Hälfte angeben 24 ( * ) . Leitgedanke der europäischen Praktiken sollte sein, dass eine Aufstockung der EU-Streitkräfte auch zur Stärkung der NATO beiträgt und dabei dem Prinzip der Nicht-Duplizierung gerecht wird, gemäß dem Modell single set of forces“. Die Aufrichtigkeit der Erklärungen wäre zweifellos ein entscheidender Fortschritt für die Zuverlässigkeit des gesamten EU-Fähigkeitenprozesses und ein Zeichen für ein echtes Engagement für das GSVP-Projekt.

• Außerdem erscheint der Helsinki-Planziel-Prozess insofern fragwürdig, als er ein etwas vereinfachendes Bild zwischen der Intensität der Krise und dem Umfang der erforderlichen Kräfte herstellt. So müssen für eine Krise von sehr geringer Intensität nur sehr wenige Soldaten eingesetzt werden. Im Gegensatz dazu ist im Szenario 5 vorgesehen, in dem auf eine Krise von sehr hoher Intensität reagiert wird, dass 60.000 Soldaten entsendet werden . Dieses Extremszenario, das sich unmittelbar aus dem Helsinki-Planziel-Katalog ableitet (siehe nachstehend) und außerhalb des NATO-Rahmens kaum noch zu verwirklichen ist 25 ( * ) , gilt als mehr oder weniger überholt. Zur Erinnerung: Der bisher größte EU-Einsatz, die NATO-Nachfolgeoperation in Bosnien, umfasste 10.000 Soldaten. Dieses Szenario ist jedoch Gegenstand einer systematischen Untersuchung und trotzdem werden sowohl unnötige als auch unerreichbare Fähigkeitsziele festgelegt.

Das französische Streitkräfteministerium setzt sich daher für ein realistischeres 6. Szenario ein, ähnlich der Operation Serval, bei der etwa 5.000 Soldaten - was zwei großen Battlegroups (siehe nachstehend) entsprechen würde - in einem schwer zugänglichen Gefechtsfeld eingesetzt werden und die Fähigkeit einer ersten Vorauskraft mit Luftunterstützung erforderlich ist.

In diesem Szenario würde die Zahl der eingesetzten Truppen nicht mehr von der Intensität der Operation abhängen, was der Realität geplanter Einsätze zugute kommen würde, da in Relation mehr materielle Mittel und mehr Ausbildung notwendig sind als Soldaten. Das Szenario würde dem Fähigkeitenprozess Glaubwürdigkeit verleihen und den Bedarf unmittelbar aufzeigen. Die daraus abgeleitete Genugtuung würde eher dem Engagement Europas entsprechen und böte die Gelegenheit sein Ambitionsniveau“ zu definieren (siehe nachstehend). Ein solches Szenario würde insbesondere unsere Mängel bei den kritischen Enablers“ verdeutlichen (Fähigkeiten wie Luftbetankung, strategischer Lufttransport, Drohnen und Satelliten), bei denen unsere externe Abhängigkeit, insbesondere von den Vereinigten Staaten, weiterhin sehr hoch ist.

(3) Die Koordinierte Jährliche Überprüfung der Verteidigungsplanung (CARD)

• Die von der EDA vorgelegte Koordinierte Jährliche Überprüfung der Verteidigungsplanung (CARD) bietet einen umfassenden Überblick über die Verteidigungsausgaben und -investitionen der Mitgliedstaaten, einschließlich der Forschung . In ihr wird auf deren Verteidigungsplanung und Fähigkeitenentwicklung eingegangen und gleichzeitig Lücken in Bezug auf den CDP identifiziert.

Diese Bestandsaufnahme der europäischen Verteidigungslandschaft soll die Kooperation im Bereich der Fähigkeiten erleichtern, indem sie Möglichkeiten der Zusammenarbeit zum Erreichen der CDP-Prioritäten aufzeigt. Auf diese Weise soll die CARD die Angleichung der Verteidigungsplanung der Mitgliedstaaten in einer europäischen Perspektive fördern.

Im November 2020 wurde die erste CARD von den europäischen Verteidigungsministern verabschiedet. In dem Bericht wird argumentiert, dass über einen langen Zeitraum hinweg kontinuierliche Anstrengungen bei den Verteidigungsausgaben, der Planung und der Zusammenarbeit erforderlich sind, um die kostspielige Aufsplitterung zu überwinden und um Synergien und eine verbesserte militärische Interoperabilität zu nutzen ".

Im Bericht werden 55 Möglichkeiten multinationaler Zusammenarbeit in allen militärischen Bereichen genannt, darunter 17 für Land-, 14 für Luft- und 12 für Seeeinsätze.

Konkret empfiehlt der Bericht sechs Fähigkeiten der nächsten Generation mit starker Wirkung“, auf die die Mitgliedstaaten ihre Anstrengungen konzentrieren sollten:

- Kampfpanzer, für den bereits 11 Länder ihr Interesse an einer Zusammenarbeit bekundet haben;

- Europäisches Überwasserschiff der Patrol Class (7 Länder);

- Infanteriesysteme (10 Länder);

- Abwehr unbemannter Luftfahrzeuge / Zugangsverweigerung / Absperrung von Gebieten;

- Verteidigung im Weltall;

- erhöhte militärische Mobilität.

In dem Bericht heißt es, dass die CARD neue Kooperationsprojekte hervorbringen kann, die von den Mitgliedstaaten in verschiedenen Formaten initiiert werden - im Rahmen der PESCO, der EDA oder in anderen bilateralen bzw. multinationalen Rahmen -, wenn sie sich entscheiden, diese zu entwickeln .“ In dieser Hinsicht wäre es schade, wenn der Strategische Kompass, indem er Überlegungen zu den Fähigkeiten anstößt, dazu führen würde, die Umsetzung der CARD zu verzögern, aufgrund der darin zum Abbau besonders eklatanter Mängel genannten Vorgaben.

(4) Ständige Strukturierte Zusammenarbeit (SSZ oder PESCO)

• Die Ständige Strukturierte Zusammenarbeit (SSZ, auch PESCO für Permanent Structured Cooperation ) war ab dem Vertrag von Lissabon vorgesehen, wurde aber erst im Dezember 2017 eingeführt.

Überblick

Es handelt sich um einen politischen Rahmen, der im Wesentlichen darauf abzielt, die Verteidigungsausgaben zu erhöhen und Ausrüstungs- und operative Projekte zu initiieren. Als Teil der aufeinander abgestimmten Instrumente für Fähigkeiten, bildet die PESCO den Rahmen für Zusammenarbeit an Projekten zur Verbesserung der europäischen Verteidigungsfähigkeiten.

Anfänglich war sie als Integrationsmittel für militärische Fähigkeiten einer begrenzten Anzahl von Staaten mit ehrgeizigen Verpflichtung vorgesehen. Aber schlussendlich wurde die PESCO auf alle Mitgliedstaaten, mit Ausnahme Dänemarks und Maltas, gemäß der von Deutschland stark inklusiven Sichtweise ausgeweitet, die im Gegensatz zu der Frankreichs stand.

Die Verpflichtungen der PESCO

Die an der PESCO teilnehmenden Mitgliedstaaten haben sich auf 20 Verpflichtungen geeinigt, darunter:

- reale Aufstockung des Verteidigungsetats , wobei das Ausgabenziel für die Verteidigung 2 % des BIP ist, wovon 20 % für Investitionen abgestellt werden sollen. Dabei handelt es sich um eine Übernahme der im Rahmen der NATO 26 ( * ) eingegangenen finanziellen Verpflichtungen;

- schneller einsatzfähige nationale Streitkräfte und Verbesserung ihrer Interoperabilität ;

- Erhöhung der Anzahl multinationaler Fähigkeitsprojekte und Stärkung der EDTIB .

Jeder Mitgliedstaat erstellt jährlich einen Nationalen Umsetzungsplan , in dem er die zur Erfüllung der einzelnen Verpflichtungen getroffenen Maßnahmen detailliert darlegt. Die Pläne werden jährlich vom Hohen Vertreter bewertet und zusammengefasst.

Ein Rahmen für zahlreiche Projekte mit zahlreichen Partnern

Seit der Einführung der PESCO wurden insgesamt 47 Kooperationsprojekte verabschiedet: 17 Projekte am 6. März 2018, weitere 17 am 9. November 2018 und 13 am 12. November 2019. Frankreich ist an 38 dieser Projekte beteiligt, wobei es 10 koordiniert, an 21 teilnimmt und bei 7 Beobachterstatus hat. 2021 wurde eine 4. Projektrunde gestartet.

Das wahrscheinlich ehrgeizigste Projekt hinsichtlich Fähigkeiten ist die Eurodrohne MALE ( Medium Altitude, Long Endurance - europäische Drohne mittlerer Flughöhe und großer Reichweite). Der Zusammenschluss von Deutschland, Frankreich, Italien, Spanien und der Tschechischen Republik zielt darauf ab, eine der größten technologischen Lücken in der Europäischen Union zu schließen. Insbesondere Frankreich hat darunter bei der Terrorismusbekämpfung in der Sahelzone leiden müssen. Damals musste es amerikanische Reaper -Drohnen kaufen. Weitere Beispiele sind ECOWAR ( EU Collaborative Warfare Capabilities ) für die kooperative Land-Luft-See-Kriegsführung und TWISTER ( Timely Warning and Interception with Space-based Theater surveillance ) für die weltraumgestützte Überwachung.

Anfänglich waren an der Zusammenarbeit fast immer dieselben größten Mitgliedstaaten beteiligt : Frankreich, Deutschland, Italien, Spanien und das Vereinigte Königreich. Unter diesem Gesichtspunkt bietet die PESCO eine willkommene Veränderung . Frankreich ist zum ersten Mal an einer Kooperation mit Litauen, Polen und Finnland beteiligt.

Regelung zur Drittstaatenbeteiligung

Aufgrund eines Beschlusses des Rates der Europäischen Union vom 5. November 2020 steht die PESCO nun Drittstaaten offen. Das Vereinigte Königreich könnte also einbezogen werden, hat aber bisher kein Interesse an der PESCO gezeigt. Im Gegensatz dazu haben die Vereinigten Staaten im März 2021 einen förmlichen Antrag auf Teilnahme an bestimmten PESCO-Projekten, insbesondere im Rahmen militärischer Mobilität mit Kanada und Norwegen gestellt. Letztgenannte Beteiligung wurde am 6. Mai 2021 vom Rat der Verteidigungsminister angenommen.

• Eine gemischte Bilanz

Ungleiche Umsetzung

Im Mai 2020 beklagte ein Bericht der Militärdienste der Europäischen Union, dass die Staaten Schwierigkeiten hätten, ihren Verpflichtungen nachzukommen. Viele würden ihre Beiträge nicht von denen der NATO unterscheiden und die meisten Projekte würden, wenn überhaupt, nur sehr langsam vorankommen. Andere Quellen nannten gewisse Projekte buchstäblich eine Totgeburt“. Der Bericht fordert eine größere Selektivität und eine Verringerung der Zahl der Projekte zugunsten einer stärkeren politischen Unterstützung , wobei Projekte niedrigster Priorität im Rahmen bilateraler oder multilateraler Initiativen behandelt werden sollten.

Die Strategische Überprüfung der Ständigen Strukturierten Zusammenarbeit 2020 , die vom Rat am 20. November 2020 gebilligt wurde, enthält eine Bewertung der erzielten Fortschritte sowie Orientierungen für die nächste Phase (2021-2025). Darin wird die Notwendigkeit betont, dass bis 2025 strengere Verpflichtungen eingegangen werden müssen und greifbare Ergebnisse erforderlich sind.

Eine Öffnung gegenüber Drittstaaten, die zur Wachsamkeit anregt

Frankreich ist besorgt über die Auswirkungen der US-amerikanischen ITAR-Vorschriften ( International Traffic in Arms Regulations ) auf die Beschränkungen der Technologieausfuhr, wonach ein Hersteller von Verteidigungsgütern mit ein oder mehreren US-Komponenten, eine Genehmigung der USA für den Verkauf dieser Güter einholen muss. Ein gemeinsames, den ITAR-Vorschriften unterliegendes Projekt würde ganz offensichtlich der strategischen Autonomie zuwiderlaufen, die ja mithilfe der PESCO durch den Ausbau der europäischen Verteidigungsfähigkeiten erhöht werden soll.

Der oben genannte EU-Ratsbeschluss legt fest, dass die Beteiligung eines Drittstaates nicht zu einer Abhängigkeit bzw. zu auferlegten Beschränkungen hinsichtlich der Forschung und Entwicklung von Fähigkeiten oder der Verwendung und Ausfuhr von Rüstungsgütern führen darf 27 ( * ) . Die Mitgliedstaaten müssen sich daher verpflichten, sich an diesen Rechtsrahmen zu halten. Ein Weg, um ITAR-Bestimmungen nicht zu unterliegen, könnte darin bestehen ein verbindliches internationales Abkommen zu schließen, und zwar vor jeglicher administrativer Vereinbarung , das sämtliche im Rahmen extraterritorialer US-Vorschriften getroffene Abkommen davon ausnimmt.

Die Türkei wünscht ihrerseits dem EU-Projekt zur militärischen Mobilität beizutreten, was ein Problem der Vereinbarkeit von Werten aufwirft. Generell sind einige Mitgliedstaaten zu Recht der Ansicht, dass die Beteiligung von Drittstaaten eine Ausnahme bleiben sollte, um Situationen zu vermeiden, in denen der gegenseitige Nutzen unausgewogen wäre.

Organisatorische Redundanz

Im Rahmen der EDA (siehe vorstehend) können ebenfalls Kooperationsprojekte eingeleitet werden, was bedeutet, dass die PESCO, deren Tätigkeit hinter den anfänglichen, in den 20 Verpflichtungen definierten Ambitionen zurückbleibt, eine Duplizierung der Arbeit der Agentur darstellt.

(5) Der Europäische Verteidigungsfonds (EVF)

• Der Europäische Verteidigungsfonds (EVF), wichtigste Maßnahme des EDAP (siehe vorstehend) ist ein langjähriges französisches Projekt, das von Deutschland unterstützt wird und seit dem 1. Januar 2021 funktionsfähig ist. Er ersetzt sowohl die Vorbereitende Maßnahme der EU im Bereich der Verteidigungsforschung (PADR), die von 2017 bis 2019 mit 90 Mio. Euro dotiert war, als auch das Europäische Programm zur Entwicklung der Verteidigungsindustrie (EDIDP), das für den Zeitraum 2019-2020 mit 500 Mio. Euro ausgestattet war und die beide zur Unterstützung des PESCO eingerichtet wurden. 15 der 26 im Rahmen des EDIDP ausgewählten Programme waren PESCO-Programme.

Mit dem EVF will die Kommission Investitionen in die Verteidigungsforschung und die Entwicklung gemeinsamer Technologien und Ausrüstungen unterstützen, einschließlich PESCO-Projekte , wobei diese mit einer 10 % höheren Förderquote vorrangig behandelt werden. Mindestens drei Unternehmen aus drei verschiedenen europäischen Staaten müssen daran beteiligt sein. Projekte mit KMU-Beteiligung erhalten ebenfalls eine höhere Förderquote, was die Entwicklung kleiner Verteidigungsunternehmen und die Einbeziehung kleinerer EU-Länder fördert.

Schließlich soll der EVF die Zusammenarbeit in der Industrie anregen und zur Schaffung eines echten EDIDP beitragen. Letztlich geht es auch darum, die Interoperabilität der militärischen Ausrüstung der Mitgliedstaaten zu verbessern. Sämtliche dieser Vorhaben tragen zur Stärkung der strategischen Autonomie der Europäischen Union bei.

Da es sich um eine europäische Ressource handelt, kommen -Unternehmen und Tochtergesellschaften von Unternehmen aus Nicht-EU-Ländern nicht für eine EVF-Förderung in Frage, im Gegensatz zu dem, was sich die Trump-Administration erhofft hatte. Der EVF ist, so wie die PESCO auch, eine europäische Initiative, die von den Amerikanern als unfreundlich empfunden wird, da sie nicht allen Bündnispartnern offenstehen. Auch heute noch wird diese Einschränkung als nachteilig empfunden.

In diesem Sinne dürfen die Begünstigten des Fonds und ihre Unterauftragnehmer, außer in Ausnahmefällen, nicht der Kontrolle eines Drittstaates bzw. von Einrichtungen eines Drittstaates unterliegen. Unternehmen, die an einem EVF-geförderten Programm teilnehmen sind außerdem verpflichtet, jede Bestimmung abzulehnen, die darauf abzielt, die Nutzung der angestrebten Produkte im Hinblick auf das geistige Eigentum durch externe Rechtsvorschriften zu beschränken “. Diese Bestimmung schränkt die Auswirkungen der US-amerikanischen ITAR-Verordnung ein (siehe vorstehend).

Für den Zeitraum 2021-2027 wurden dem Fonds 8 Mrd. Euro zugewiesen , davon 2,7 Mrd. Euro für die Forschung und 5,3 Mrd. Euro für die Entwicklung. 5 % der Mittel sind für bahnbrechende Technologien und innovative Ausrüstung bestimmt. Auch wenn dieser Finanzrahmen hinter den ursprünglichen Ambitionen der Kommission (13 Mrd. €) zurückbleibt, ist die Tatsache, dass ein so großer Teil des europäischen Haushalts für militärische Zwecke eingesetzt wird, ein bedeutender Schritt nach vorn.

Zu den geförderten Projekten gehören unter anderem die europäische softwaregesteuerte Funkanlage ESSOR ( European Secure Software defined Radio ) und die europäische Drohne MALE 2020 (siehe vorstehend), die von Airbus im Rahmen des EDIDP geleitet wird. Der EVF ist nun aufgerufen, die Umsetzung dieser Projekte zu überwachen.

EU-Kommissar Thierry Breton, zuständig für Industriepolitik, Binnenmarkt, Digitales, Verteidigung und Raumfahrt, stellte am 22. Februar 2021 einen EU-Aktionsplan zur Steigerung der Synergien zwischen Zivil-, Raumfahrt- und Verteidigungsbereich“ vor, der auf dem EVF (siehe nachstehend) aufbaut.

*

Wird der EVF im Laufe der Zeit entsprechend finanziert und nicht zweckentfremdet, könnte er der gesamten Industrie, sowohl großen Konzernen als auch KMU, zugute kommen, eine dauerhafte Annäherung der industriellen Grundlagen fördern und schließlich den Mitgliedstaaten den Zugang zu Technologien und Ausrüstungen der neuen Generation ermöglichen, die den Fähigkeitszielen der EU-Mitgliedstaaten nicht nur als solche, sondern gegebenenfalls auch als Mitglieder der NATO entsprechen. Frankreich beabsichtigt hier eine führende Rolle zu spielen, indem es innerhalb der Kommission die neue GD DEFIS in Verteidigungsfragen unterstützt und gleichzeitig die jeweiligen Rollen des EAD und der EDA konsolidiert.

Jedoch gibt es zwei Punkte, die zu Wachsamkeit aufrufen. Einerseits wird in die dreigliedrige Leitungsstruktur des EVF (Mitgliedstaaten - Kommission - Industrie) durch die Kommission eine Schwerfälligkeit eingeführt, was einige Industriezweige entmutigen könnte. Der EVF arbeitet zum Beispiel mit einem Jahresbudget, während die Projekte eine mehrjährige Laufzeit haben.

Andererseits sehen einige Mitgliedstaaten den EVF als einen Art Umverteilungsfonds , womit wir wieder bei der allgemeinen Debatte über die Selektivität der PESCO für ihre Mitglieder und Projekte wären. Hier scheint sich eine gewisse Diskrepanz entwickelt zu haben zwischen den E4 (Frankreich, Italien, Spanien und Deutschland), die eher Verteidigungsziele betonen, und den E23 (die anderen Mitgliedstaaten), die eher die Verteidigungsindustrie betonen. Innerhalb der E4 zeichnet sich jedoch Deutschland durch seinen ausgeprägten Trend zur zivil-militärischen Integration ab und ist eher bereit, das militärische Instrumentarium aus dem Blickwinkel der Sicherheit zu betrachten als die anderen drei Länder, die an einem sehr operativ-lastigen Konzept festhalten.

c) ... und besser abstimmen, auch mit der operativen Achse
(1) Eine notwendige Koordination

• Um aufzuzeigen warum der Fähigkeitenprozess weiterhin enttäuschend umgesetzt wird und nur suboptimal funktioniert können verschiedene Erklärungen herangezogen werden.

- Erstens ist der Prozess fragmentiert und weist gewisse logische Mängel auf.

Vorgesehen ist, dass der Fähigkeitenentwicklungsplan der EDA den aus dem Planziel-Prozess des EUMS hervorgegangenen Fortschrittskatalog“ berücksichtigt. Zur Erinnerung: Im Fortschrittskatalog werden im Hinblick auf das Ambitionsniveau der GSVP und auf Grundlage des Streitkräftekatalogs Fähigkeitslücken identifiziert, die es schnell zu füllen gilt. Der Streitkräftekatalog seinerseits wird nach Angaben der zur Verfügung stehenden Fähigkeiten erstellt, von denen man weiß, dass sie manchmal fehlerhaft sind (siehe vorstehend).

Wie dem auch sei, zu erwarten wäre, dass im CDP erklärt wird, wie man hinsichtlich Fristen, Kosten und Kooperation die im Fortschrittskatalog identifizierten Kapazitäten erlangen kann. An sich geht der CDP eigentlich noch weiter, denn vorgesehen ist, dass in ihm den von den Mitgliedstaaten genannten Bedürfnissen Rechnung getragen wird, unabhängig davon, ob diese im Zusammenhang mit der GSVP stehen oder nicht.

Letztendlich begnügt sich der CDP jedoch damit, eine Liste von den Mitgliedstaaten selbst gewollten 28 ( * ) Prioritäten zu erstellen, die sich mehr oder weniger auf einen mehr oder weniger verlässlichen Fortschrittskatalog stützen mit mehr oder weniger weit entfernten Fristen! 29 ( * )

Der CDP spiegelt folglich den EU-Fähigkeitenbedarf nur unvollkommen wider. Und das, obwohl er zur Ausarbeitung der CARD (Koordinierte Jährliche Überprüfung der Verteidigung) beiträgt, die die CDP-Zielsetzungen mit der durch die Mitgliedstaaten erreichten Planerfüllung vergleicht.

Andererseits werden EVF-geförderte PESCO-Projekte , die der industriellen Logik der Kommission bei der EDTIB-Entwicklung folgen, nicht direkt an den Mechanismen ausgerichtet.

Der gesamte Fähigkeitenprozess folgt einer Bottom-up-Logik“ und lässt somit viel Raum für Initiativen der Mitgliedstaaten. Die Initiativen beeinflussen jedoch deren Zustimmung zum Fähigkeitenausbau, eine Ambition, die ansonsten bestätigt wird.

Es wäre daher sinnvoll, die Schlüssigkeit der drei herrschenden Schwerpunkte besser zu definieren: einerseits die des EUMS, auf dem der Fortschrittskatalog aufbaut, dann die der EDA mit dem CDP und der CARD und schließlich die der Kommission, die die Industriekooperationen ausrichtet. Sie alle verfolgen unterschiedliche und durchaus gerechtfertigte Ziele, die aber nun aufeinander abgestimmt werden, kohärent sein und einander dienen sollten. Zusätzlich ist zu berücksichtigen, dass der Zeitplan für die EU-Fähigkeitenplanung mit dem der NATO zwingend in Einklang zu bringen ist.

- Der Prozess ist nicht Anreiz genug . Im NATO-Verfahren werden, wie im Planziel-Prozess auch, allgemeine Fähigkeitsziele festgelegt. Anschließend werden jedem Staat spezifische Fähigkeitsziele ( capability targets ) in Abhängigkeit seiner Mittel zugewiesen - z. B. der Kauf eines Tankflugzeugs oder die Anschaffung neuer Kampfflugzeuge. Darauf folgt eine kollektive Überprüfungsphase, in der die Staaten, die ihr Ziel nicht erreicht haben, genannt und angekreidet“ werden ( naming and shaming ). So etwas gibt es bei der CARD nicht.

- Außerdem ist zu berücksichtigen, dass dieser nicht nur parallel zu einem seit langem bestehenden, ausgereiften und effizienten NATO-Fähigkeitenprozess 30 ( * ) (siehe nachstehend) existiert, neben dem der europäische Prozess als neue Einschränkung von ungewissem Nutzen angesehen werden kann, sondern auch parallel zu nationalen Fähigkeitenprozessen, die natürlich Vorrang haben. Viele Staaten, darunter auch Frankreich, erfüllen die Zielvorgaben des NATO- und EU-Fähigkeitenprozesses nicht; die Türkei ihrerseits ignoriert die Fähigkeitsziele der NATO.

In dieser Hinsicht sieht das Rahmenpapier ( Scoping Paper) die Einbeziehung von Elementen des EU-Fähigkeitenprozesses in die nationale Planung vor 31 ( * ) . Die vorherrschende nationale Dimension lässt sich zum Teil dadurch erklären, dass die nationalen Fähigkeitenprozesse nur unzureichend auf den europäischen Fähigkeitenprozess abgestimmt sind. Idealerweise sollten GSVP-abhängige Elemente in den nationalen Ausbau von Fähigkeiten aufgenommen werden.

(2) Streben nach Gesamtkohärenz auf dem EU-Ambitionsniveau

• Selbst wenn die europäischen Verteidigungsausgaben bei weitem nicht an die der Vereinigten Staaten heranreichen, so sind sie doch von grundlegender Bedeutung. Wären sie besser verwaltet und koordiniert , könnten sie zu einer zufriedenstellenden Deckung unseres Bedarfs führen .

Die Amerikaner stellen 785 Milliarden Euro für die Verteidigung ab (Schätzung für 2020). Die Hauptbegründung für diese kolossalen Ausgaben ist die Aufrechterhaltung eines weltweiten Leaderships (die Vereinigten Staaten geben mehr aus als alle anderen Staaten zusammengenommen) und die Schaffung von für ihre Wirtschaft stark strukturierenden Absatzmärkten für den militärisch-industriellen Komplex. Lediglich 5 % dieser Ausgaben werden tatsächlich für Europa aufgewendet.

Die Verteidigungsanstrengungen Europas sollten nicht an den Ausgaben seiner Verbündeten, sondern an denen seiner potenziellen Gegner gemessen werden. Die Europäer geben bereits 219 Milliarden Euro für ihre Verteidigung aus. Davon ausgenommen sind das Vereinigte Königreich (Brexit) bzw. Dänemark (Opt-out-Klausel), während Russland 61 Milliarden Euro ausgibt, fast viermal weniger. Dies zeigt die Realität der relativen Fähigkeiten der russischen Supermacht“ auf, die in Ost- und Nordeuropa Ängste weckt.

Hauptproblem der Europäer ist folglich die Fragmentierung der Verteidigungsausgaben. Wenn 27 Länder alle Kampfflugzeuge und Hochseeschiffe haben wollen und sich die Staaten im Durcheinander aufrüsten, dann reichen selbst für die Verteidigung vorgesehene 4 % des BIP nicht aus, um ein kohärentes Krisenmanagementwerkzeug zu schaffen. Länder wie Russland und Israel verfügen über eine einheitliche Führung, Zielsetzung und Planung. In der Praxis würde bei koordinierten Ausgaben das Ziel von 2 % des BIP (siehe vorstehend) wahrscheinlich ausreichen, um die EU mit einer echten europäischen Verteidigung auszustatten, während sie derzeit Mühe hat, alle Krisenmanagement-Szenarien allein zu bewältigen.

Vielleicht wäre es daher besser, nicht zu viel Energie darauf aufzuwenden ständig den Druck auf den finanziellen Input zu erhöhen, dessen Haupteffekt darin besteht, Absatzmärkte für eine in Europa noch unzureichend angesiedelte Rüstungsindustrie zu schaffen, sondern sie auf den militärischen Output zu konzentrieren, der die Europäer dazu zwingt, ihre Fähigkeiten besser zu integrieren und wenn möglich, sie zu produzieren.

Der Strategische Kompass ist unter diesem Gesichtspunkt insofern wertvoll, als er einerseits ein ausreichend hohes, andererseits ein ausreichend realistisches und präzises Ambitionsniveau festlegen könnte.

Welches? Es sei daran erinnert, dass im Gegensatz zu den zur Modellierung eines Fähigkeitenbedarfs erstellten fünf illustrativen Szenarien, das von Frankreich vorgeschlagene sechste Szenario, nämlich eine europäische 5.000 Mann starke, ausrüstungsintensive Vorauskraft, sowohl realistisch als auch operativ ist. In diesem Zusammenhang wird in dem von Frankreich koordinierten Non-Paper zur Krisenbewältigung vorgeschlagen, rasch solche 5000 Mann starken Vorauskräfte ( First Entry Force“ ) vorzubereiten, die diesem Anspruchsniveau entsprechen könnten.

Generell wäre es für die Zeit nach dem Strategischen Kompass grundlegend, ein Szenario festzulegen, das einen kohärenten Anspruch mit einer umsichtigen Rollenaufteilung zwischen der NATO und EU (siehe nachstehend) bei der Krisenbewältigung aufnimmt. Dieser würde die Mitgliedstaaten gemeinsam dazu verpflichten, eine genaue und kohärente Aufschlüsselung der Fähigkeiten unter Berücksichtigung der zur Verfügung stehenden Humanressourcen zu erstellen, die parallel zu organisieren wären. In fine würde dies zu einem niedrigeren Ambitionsniveau führen, insbesondere in Hinblick auf die Helsinki-Planziele (siehe nachstehend), die sehr anspruchsvoll sind, aber kaum noch erwähnt werden, was für mehr Effizienz sorgen würde.

2. Operative Achse

• Die Wiederbelebung der GSVP-Instrumente in den letzten Jahren ging paradoxerweise mit einem ziemlich starken Rückgang der EU-Missionen und -Operationen einher. Die Situation in Syrien, Mali, Libyen und Berg-Karabach z. B. hat keine Bestrebungen ausgelöst europäische Truppen zu entsenden. Wird ein Einsatz doch angedacht, wird es immer schwieriger Truppen zu bekommen. Außerdem besteht eine deutliche Diskrepanz zwischen den beschlossenen politischen Zielen und den zum Zeitpunkt der Truppengestellung vereinbarten Mittel, wie die Operation Irini gezeigt hat, so dass der Mehrwert der Einsätze und Operationen darunter leidet. Kurz gesagt, zwischen der Zeit, die benötigt wird, um eine einstimmige Einigung zu erzielen, und der Zeit, die benötigt wird, um Kräfte zu mobilisieren, kann es sein, dass die EU nicht in der Lage ist, eine Operation mit der erforderlichen Geschwindigkeit durchzuführen , im Gegensatz zu einigen Mitgliedstaaten und unabhängig davon, ob sie es innerhalb einer Koalition tun oder nicht.

Tatsächlich haben von den 17 laufenden Operationen nur 3 militärische Exekutivbefugnisse 32 ( * ) . Bei den anderen handelt es sich um Operationen ohne Exekutivbefugnisse“ und zivile Missionen, von denen es umgekehrt manchmal schwierig ist sich zurückzuziehen, wobei zu bedenken ist, dass etwa zehn dieser Einsätze und Operationen an ihre Grenzen gestoßen sind.

LAUFENDE GSVP-OPERATIONEN

Derzeit gibt es 17 zivile bzw. Militäreinsätze (18 weitere sind abgeschlossen):

6 militärische Operationen, davon 3 mit und 3 ohne Exekutivbefugnisse (Ausbildungsmissionen):

- im Mittelmeer (2015 gestartete EU NAVFOR MED Irini-Mission zur Bekämpfung von Menschenschmuggel und -handel)

- vor der somalischen Küste (2008 ins Leben gerufene maritime Operation NAVFOR ATALANTA im Kampf gegen Piraterie)

- in Bosnien und Herzegowina (2004 ins Leben gerufene friedenserhaltende Mission EUFOR ALTHEA)

- in der Zentralafrikanischen Republik (2016 ins Leben gerufene Ausbildungsmission EUTM CAR für Streitkräfte)

- in Mali (2013 ins Leben gerufene militärische Ausbildungsmission EUTM Mali)

- in Somalia (2010 ins Leben gerufene militärische Ausbildungsmission EUTM Somalia)

• 11 zivile Missionen im Bereich Polizei und Unterstützung von Sicherheitskräften und Rechtsstaatlichkeit, Fähigkeitenausbau bzw. Hilfe beim Grenzschutz:

- in Europa (EULEX im Kosovo, EUBAM in Moldawien und der Ukraine, obwohl letztere nicht direkt von der GSVP geleitet wird, EUAM in der Ukraine, EUMM in Georgien)

- im Nahen Osten (EUPOL COPPS und EUBAM Rafah in den palästinensischen Gebieten und EUAM im Irak)

- in Afrika (EUBAM in Libyen, EUCAP SAHEL in Mali, EUCAP SAHEL in Niger und EUCAP Somalia)

• Anhand einschlägiger Texte sollen einige Grundprinzipien in Erinnerung gerufen werden. Artikel 42(1) EUV besagt: Die Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik ist integraler Bestandteil der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik . Sie sichert der Union eine auf zivile und militärische Mittel gestützte Operationsfähigkeit . Auf diese kann die Union bei Missionen außerhalb der Union zur Friedenssicherung, Konfliktverhütung und Stärkung der internationalen Sicherheit in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Charta der Vereinten Nationen zurückgreifen.

Da die EU nicht über eine Armee verfügt, hängt die Durchführung von GSVP-Missionen von den [zivilen und militärischen] Fähigkeiten ab, die von den Mitgliedstaaten“ bereitgestellt werden. (gleicher Artikel).

In Artikel 42(4) EUV heißt es: Beschlüsse zur Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik, einschließlich der Beschlüsse über die Einleitung einer Mission nach diesem Artikel, werden vom Rat einstimmig auf Vorschlag des Hohen Vertreters der Union für Außen- und Sicherheitspolitik oder auf Initiative eines Mitgliedstaats erlassen .

Die Entscheidung, eine Operation einzuleiten , wird daher in einem zwischenstaatlichen Rahmen getroffen, in dem j eder Staat die Möglichkeit hat, alle anderen zu blockieren 33 ( * ) .

Als Leiter der GASP untersteht dem HR/VP der Europäische Auswärtigen Dienst (EAD) , der für die Steuerung der zivilen und militärischen Komponenten der EU bei der Krisenbewältigung zuständig ist.

a) Der Wille zur Wiederbelebung

Es gibt zahlreiche Gründe, die den Bedeutungsverlust der GSVP erklären. Die erste GSVP-Periode, von 2003 bis 2008, wurde getragen von den Nachwehen der Demütigung auf dem Balkan und dem Interesse an einer neuen Politik. Im Laufe der Zeit und mit den neuen politischen Führungen ließen diese nach und zurück blieben die eiserne Abneigung gegen tödliche Risiken, die historische Ausrichtung zur NATO und ein Pazifismus, zu dem gewisse neutrale Staaten wie Irland oder Österreich drängten. Hinzu kamen eine fehlende europäische Führung bei Missionen mit Exekutivbefugnissen, eine weiterhin sehr lückenhafte Aufklärung sowie ab 2008, die Auswirkungen einer Reihe von aufeinanderfolgenden sehr belastenden, schwerwiegenden Themen (Finanzkrise, Brexit usw.). All dies erklärt, warum die Mitgliedstaaten resigniert angesichts der zunehmenden Trägheit der GSVP reagierten.

Da der Gesetzesrahmen den Mitgliedstaaten freistellt an einer Mission teilzunehmen oder nicht, stellt sich folgende Frage: Welchen Anreiz bietet er einem Staat, der - wie Frankreich - über die Mittel verfügt, eine Operation mit anderen aus freiem Willen teilnehmenden Staaten völlig selbständig zu leiten und zu koordinieren, wie z. B. bei Takuba?

Sobald das Hindernis der Einstimmigkeit überwunden ist, sind die Beiträge der GSVP in der Tat wichtig. Die finanzielle Solidarität ist zwar begrenzt, aber nach wie vor von Bedeutung und sollte für Militäreinsätze mit dem Europäischen Verteidigungsfonds verstärkt werden (siehe nachstehend). Die militärische Planungsfähigkeit, die eine europäische Militärführung vorwegnimmt, entlastet nationale Stäbe indirekt von Militäreinsätzen ohne Exekutivaufgaben. Schließlich bietet die GSVP eine politische Legitimation, die absolut notwendig ist 34 ( * ) . 35 ( * )

Die Entkopplung des zunehmenden Konfliktgeschehens von der Entwicklung militärischer GSVP-Missionen ist daher nicht normal und schadet dem strategischen Gewicht der EU auf der Weltbühne.

Die Hindernisse, die der Mobilisierung der GSVP im Wege stehen, müssen beseitigt werden. Es gilt zu bedenken ist, dass die Verschärfung und Diversifizierung der Risiken, z. B. im Hinblick auf den Zugang zu umkämpften strategischen Gebieten, dazu führen sollte, dass neue, schnellere und flexiblere Einsatzmöglichkeiten umgesetzt werden .

b) Das Prinzip der Einstimmigkeit überdenken

Die zur Einleitung einer externen Operation notwendige Einstimmigkeit ist mit 27 Mitgliedstaaten immer schwieriger zu erreichen 36 ( * ) , insbesondere bei Militärischen Operationen. Operationen im zivilen Krisenmanagement nehmen leichter die Hürde des Politischen und Sicherheitspolitischen Komitees (PSK), das die Botschafter der Mitgliedstaaten vereint.

In den späten 2000er Jahren konnten Frankreich und Spanien Atalanta gegen die Piraterie an der somalischen Küste problemlos durchsetzen, und auch EUFOR Tschad konnte von Frankreich ohne große Schwierigkeiten eingeleitet werden. 2013 war es bereits schwieriger EUTM Mali durchzusetzen, die Mission war jedoch gut vorbereitet und konnte schließlich umgesetzt werden. In 2020 wurde Irini mehrere Monate lang von Österreich und Ungarn blockiert, da sie nicht daran teilnehmen wollten.

Die prinzipielle Ablehnung gegenüber militärischer Operationen seitens gewisser Mitgliedstaaten sowie eine Vervielfachung der zu berücksichtigenden Kriterien stellen sich als blockierende Faktoren heraus. Die Diskussionen im PSK zeigen immer deutlicher diese Kluft: Ein Mitgliedstaat bemängelt Übergriffe seitens lokaler Armeen, ein anderes lehnt tödliche Waffensysteme ab, ein anderes unterstreicht das Geschlechterverhältnis und dass mindestens 30 % Frauenanteil notwendig wäre und sie nicht ausreichend vertreten seien usw. Gewisse kleine Staaten, die historisch gesehen den Operationen zustimmten ohne an ihnen teilzunehmen, lehnen diese nun prinzipiell aus innenpolitischen Gründen ab.

Es stellt sich die Frage, ob das Prinzip der Einstimmigkeit überdacht werden kann. Möglich ist es, indem man das Prinzip umgeht mit Mechanismen wie der konstruktiven Enthaltung“, die bereits bei der EPF hinsichtlich der Bereitstellung tödlicher Waffen eingesetzt wurde, entschärft (siehe nachstehend). Jedoch wäre es utopisch, das Prinzip der Einstimmigkeit in einem Bereich, der substanziell mit dem Hoheitsrecht verbunden ist, wie das im Bereich Sicherheit und Verteidigung der Fall ist, in Frage zu stellen. Daher sollten man Lösungen finden, um sich damit abzufinden und gleichzeitig ausreichend funktionierende Operationen in einem zumutbaren Zeitrahmen einleiten zu können. Das Rahmenpapier enthält daher das Ziel, die Flexibilität und Schnelligkeit des Entscheidungsprozess zu verbessern 37 ( * ) .

(1) Ein derzeitiges Format, mit dem schneller Widerstände überwunden werden können sind Ad-hoc Koordinierungen.

Müssen Mitgliedstaaten dringend intervenieren, tun sie das in zunehmenden Maße außerhalb der GSVP-Strukturen. Frankreich ist einer der wichtigsten Akteure dieses Wandels. Anstatt sich auf lange Sicht zu engagieren, um eine mehr oder weniger sichere Zustimmung zu erreichen, zieht Frankreich es vor, pragmatisch mit den europäischen Staaten zusammenzuarbeiten, die dies wünschen und über ausreichende Fähigkeiten verfügen. Vorteil daran ist, dass man das Vereinigte Königreich (Brexit) und Dänemark (Opt-out-Klausel) nicht von vornherein ausschließen muss.

Die Mission Agenor 38 ( * ) in der Straße von Hormus, eine Mission gleichen Typs wie die, für die die GSVP gegründet wurde, ist ein Beispiel für eine von Frankreich koordinierte Koalition von acht freiwilligen Ländern außerhalb jeglichen EU- bzw. NATO-Rahmens. Takuba 39 ( * ) ist ein weiteres Beispiel für eine Ad-hoc Koalition.

Ebenfalls denkbar wären weniger starre, als die derzeit im Rahmen der GSVP definierten Formen der Koordinierung, die dennoch einer Zustimmung der EU bedürfen. Dieser Trend wird beispielsweise durch die Koordinierte Maritime Präsenz “ (CMP) 40 ( * ) veranschaulicht, bei der Mittel nationaler Marinekräfte für andere Einsätze in einem Testgebiet, dem Golf von Guinea, eingesetzt werden.

Die-Ad-hoc Koordinierung hat jedoch einen großen Makel: Sie bedeutet, dass man auf die Teilnahme einiger Mitgliedstaaten, insbesondere Deutschland, verzichten muss Die Bereitschaft, sich an militärischen Operationen zu beteiligen, ist zwar oft durch eine historisch determinierte Vorsicht begrenzt, jedoch ist die Ablehnung Deutschlands an solchen Operationen vorrangig verfassungsrechtlich und nicht unbedingt politisch bestimmt : Ohne UN-, NATO- oder EU-Mandat ist Deutschland rechtlich daran gehindert, sich an einer Operation zu beteiligen. Auch Spanien (z. B. mit Takuba) oder Italien stehen manchmal vor derselben Art von rechtlichem Hindernis.

(2) Automatische Auslösung der Beistandsklausel im Angriffsfall

Bei der Ausgestaltung des Strategischen Kompasses scheint es einen neuen Konsens für die Beistandsklausel des Artikels 42(7) EUV 41 ( * ) zu geben. Der EU-Bündnisfall wurde ein einziges Mal angefordert, und zwar von Frankreich nach den Anschlägen in Paris am 13. November 2015, was zu einer Mobilisierung mancher europäischer Partner in der Sahelzone führte. Die Berufung auf diese Klausel, anstatt auf Artikel 5 des Nordatlantikpakts, von der sie abgeleitet wurde, war symbolträchtig (insbesondere, da eine einfache Berufung auf Artikel 222 AEUV 42 ( * ) ebenso gerechtfertigt gewesen wäre). Aber manche Staaten sind entschieden gegen jegliche Anrufung des Artikels 42(7) EUV mit der Begründung, dass dies eine Duplizierung 43 ( * ) des Artikels 5 der NATO bedeuten würde.

Im Jahr 2019 stellte der EAD Überlegungen zu diesem Artikel an. Durchgeführt wurden zukunftsorientierte Einsätze auf der Grundlage komplexer konventioneller und nicht-konventioneller Krisen zwischen den Mitgliedstaaten, um eine Anwendungsdoktrin für eine kombinierte Verwendung der Artikel 42(7) EUV und 222 AEUV 44 ( * ) zu entwickeln. Dank dieser Vorhaben scheinen dieselben zögerlichen Staaten nun dazu zu neigen, den Wert der Beistandsklausel in Verbindung mit Artikel 5 neu zu bewerten, in den Fällen, in denen die NATO nicht handeln kann oder will. Diese anfangs unabhängig vom Strategischen Kompass durchgeführte Überlegung, kann diesen nun anregen.

(3) Die Option einer vereinfachten Zustimmung

Die Einstimmigkeit für schlüsselfertige Operationen

Artikel 44 EUV ermöglicht es dem Rat, die Durchführung einer Mission einer Gruppe von Mitgliedstaaten zu übertragen, die dies wünschen und über die für eine solche Mission erforderlichen Fähigkeiten verfügen. Die betreffenden Mitgliedstaaten vereinbaren in Absprache mit dem Hohen Vertreter der Union für Außen- und Sicherheitspolitik untereinander die Ausführung der Mission.“

Auf diese Weise könnte ein Mitgliedstaat dem PSK direkt eine mit einigen anderen Partnerstaaten konzipierte Operation unterbreiten , was eine erhebliche Zeitersparnis mit sich brächte, da die Notwendigkeit vorheriger Studien und Diskussionen zwischen den Mitgliedstaaten zur Erstellung eines Operationskonzepts entfiele. Das von Frankreich koordinierte Non-Paper zur Krisenbewältigung legt nahe, eine solche Überlegung über die Anwendung von Artikel 44 des Vertrags einzuleiten. Auf dieser Grundlage wäre es sogar möglich, nachträglich eine Ad-hoc-Operation wie Takuba 45 ( * ) zu genehmigen.

Ein auf Kooperationsbausteine “ reduzierter GSVP-Beitrag für mehr Flexibilität

Ein weiterer von den französischen Behörden vorgeschlagener Weg wären sogenannte Bausteine“ im Bereich Zusammenarbeit, die die GSVP in eine nationale Operation, in eine europäische Ad-hoc-Kooperation wie Takuba oder Agénor oder in eine NATO- bzw. UN-Operation einbringen könnte. Solange eine EUTM-Mission in dieselbe Richtung wie eine nationale oder Ad-hoc-Operation arbeitet, wäre es möglich, dass diese dazu beitragen könnte. Interaktionen zwischen EUTM Mali und Barkhane oder Takuba wären also denkbar.

In dem von Frankreich koordinierten Non-Paper zur Krisenbewältigung wird vorgeschlagen, dass logistische und transporttechnische Fähigkeiten, medizinische Unterstützung oder strategische Kommunikation für nationale oder europäische Operationen, die im gleichen Einsatzgebiet stattfinden, gemeinsam bereitgestellt werden könnten.

(4) Die Option einer institutionellen Umgehung: EI2 und andere Initiativen

Neben der GSVP und der Europäischen Union ist die Europäische Interventionsinitiative (EI2) zu nennen, deren 13 Mitglieder an verschiedenen Arbeitsgruppen teilnehmen. Ihre Überlegungen sollen der Europäische Union und der NATO neuen Elan verleihen und gleichzeitig eine gemeinsame strategische Kultur entwickeln. Die EI2 stärkt beide Institutionen, indem sie die Fähigkeit ihrer Mitglieder militärisch zu kooperieren verbessert und konkrete Projekte, insbesondere im Rahmen des PSK, schafft. Die EI2 ist auch insofern zu begrüßen, als sie die Einbeziehung des Vereinigten Königreichs trotz des Brexit sowie Dänemarks trotz der Opt-out-Klausel ermöglicht.

Es gibt weitere multinationale Initiativen in Europa, von denen viele auf die Schaffung einer schnellen Eingreiftruppe abzielen (wie wir sehen werden, lässt der Strategische Kompass auf einen Erfolg in diesem Bereich hoffen), die im dringenden Krisenfall außerhalb des EU-Gebiets anstelle der Ad-hoc-Koalitionen zur Friedenssicherung oder Friedensschaffung intervenieren könnte.

An erster Stelle sei Eurokorps zu nennen, einer der ersten Versuche eine europäischen schnellen Eingreiftruppe einzurichten. Dem 1992 auf Initiative Frankreichs und Deutschlands gegründeten Eurokorps gehören fünf Mitgliedstaaten (Frankreich, Deutschland, Spanien, Belgien, Luxemburg) an. Es handelt sich um ein multinationales militärisches Hauptquartier mit Sitz in Straßburg, das bis zu 60.000 Mann in EU- oder NATO-Operationen befehligen kann. Es beteiligt sich an den rotierenden Bereitschaftsdiensten der EUBG ( siehe nachstehend ) und der NATO Response Force, NRF 46 ( * ) . Das Europäische Korps hat sich an NATO-Operationen in Bosnien, im Kosovo und in Afghanistan sowie an EU-Missionen in Mali und der Zentralafrikanischen Republik beteiligt.

Außerdem gibt es die Joint Expeditionary Force (JEF), die 2014 geschaffen wurde, und die Combined Joint Expeditionary Force (CJEF), die im Rahmen der Verträge über die Zusammenarbeit in der Verteidigungs- und Sicherheitspolitik zwischen Großbritannien und Frankreich ( siehe nachstehend ) eingerichtet wurde. Abschließend sei noch die 1989 gegründete Deutsch-Französische Brigade (DFB) genannt. Diese 5.600 Mann starke binationale Brigade besteht zu 40 % aus französischen und zu 60 % aus deutschen Truppen und beteiligte sich im Rahmen der Stabilisierungsstreitkräfte in Bosnien und Herzegowina (SFOR), in Afghanistan (ISAF) und im Kosovo (KFOR). Von Oktober 2018 bis April 2019 war die DFB in Mali im Einsatz, allerdings getrennt, wobei sich die Franzosen sich der als besonders tödlich geltenden Operation Barkhane widmeten, und die Deutschen an Minusma und EUTM-Mali teilnahmen. 47 ( * )

(5) Die Option des harten Kerns: Die Frage der Einrichtung eines Europäischen Sicherheitsrates

Viele Mitgliedstaaten wie Polen, die baltischen Staaten, Schweden, Dänemark, die Niederlande (und das Vereinigte Königreich vor dem Brexit) lehnen die Idee einer europäischen Verteidigung strikt ab, während Länder mit einer historisch gewachsenen Neutralität, insbesondere Irland und Österreich, sich gegen europäische Militäraktionen, selbst nach außen, sträuben. Wenn also die europäischen Staaten Schwierigkeiten haben, im Bereich der Krisenbewältigung und der Verteidigung gemeinsam voranzukommen, könnte sich die Frage nach der Bildung einer Vorhut“ stellen, einer Art Eurogruppe der Verteidigung“ außerhalb des GSVP-Rahmens.

Die Hypothese einer solchen Vorhut, die Angela Merkel wiederholt als Europäischen Sicherheitsrat“ bezeichnet hat, wurde schließlich von Emmanuel Macron unterstützt, wie aus ihrem gemeinsamen Versprechen, der sogenannten Erklärung von Meseberg vom 19. Juni 2018 hervorgeht. In einem der Erwägungsgründe verpflichten sich die beiden Staaten, neue Möglichkeiten zu prüfen, wie die EU-Entscheidungsfindung in [ihre] Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik beschleunigt und effizienter gemacht werden kann “ Sie meinen außerdem, dass sie e ine europäische Debatte über neue Formate [brauchen] , zum Beispiel einen EU Sicherheitsrat , und über Möglichkeiten einer engeren Abstimmung innerhalb der EU und in externen Foren.“

Ein neues Format erscheint umso sinnvoller, als der Europäische Rat seine Rolle als oberstes Gremium für strategische Fragen nur unzureichend wahrgenommen hat. Da sich die Aufmerksamkeit der EU auf die inneren Angelegenheiten konzentriert, sind die wenigen außenpolitischen EU-Interventionen von Entscheidungen gekennzeichnet, die als Reaktion auf unmittelbare Ereignisse getroffen werden (Verhängung von Sanktionen, Management des Migrationsrisikos), ohne dabei eine strategische Vision zu entwickeln. Im EU-Rat treffen sich die Verteidigungsminister nur einmal pro Halbjahr im kleinen Komitee und im Rahmen des Treffens der EU-Außenminister. Im Europäischen Parlament ist der Bereich Verteidigung auf einen Unterausschuss des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten beschränkt.

Dies bedeutet, dass Platz für die Einrichtung eines echten politisch-strategischen Gremiums von geringerer Größe und mit eigenen festgelegten Zielen ist : Krisenmanagement, kollektive Verteidigung oder beides. Entscheidungen könnten mit qualifizierter Mehrheit getroffen werden (außer bei der Entsendung von Truppen), und die Einbeziehung der Briten wäre theoretisch möglich. Danach könnte jeder Mitgliedstaat wann immer er dies wünscht, sich einem ursprünglichen harten Kern, bei dem es sich um die E4 handeln könnte, anschließen.

c) Verbesserungen in Reichweite
(1) Verbesserung der Qualität der Missionen

• Die drei derzeitig laufenden EUTM 48 ( * ) - Missionen , die die Gruppe der Militärmissionen ohne Exekutivbefugnisse bilden, erfüllen nicht alle, in Mali, der Zentralafrikanischen Republik und Somalia geweckten Erwartungen. Trotz der Ausbildungsanstrengungen gehen immer weniger Kräfte aus der Mission hervor, so dass sich einige Beobachter fragen, was mit den betreffenden Kontingenten geschieht, die möglicherweise in zivile Berufe zurückkehren. Das Hauptproblem ist, dass diese Kräfte von den EUTM weder gut genug trainiert noch ausgerüstet werden. Ganz allgemein sollte der Prozess ihrer Ausbildung überdacht werden angefangen von der grundlegendsten Organisation (zum Beispiel das Waschen und das Hissen der Fahnen am Morgen) über die Rekrutierung und zum Kampf bis hin zur Pensionierung.

Rund alle sechs Monate finden Strategische Überprüfungen der GSVP-Krisenbewältigungsinstrumente und -missionen statt. Die meisten nicht veröffentlichten Überprüfungen b edauern die mangelnde Beteiligung der Mitgliedstaaten, fehlendes qualifiziertes Personal und ein abwesendes solides Mandat.

• Die Ergebnisse der zivilen Missionen liegen ebenfalls unter den Erwartungen. Trotz der ausdrücklichen Empfehlungen eines vor zwei Jahren verabschiedeten Paktes 49 ( * ) , sind die Mitgliedstaaten noch weit davon entfernt ihre besten Mitarbeiter einzusetzen, mit dem Ergebnis, dass ihr Fachwissen im Verhältnis zum Bedarf höchst unbefriedigend ist .

In der Sahelzone war jedoch offensichtlich, dass ein militärische Erfolg illusorisch ist, solange die zivilen Institutionen nicht funktionieren. Die Bereitstellung angemessenen Personals zur Erfüllung ziviler Mandate ist daher ein echtes Problem. Vielleicht sollte man über eine europäische zivile Reserve von speziell ausgebildeten Einheiten nachdenken, die schnell eingesetzt werden könnten.

In jedem Fall würde eine Verbesserung der Qualität der zivilen und Militärmissionen sicherlich dazu beitragen, die Ergebnisse zu verbessern, die gegenwärtig keinen ausreichenden Anreiz für die Mitgliedstaaten bieten, neue Missionen zu starten. Aus einem anderen Blickwinkel betrachtet, werden einige der Unzulänglichkeiten unserer Missionen in Afrika umso problematischer, als Russland, China bzw. die Türkei sich zunehmend als Rivalen präsentieren.

(2) Eine beschleunigte Truppengestellung: endlich eine Ablöse für die EUBG?

• Die für die Truppengestellung notwendige Zeit im Rahmen der GSVP stellt weiterhin ein Handicap dar.

Der europäische Wunsch einer schnellen Eingreiftruppe geht auf die 1999 im Rat von Helsinki definierte Eingreiftruppe zurück. Diese Truppe, die nach dem Vorbild der SFOR (der 1999 in Bosnien und Herzegowina eingesetzten NATO-Stabilisierungstruppe) eine 60.000 Mann starke in 60 Tagen mobilisierbare und mindestens ein Jahr lang einsatzfähige Truppe gewesen wäre, hätte das gesamte Spektrum der Petersberg-Aufgaben (siehe vorstehend) übernehmen können. Jedoch wurde das Helsinki-Planziel (headline goal ), das für 2003 festgelegt wurde, nie erreicht.

Im Jahr 2004 verabschiedete die Union das Planziel 2010“, im Rahmen dessen 2006 die Gefechtsverbände der Europäischen Union (EUBG für EU-Battlegroups ) für militärische Interventionen im Rahmen der GSVP eingerichtet wurden.

Jede Gefechtsgruppe besteht aus mindestens 1.500 Mann plus Unterstützungspersonal. Sie muss innerhalb von 15 Tagen für eine anfängliche Einsatzdauer von 30 Tagen, die auf bis zu 120 Tage verlängert werden kann, einsatzbereit sein. Das Schema sieht zwei Gefechtsverbände pro Halbjahr vor, d. h. vier pro Jahr. Die Gefechtsverbände werden in den Monaten vor ihrem Bereitschaftsdienst ausgebildet, trainiert und diplomiert.

Die EUBG wurden bisher jedoch nie eingesetzt. Außerdem sind sie im Gegensatz zu den direkt vergleichbaren NATO-Eingreiftruppen, nicht immer einsatzbereit. Dieser Zustand, der regelmäßig bedauert wird , hat sowohl politische als auch technische und finanzielle Gründe. 50 ( * )

Mehrere Maßnahmen könnten dazu beitragen, die Gefechtsverbände einsatzfähig zu machen: Verlängerung des Bereitschaftsdienstes von 6 Monaten auf ein Jahr, Einstufung der von den Staaten zur Verfügung gestellten Mittel (insbesondere jener, die diesbezüglich nicht rigoros genug sind) und Ermöglichung einer EPF-Finanzierung 51 ( * ) (siehe nachstehend).

• Die Blockade könnte im Rahmen des Strategischen Kompasses allgemeiner angegangen werden , indem das Problem der Geschwindigkeit bei der Projektierung der Operationen gelöst wird. Im Rahmen des von Frankreich koordinierten Non-Papers zur Krisenbewältigung befürwortet eine kleine Mehrheit der Mitgliedstaaten derzeit die ständige Verfügbarkeit einer ersten Vorauskraft“, die wie oben bereits erwähnt 5.000 Mann stark sein, aus dem Land-, See- und Luftbereich kommen und einer gemeinsamen Ausbildung unterliegen sollen. Kern könnten die Battlegroups sein und ein Teil des Personals könnte sich mit VN- bzw. NATO-Kräften überschneiden, die diese zur Verfügung stellen Josep Borrell unterstützt die Einrichtung einer solchen Truppe. Das Ziel von 5.000 Soldaten könnte an sich ein akzeptables Gleichgewicht darstellen zwischen realen Mitteln der Mitgliedstaaten, angesichts derer das Ziel gering aber nicht lächerlich erscheint, und ihrem geringen Grad an Engagement für die GSVP, angesichts dessen das Ziel nicht unerreichbar erscheint.

• Darüber hinaus hat das deutsche Verteidigungsministerium als PSK-Projekt das Kernelement für EUFOR-Krisenreaktionsoperationen ( EUFOR CROC ) ins Leben gerufen, an dem sich Frankreich beteiligt. Dieses Projekt sieht verschiedene Szenarien für die Zusammenstellung bestehender Interventionskräfte 52 ( * ) vor, um ein kohärentes Vollspektrum-Streitkräftedispositiv“ ( Full Spectrum Force Package - FSFP) zu erreichen, das sobald die EU die Einleitung einer Operation beschließt die Gestellung einer Truppe erleichtern und beschleunigen würde. Das Projekt EUFOR CROC ist zwar unter dem Gesichtspunkt der Beschleunigung des Truppengestellung sehr interessant, konzentriert sich aber eher auf Szenarien im unteren Spektrum 53 ( * ) .

(3) Bessere Finanzierung von Missionen: die Europäische Friedensfazilität (EPF)

Zivile Missionen werden aus dem EU-Haushalt (GASP“-Haushalt) finanziert. Externe militärische Operationen werden dagegen durch einen Ad-hoc- Pooling-Mechanismus zur Deckung bestimmter gemeinsamer Kosten finanziert. Bei diesem Mechanismus handelte es sich um den sogenannten Athena“-Mechanismus, der 2021 von der Europäischen Friedensfazilität ( EPF für European Peace Facility) abgelöst wurde. Die restlichen Ausgaben werden direkt von den Mitgliedstaaten über ihren materiellen Beitrag und Humanressourcen an der Operation getragen.

• Laut dem Beschluss des Rates der Europäischen Union vom 18. Dezember 2020, soll die EFP folgendes ermöglichen:

- weiterhin gewisse gemeinsame Ausgaben für Militärmissionen der EU-Krisenbewältigung im GSVP-Rahmen tragen zu können, indem der Athena-Mechanismus 54 ( * ) eingegliedert und gestärkt wird;

- Förderung der militärischen Zusammenarbeit und Unterstützung. Die EPF insbesondere:

- erweitert eine Aktion auf alle regionalen Organisationen, die bisher auf die Afrikanische Union (AU) beschränkt war und über die Afrikanische Friedensfazilität (APF) ging. Diese wird von der EPF 55 ( * ) abgelöst;

ermöglicht nun die militärische Unterstützung von Drittstaaten außerhalb des Rahmens einer regionalen Organisation - was zum Beispiel die Unterstützung der G5 Sahel (G5S) ermöglichen würde;

• erlaubt es der EU nun, militärische Ausrüstungen, einschließlich tödlicher Waffen, an ihre Partner zu liefern .

Die EPF, die für den Zeitraum des Mehrjährigen Finanzrahmens (2021-2027) mit 5 Milliarden Euro außerhalb des regulären EU-Haushalts dotiert wurde, wird weiterhin durch jährliche Direktzahlungen der EU-Mitgliedstaaten finanziert .

Für die EPF bedeutet dies einen wichtigen Schritt nach vorn, da die Möglichkeit einer direkten militärischen Unterstützung, auch tödlicher Art, vorgesehen wird. Somit könnten die im EUTM-Rahmen ausgebildeten Streitkräfte angemessen ausgerüstet werden . Das heikle und umstrittene Thema der Waffenlieferungen beruht auf dem Prinzip der konstruktiven Enthaltung “: Wünscht der Rat Waffen an einen Partner zu liefern, können sich die widerstrebenden Länder der Stimme enthalten, ohne einen Beschluss zu blockieren, der theoretisch der Einstimmigkeit bedarf 56 ( * ) .

Die EPF sollte im Laufe des 2. Halbjahres 2021 anlaufen.

DIE AFRIKANISCHE FRIEDENSFAZILITÄT (APF) UND DAS ICSP-INSTRUMENT

• Die APF wurde 2004 aus dem Europäischen Entwicklungsfonds finanziert und entstand zu einer Zeit, als viele Europäer und Nichtregierungsorganisationen der Idee ablehnend gegenüberstanden, militärische Einheiten durch Kooperations- und Entwicklungsbudgets zu unterstützen. Aus diesem Grund bewegt sich die PAF in einer Art Grauzone“ : Sie kann weder tödliche militärische Hilfe leisten noch die Gehälter der Soldaten finanzieren, aber sie kann deren Transport-, Kommunikations- und Führungsausrüstung, die Lebenshaltungskosten der Soldaten im Einsatz und ihre Prämien übernehmen. Anfangs wurde die PAF mit 250 Millionen Euro dotiert. Als dann ein gewisser Erfolg verzeichnet wurde, erhielt sie für den Zeitraum 2004-2019 3,5 Milliarden Euro, wovon 93 % für Friedensunterstützungsmaßnahmen (PSO) verwendet wurden.

- Das 2017 geschaffene IcSP-Instrument (Instrument, das zu Stabilität und Frieden beiträgt) hat das Spektrum der der EU zur Verfügung stehenden zivilen Maßnahmen erweitert, indem es innerhalb eines begrenzten Rahmens die Finanzierung bestimmter Arten von Schulungen sowie von Ausrüstung und Infrastruktur für das Militär ermöglicht.

Bilanz : Die meisten der von der AU geführten Friedensoperationen der letzten 15 Jahre wären ohne die APF nicht möglich gewesen. Dies hat es der EU ermöglicht, ihre Rolle in der Sicherheitszusammenarbeit zu stärken. Sie war jedoch nicht in der Lage, militärische Ausrüstung zu liefern. Darüber hinaus schloss sie eine militärische Zusammenarbeit mit einem Drittland aus, da die APF nur Friedensoperationen unter der Leitung der AU oder unter von ihr mandatierten afrikanischen Regionalorganisationen unterstützen kann. Auch mit dem IcSP-Instrument, das ebenfalls unter die Entwicklungshilfe fällt, war es nicht möglich den EU-Bedarf an militärischer Ausrüstung zu decken.

Es sei darauf hingewiesen, dass parallel dazu ein Instrument für Nachbarschaft, Entwicklungszusammenarbeit und internationale Zusammenarbeit (NDICI) eingerichtet wird. Dieses neue große Kooperations- und Entwicklungsprogramm, in dem mehrere Instrumente zusammengefasst werden, wird nun sämtliche zivilen APF- und IcSP-Maßnahmen (siehe vorheriger Kasten) finanzieren.

(4) Europäisierung des militärischen Stabs
(i) Der Beginn eines europäischen Kommandos mit dem militärischen Planungs- und Durchführungsstab (MPCC)

Bis 2017 wurde die Führung der militärischen GSVP-Operationen von der militärischen NATO-Kommandostruktur oder von nationalen Stäben übernommen. Das Fehlen eines europäischen Kommandos stellte eine Lücke dar, die der Rat am 8. Juni 2017 mit der Einrichtung des militärischen Planungs- und Durchführungsstabs ( MPCC für Military Planning and Conduct Capability ) innerhalb des EU-Militärstabs ( EUMS ), der Teil des EAD ist, behob.

Für die Führung von GSVP-Militäroperationen ist es nun also möglich zurückzugreifen auf:

- entweder auf die Berlin-plus-Vereinbarungen, ( um Duplizierungen bei Strukturen zu vermeiden) bei der Nutzung der NATO-Kommandostruktur 57 ( * ) , was bereits zweimal geschehen ist, und zwar in Mazedonien und Bosnien (wo die Operation Althea zwar nicht sehr aktiv ist, aber immer noch läuft und daher weiterhin auf diese Struktur zurückgreift); im Falle eines neuen Vorhabens erscheint es jedoch unwahrscheinlich, dass auf diese Vereinbarungen zurückgegriffen wird 58 ( * ) ;

- oder an eine autonome EU-Operation“ , die sich auf einen nationalen Militärstab stützt, der für jede Operation aus fünf berechtigten Mitgliedstaaten ausgewählt wird 59 ( * ) . In diesem Stab untersteht der Befehlshaber der Operation dem PSK und beaufsichtigt den Befehlshaber des Einsatzkontingents im Gefechtsfeld. Da der ausgewählte Staat bei jedem Einsatz ein anderer ist, entstehen erhebliche Vorlaufkosten“, da man sich mit der Funktionsweise der betreffenden europäischen Einrichtungen erst vertraut machen muss, was sehr zeitraubend ist;

- oder, seit 2017 , an den MPCC für Militäroperationen ohne Exekutivbefugnisse. Der leitende MPCC-Offizier ist der Befehlshaber der Operation und untersteht dem PSK; er beaufsichtigt auch den Befehlshaber des Einsatzkontingents. Als Keimzelle des Hauptquartiers der EU-Streitkräfte zielt der MPCC darauf ab, die Reaktionsfähigkeit, Wirksamkeit und Kohärenz der EU-Reaktion zu verbessern. Nach der 2020 endenden Phase 1“ war vorgesehen, dass der Stab auf strategischer Ebene die Planung und operative Durchführung von militärischen GSVP-Missionen ohne Exekutivbefugnisse“ , d. h. ohne Kampfeinsatz, sowie eine kleine exekutive Operation mit Schwerpunkt im Landbereich - das Äquivalent eines Gefechtsverbands ( Battlegroup ) - übernehmen könne. Heute werden die drei EUTM , d. h. alle Missionen ohne Exekutivbefugnisse, vom MPCC geleitet .

(ii) Die Modalitäten für eine ausgewogene Bedeutungszunahme

• Trotz einer durchwegs positiven Bewertung der geleisteten Dienste, erlaubt es die personelle und materielle Situation des MPCC noch nicht, seine Aufgabe in vollem Umfang wahrzunehmen : Stellen bleiben unbesetzt 60 ( * ) und die Infrastruktur ist mangelhaft, insbesondere aufgrund eines nicht-vorhandenen, sicheren Informations- und Kommunikationssystems 61 ( * ) . Dieser, auf Ebene aller europäischen Instanzen zu beklagende Mangel führt dazu, dass auf nationale, nicht interoperable Ressourcen bei der Einsatzleitung zurückgegriffen werden muss. Darüber hinaus verfügt der MPCC nicht über insbesondere logistische Ressourcen, die den Planungsstäben normalerweise für eine leichtere Einsatzplanung zur Verfügung stehen.

Es ist jedoch geplant, dass der MPCC im Jahr 2022 in ein geeignetes Gebäude umzieht, in dem auch das zivile Kommando, der EUMS und die zivile Aufklärung untergebracht sind. Angesichts weiterer erwarteter Verbesserungen, insbesondere beim Informations- und Kommunikationssystem, könnte der Direktor des EUMS Ende 2021, d. h. ein Jahr später als ursprünglich geplant , die vollständige Einsatzfähigkeit (FOC) der Phase 1“ des MPCC erklären.

• In einer zweiten Phase wäre es vorteilhaft, die Tätigkeit des MPCC auf exekutive Militärmissionen 62 ( * ) auszudehnen und somit einen Planungsstab - mit anderen Worten ein OHQ 63 ( * ) - für alle Militärmissionen zu haben. Dies würde bedeuten, dass die Stäbe, die die Operationen Irini oder Atalanta leiten, wieder dem MPCC anheimfallen würden. Diese Weiterentwicklung würde eine Lücke schließen, die u.a. dazu beiträgt, die enttäuschende Entwicklung der GSVP zu erklären.

Gelegentlich wird im Zusammenhang mit der Organisation der EU-Sicherheits- und Verteidigungsorganisation ein Einwand vorgebracht, nämlich der Grundsatz, die Kommandostrukturen mit der NATO nicht zu duplizieren 64 ( * ) . Aber abgesehen davon, dass die GSVP sich auf die Krisenbewältigung und die NATO eher auf die Verteidigung konzentriert, ist dies quantitativ nur scheinbar ein Problem : Mit einer Planungsstruktur, die in etwa hundert Offiziere umfassen könnte, kann der EUMS nicht ernsthaft als Duplizierung der integrierten NATO-Militärstruktur mit fast zwanzig-mal mehr Personen angesehen werden.

• Selbst wenn Deutschland und Frankreich die Ausweitung der Rolle des MPCC unterstützen, die es u.a. unabhängig von den Militärstäben der Mitgliedstaaten machen würden, so sind beider Ansätze dennoch unterschiedlich.

Derzeit sind sowohl der EUMS, zuständig für Doktrin und Fähigkeitenentwicklung, als auch der MPCC dem Generaldirektor des EUMS unterstellt. Generaldirektor ist seit 2020 der französische General Hervé Bléjean.

Die meisten unserer europäischen Partner, vor allem Deutschland, wollen jedoch, dass der MPCC über einen autonomen Mitarbeiterstab verfügt. Sie beabsichtigen, ihn vom EUMS zu trennen und ihm einen eigenen, direkt dem PSK unterstellten Direktor zu geben und der somit sämtliche EU-Operationen mit und ohne Exekutivbefugnisse leitet.

Frankreich befürwortet weiterhin eine robuste und einheitliche Führungsarchitektur, die das Kontinuum von Operationen, Doktrinen und Fähigkeiten abdeckt, denn es erfährt die Vorteile auf nationaler Ebene, wo ein einziger Generalstabschef, der CEMA ( Chef d`état major des Armées ) sowohl den Militärstab als auch das Zentrum für Planung und Operationsführung, CPCO ( centre de planification et de conduite des opérations ) leitet. Der Generalstabschef verfügt so über einen Gesamtüberblick auf Operationen und eventuelles Feedback und ist in der Lage doktrinale Erkenntnisse und deren Konsequenzen hinsichtlich der Fähigkeiten zu ziehen. Ähnlich verhält es sich bei der NATO mit gleichen Vorteile hinsichtlich Sichtbarkeit und Handlungsspielraum. Der SACEUR ( Supreme Allied Commander Europe - Oberster Alliierten Kommando Europa, derzeit General Tod Wolters) leitet das Supreme Headquarters Allied Powers Europe (abgekürzt SHAPE; deutsch Oberkommando oder Oberstes Hauptquartier der Alliierten Streitkräfte in Europa).

An dem Tag, an dem das MPCC sämtliche Militäroperationen (sowie sämtliche Ziviloperationen 65 ( * ) ) leitet und zu einer Art Mini-SHAPE“ wird, wird sie eine starke Legitimierung bei der Aufstellung der Bedürfnisse an Fähigkeiten erlangen. Mit einem autonomen Generalstab würde das militärische Fachwissen innerhalb des EUMS zersplittert werden, so dass die für die Entwicklung der Fähigkeiten Verantwortlichen an Legitimität verlieren würden. Das Risiko bestünde darin, dass die GD DEFIS durch die Rekrutierung eigener Militärexperten eine F ähigkeitenentwicklung fördert, die nicht unbedingt dem durch EU-Operationen ermittelten militärischen Bedarf entspricht .

Aus diesem Grund unterstützt der Generalstabschef (CEMA) in Frankreich konsequent eine geeinte und einzige EUMS- und MPCC-Führung, um kohärente Fähigkeiten und ein zufriedenstellendes Gleichgewicht zwischen Rat und Kommission zu gewährleisten.

(5) Aufklärung der Militärführung

Die europäische Aufklärung ist sehr mangelhaft. Eine Operation sollte jedoch so selbständig wie möglich durchgeführt werden können, ohne auf die Nachrichtendienste von Drittstaaten, wie den Vereinigten Staaten oder Russland , oder ein oder zwei besser ausgestatteten Teilnehmerstaaten angewiesen zu sein. Es ist wichtig, dass niemandem ihm fremde Ansichten aufgezwungen werden.

In diesem Zusammenhang fordert das französische Non-Paper zum Krisenmanagement die Entwicklung autonomer EU-Analysefähigkeiten. Darin wird der Einsatz von EU-Instrumenten im Bereich Elektronischer Aufklärung (ELINT) angestoßen, darunter das EU-Satellitenzentrum SatCen (Torrejón/Madrid) sowie die Fähigkeiten zur Informationsbeschaffung zu stärken. Letztlich geht es darum, die Entscheidungsfindung zu verbessern.

d) Entstehung eines breiter angelegten, unterstützungsfähigen Verteidigungsclusters?

Die auf EU-Militärstrukturen (EUMS und MPCC) verteilte und dem EAD unterstehenden Militärangehörigen machen nur einen kleinen Anteil der Belegschaft aus (rund 250 von 4.500 Mitarbeitern), was die Entstehung eines einheitlichen Verteidigungsclusters erschwert. Der EAD besteht hauptsächlich aus Diplomaten und ist daher eher außenpolitisch orientiert. Diese Konstellation ist natürlich nicht optimal: Die meisten Staaten würden nicht auf die Idee kommen, ihre Verteidigungspolitik und ihr Militär von einem Amt für Auswärtige Angelegenheiten abhängig zu machen. Daher wäre es vorzuziehen die Militärstrukturen nicht dem EAD zu unterstellen, sondern dem Präsidenten des Europäischen Rates, so wie es die französische Haltung bei der Gründung des EAD vorsah.

In jedem Fall hätte eine gestärkte militärische Fähigkeit in einem homogenen Stab und die als Hebel für Informationen, Fachwissen und Maßnahmen besser identifizierbar wäre (was den Aufstieg des MPCC innerhalb des EUMS andeuten könnte) ein starkes Potenzial für andere EU-Politiken. So wäre es beispielsweise normal, dass im Falle einer Gemeinschaftsverantwortung im Bereich Sicherheit im Luftverkehr, das Militär sein Fachwissen einbringen könnte. Genauso gelagert wäre es im Falle einer nuklearen oder bakteriologischen Katastrophe, bei der das Fachwissen und der Beitrag des Militärs ausschlaggebend sein können. Auch der humanitäre Bereich könnte davon betroffen sein. Der Beizug des Militärs würde einen Brückenschlag zwischen militärischem Krisenmanagement und der Kommission darstellen. Er könnte so das Misstrauen jener Mitgliedstaaten abbauen, die den europäischen Entwicklungen im Bereich Verteidigung besonders ablehnend gegenüberstehen.

Aber Achtung! Das viel gepriesene Ziel der Resilienz“ kann eine allgemeine Instrumentalisierung des Verteidigungswerkzeugs nicht rechtfertigen, insbesondere auf der Grundlage einer fehlgeleiteten Analyse der Gesundheitskrise , indem Überlegungen angestellt werden, die beispielsweise zu der Empfehlung führen würden, das Militär solle Masken verteilen oder Krankenhäuser für die europäischen Bürger bauen.

Man muss energisch sämtliche Aussicht auf einen Rückzug des Militärs innerhalb der Grenzen, um dort eine zentrale und allgemeine Rolle im Bereich Sicherheit zu übernehmen, ablehnen. Dies würde es nachhaltig von seiner eigentlichen Aufgabe abziehen und zu einem Verlust von Verfügbarkeit, Fähigkeiten und zweifellos auch Berufungen führen. Nur besondere Umstände können ihr Eingreifen in Ausnahmefällen rechtfertigen, wobei dies im Rahmen ihres Berufs bleiben muss. Dies ist beim Kampf gegen den Terrorismus der Fall, wie das in Frankreich mit der Operation Sentinel geschehen ist.

C. ... UND DIE AKTIONEN DER EU FüR IHRE SICHERHEIT NEUDIMENSIONIEREN

Die im Strategischen Kompass hervorgehobenen Hauptthemen Resilienz“ und Partnerschaften“ stellen dieses Vorhaben in die Perspektive eines geopolitischen 360-Grad-Ansatzes, der der EU alle Attribute einer Großmacht verleihen würde.

1. Resilienz“, ein notwendiges und einvernehmliches Ziel

Die wachsende Zahl unkonventioneller Bedrohungen rechtfertigt die Betonung des Konzepts der Resilienz“, des zweiten Schwerpunktes des Strategischen Kompasses. Zunächst in der Physik, dann in der Psychologie verwendet, versteht man unter diesem Begriff heute die Fähigkeit einer jeden Person, nach einem Schock in ihren Ausgangszustand zurückzukehren.

Was die EU betrifft, so ist ihr Inhalt noch weitgehend unbestimmt und Gegenstand vieler Diskussionen. Aber es gibt allen Grund zu der Annahme, dass dieses Thema den Strategischen Kompass voranbringen wird. Es ist in der Tat eine Art Sammeltopf für relativ neue Ideen, die zu einem, a priori einvernehmlichen Ziel beitragen, solange Resilienz als Teil der Autonomie der EU im Rahmen einer Reflexion über die Sicherheit verstanden wird, die relativ undurchlässig für das Krisenmanagement, als Teil einer viel vorsichtiger vorgehenden GSVP ist.

Dennoch sind viele Fragen zur Resilienz eng mit Fragen der Verteidigung verbunden , insbesondere unter dem Gesichtspunkt der Sicherung des Zugangs zu gemeinsamen Gütern, den Frankreich besonders betonen möchte.

- Unter dem Etikett der Resilienz wird die Digitalisierung, die für die Sicherheit der EU im weitesten Sinne von grundlegender Bedeutung ist , sehr häufig angesprochen. Ob es sich um Cybersicherheit (siehe nachstehend), künstliche Intelligenz oder Datenspeicherung 66 ( * ) handelt, dieses Thema berührt alle Bereiche der Sicherheit, aber auch der Verteidigung. Europa ist sich heute der Möglichkeiten als auch der Bedrohungen bewusst, die mit der Digitalisierung verbunden sind. Hier sind sich die Mitgliedstaaten am ehesten einig, dass die EU eine strategische Autonomie“ erreichen muss.

- Resilienz bedeutet ganz allgemein den Ausbau unserer Fähigkeit, uns vor Angriffen, die unterhalb der Konfliktschwelle bleiben, sowie vor Destabilisierungsversuchen zu schützen. Es geht darum, den Zugang zu umkämpften strategischen Räumen zu bewahren, zu denen nicht nur der Cyberspace , sondern auch der Weltraum, die Meere und der Luftraum gehören, die als gemeinsame Güter betrachtet werden. Die Staaten könnten hier mit Zugangsverweigerungen oder hybriden Bedrohungen konfrontiert werden. Angesichts dieser Herausforderungen ist es notwendig, die technologischen Fertigkeiten zu bewahren, die für den Zugang zu diesen Gebieten erforderlich ist, in denen die Verteidigungsinstrumente zum Einsatz kommen können und diesen Zugang über die Förderung internationaler Normen und verschiedener Formen der Präsenz sicherzustellen und schließlich auch Modelle und Verfahren vorzuschreiben.

- Mit den jüngsten Angriffen Russlands und Chinas auf die USA wurden im Cyberbereich neue Konfliktschwellen überschritten. Ziel ist es, die Fähigkeiten der EU und der Mitgliedstaaten zu verbessern, Cyberangriffe zu verhindern, davon abzuhalten bzw. abzulenken und darauf zu reagieren, und die Rückkehr zur Normalität zu beschleunigen. Eine stärkere Koordinierung und Zusammenarbeit in diesem Bereich ist bereits angelaufen (siehe nachstehend).

- Der Weltraum ist ein stark entwicklungsfähiges, wenn auch der breiten Öffentlichkeit relativ unbekanntes Feld der Konfrontation, in dem mehrere Länder wie China, Indien oder Russland über Antisatellitensysteme verfügen, wobei Russland mit seinem bereits in die Offensive gegangen ist (Luch-Olymp). In dem Maße, wie die strategische Bedeutung des Weltraums zunimmt, werden die Kosten für den Weltraum auf nationaler Ebene jedoch unerschwinglich. Es muss daher versucht werden, die nationalen Module“ besser mit der europäischen Politik zu verknüpfen. In den USA stützt sich das Aufkommen der New Space auf Akteure mit beträchtlichen Ressourcen (ULA - Unide Launch Alliance , SpaceX, Amazon), zu denen öffentliche Aufträge beitragen. Europa kann seinerseits das Ziel verfolgen, seine Raumfahrtindustrie auf globaler Ebene wettbewerbsfähig zu machen und ihr gleichzeitig eine strategische Dimension in Bezug auf Sicherheit und Verteidigung zu verleihen. Dabei muss die Europäische Union die Überwachung der Situation im Weltraum und die Aufklärung durch geostationäre Satelliten nutzen, um ihr Fachwissen - insbesondere über SatCen (siehe vorstehend) - und das Fachwissen der Mitgliedstaaten auszubauen und gleichzeitig nach Synergien mit der Verteidigung suchen.

- Im maritimen Bereich, in dem insbesondere China eine sehr selbstbewusste, ja sogar bedrohliche Politik betreibt, kann unsere Präsenz sowohl im Rahmen der GSVP als auch über das Konzept einer koordinierten maritimen Präsenz (siehe vorstehend) ausgebaut werden, dessen erste Feedbacks ermutigend sind. Die EU muss insbesondere die Freiheit der Schifffahrt und die Sicherheit der maritimen Kommunikationslinien oder der Offshore-Infrastruktur gewährleisten. Die 2014 eingeleitete europäische Strategie für die Sicherheit im Seeverkehr und der dazugehörige Aktionsplan müssen verstärkt umgesetzt werden. Es ist wichtig, die maritimen Fähigkeiten und die Meeresüberwachung zu verbessern und gleichzeitig regelmäßige Marineübungen anzustreben.

- Bei der Resilienz geht es auch darum, unsere industrielle Abhängigkeit in Sachen Sicherheit und Verteidigung zu verringern und unseren Zugang zu kritischen Technologien oder strategischen Materialien zu stärken . Im Bereich der zivilen Sicherheit schließlich geht es darum, unsere Abhängigkeiten zu verringern, um unsere wirtschaftliche Sicherheit sowie die Gesundheits- und Klimasicherheit zu gewährleisten.

Die Kommission ist von nun an in allen Bereichen im Zusammenhang mit der Resilienz aktiv, unabhängig davon, ob sie militärische Auswirkungen haben oder nicht (siehe nachstehend).

• Aus einer anderen Perspektive kann die grundlegende Frage der Geschwindigkeit der Reaktion auf Bedrohungen als Teil der Resilienz betrachtet werden. Die Kommission wird sich hier wahrscheinlich auf Artikel 222 AEUV (siehe vorstehend) stützen, nicht aber auf Artikel 42.7 EUV (siehe vorstehend), der die GSVP im engeren Sinne betrifft.

2. Die Bearbeitung durch eine vorwiegend geopolitische“ Kommission

Die Außenpolitik der EU ist lange Zeit weitgehend rhetorisch geblieben, wobei die Manifestation ihrer Macht ihren gewöhnlichen Höhepunkt in mehr oder weniger von der transatlantischen Gemeinschaft beschlossenen Sanktionen von meist symbolischer Bedeutung erreicht hat. Es war an der Zeit, dass diese Politik auf dem aufbaut, was die EU stark macht: die Tiefe und der Umfang ihres Marktes, ihre wirtschaftliche und finanzielle Macht, ihre Entwicklungspolitik.

- Die Nachfolgerin von Jean-Claude Juncker an der Spitze der Europäischen Kommission im Jahr 2019, Ursula von der Leyen, hat angesichts der Verschlechterung des Klimas und der internationalen Ordnung durch die Trump-Administration - auch wenn sich die Situation bereits unter der Obama-Administration verschlechtert hatte - den Wunsch formuliert, daraus eine geopolitische Kommission“ zu bilden.

Abgesehen von einigen Kontroversen in Bezug auf die Methode oder die Wirksamkeit zeugen die Verhandlungen mit den Pharmaunternehmen, das europäische Konjunkturprogramm, die Maßnahmen gegenüber Russland und China sowie die Einführung des Strategischen Kompasses von einer neuen Dimension.

- Das europäische Projekt war in der Tat als Ganzes nicht dazu gedacht, geostrategisch zu handeln, sondern ein Friedens- und Wohlstandsprojekt auf der Grundlage des Freihandels zu verwirklichen. Die Kommission ist in Silos“ organisiert, in denen verschiedene Generaldirektionen ihre eigenen Ziele verfolgen.

In diesem Rahmen ist die für 2020 geplante Einrichtung der GD DEFIS (für Defence industries and Space ), einer neuen, die Bereiche Verteidigung, Binnenmarkt und Raumfahrt umfassenden Generaldirektion unter der Leitung von Thierry Breton, ein Zeichen für ein Umdenken: Sie zeigt, dass die EU nicht länger davor zurückschreckt, ihre wirtschaftliche Macht zur Verteidigung ihrer strategischen Interessen zu mobilisieren. Ein einfaches Beispiel: Im Juni 2021 schlug der EU-Kommissar vor, dass Belarus als Gegenleistung für die Rückkehr zu kooperativen Beziehungen mit Impfstoff versorgt werden könnte.

Die GD DEFIS ist insbesondere für die Umsetzung und Überwachung des EVF zuständig, so dass die Kommission ihre Fähigkeiten mit Blick auf die industrielle Zusammenarbeit konsolidieren kann.

- Die Kommission ist an der Reflexion über den Kompass beteiligt. Darüber hinaus enthält ihre Agenda zahlreiche Punkte, die einen Beitrag dazu leisten:

- Im Dezember 2020 stellten die Europäische Kommission und der EAD eine neue EU-Cybersicherheitsstrategie vor, die am 22. März 2021 vom Rat angenommen wurde. Ziel dieser Strategie ist es, die Resilienz Europas gegenüber Cyberbedrohungen zu stärken und sicherzustellen, dass alle Bürger und Unternehmen in vollem Umfang von zuverlässigen digitalen Diensten und Werkzeugen profitieren können. Die neue Strategie enthält konkrete Vorschläge für den Einsatz von Regulierungs-, Investitions- und Handlungsinstrumenten.

In seinen Schlussfolgerungen betont der Rat für die kommenden Jahre die Bedeutung der Einrichtung eines Netzwerks von Zentren für Sicherheitsoperation in der gesamten EU zur Überwachung und Vorwegnahme von Anzeichen von Angriffen auf Netzwerke sowie einer Gemeinsamen Cyber-Einheit zur Bereitstellung von Leitlinien für den europäischen Rahmen für das Cybersicherheitskrisenmanagement. Dabei wird das 5G-Netz hervorgehoben, ebenso wie die Notwendigkeit gemeinsamer Anstrengungen, um die Annahme von Sicherheitsstandards zu beschleunigen, die für die Offenheit des globalen Internets und unsere Wettbewerbsfähigkeit in diesem Bereich entscheidend sind. Ebenso unterstützt er die Entwicklung starker Verschlüsselungen und die Stärkung des cyberdiplomatischen Instrumentariums in Verbindung mit der Notwendigkeit der Prävention von und Reaktion auf Cyberangriffe mit systemischen Auswirkungen, die Lieferketten, kritische Infrastrukturen, wesentliche Dienste sowie demokratische Institutionen und Prozesse beeinträchtigen und die wirtschaftliche Sicherheit untergraben könnten. Schließlich wird der Vorschlag einer Agenda für den Aufbau externer Cyberkapazitäten der EU unterstützt, um die Cyberresilienz und die Cyberfähigkeiten weltweit zu verbessern.

- Am 19. Januar 2021 veröffentlichte die Kommission eine Mitteilung zum Thema Das europäische Wirtschafts- und Finanzsystem: Förderung von Offenheit, Solidität und Widerstandsfähigkeit“, in der es unter anderem darum geht, wie man den Auswirkungen extraterritorialer Sanktionen begegnen kann.

- Im Bereich der Fähigkeiten stellte sie am 22. Februar 2021 einen Aktionsplan zu Synergien zwischen der zivilen, Verteidigungs- und Weltraumindustrie “ vor, der zur Stärkung der technologischen Souveränität Europas und seiner industriellen Basis beitragen wird.

DER AKTIONSPLAN ZU DEN SYNERGIEN ZWISCHEN DER ZIVILEN, VERTEIDIGUNGS- UND WELTRAUMINDUSTRIE

Unter Betonung der Verbindung zwischen dem zivilen, dem Verteidigungs- und dem Raumfahrtsektor zielt dieser Plan darauf ab, den Unternehmen, insbesondere den KMU , die Aufgabe zu erleichtern, die europäischen Fonds (EVF, Raumfahrtprogramm, digitales Programm, Fonds für innere Sicherheit usw.) zu finden, für die sie in Frage kommen, um vielseitige Projekte durchzuführen. Ziel ist es, Innovationen ab der Entwurfsphase so zu gestalten, dass sie vielseitig einsetzbar sind. Die Kommission schlägt außerdem die Einrichtung einer Beobachtungsstelle für kritische Technologien “ vor, deren Aufgabe es ist, alle zwei Jahre diejenigen zu ermitteln, die strategisch wichtig erscheinen.

Die Kommission nannte drei Leuchtturmprojekte. Erstens, die Automatisierung des Drohnenverkehrs , um die Wettbewerbsfähigkeit der EU-Industrie in diesem kritischen Technologiebereich zu stärken. Sie schlägt weiterhin vor, dass die EU stärker darauf hinarbeitet, ihre Normen für das Weltraumverkehrsmanagement durchzusetzen, um durch die starke Zunahme von Satelliten bedingte Kollisionen zu vermeiden. Schließlich unterstützt die Kommission die Einrichtung eines EU-Kommunikationssystems im Weltraum, das eine widerstandsfähige und durch Quantenverschlüsselung gesicherte Hochgeschwindigkeitsverbindung gewährleistet. Nach der Galileo-Konstellation für die Navigation und dem Copernicus-Erdbeobachtungsprogramm hat Thierry Breton den Ehrgeiz, eine neue europäische Satellitenkonstellation ins Leben zu rufen, die geostationäre Satelliten (GEO) und eine Konstellation von Satelliten in einer niedrigen Erdumlaufbahn (LEO) kombiniert.

Die Kommission ist hier sehr proaktiv, aber um eine strategische Kultur aufzubauen, muss sie sich mit einigen Mitgliedstaaten auseinandersetzen, die eine ziemlich feste Haltung zum nicht-militärischen Charakter der Raumfahrt einnehmen.

- Am 9. März 2021 legte die Kommission eine Mitteilung mit dem Titel Digitaler Kompass 2030: der europäische Weg in die digitale Dekade “ vor.

Aufbauend auf der ein Jahr zuvor veröffentlichten Strategie Gestaltung der digitalen Zukunft Europas“, die nach wie vor den übergreifenden Rahmen für die Ambitionen in diesem Bereich bildet, zielt der Kompass auf vier Schwerpunktbereiche ab: digitale Fähigkeiten, mit dem Ziel, 80 % der europäischen Bevölkerung Grundkenntnisse zu vermitteln und 20 Millionen IT-Fachkräfte auszubilden; digitale Infrastrukturen , deren Sicherheit und Nachhaltigkeit die Anbindung und Sicherheit des europäischen Raums gewährleisten müssen, während die europäische Produktion digitaler Hardware gefördert wird; die digitale Transformation der Unternehmen, um die digitale Zugänglichkeit für Unternehmen zu gewährleisten und die europäische Innovation zu fördern; die Digitalisierung der öffentlichen Dienste mit ehrgeizigen Zielen für die wichtigsten öffentlichen Dienste, digitale Gesundheitsdienste und elektronische Identität.

- Darüber hinaus hat der Europäische Rat die Kommission aufgefordert, im kommenden Herbst einen Fahrplan für die Identifizierung kritischer Technologien und strategischer Sektoren zu erstellen, in denen die EU ihre Abhängigkeit verringern muss.

Generell ist die Rolle der Kommission aufgrund ihre Zuständigkeiten in vielen Bereichen, die möglicherweise durch das Thema Resilienz“ berührt werden, ausschlaggebend. Das sie an den meisten möglicherweise betroffenen Fronten aktiv ist, wird die Kommission darauf achten müssen, dass sie die Frage der Abrüstung durch Normen - für die die Arbeitszeitrichtlinie beispielhaft ist - nicht vernachlässigt. 67 ( * )

3. Mit Vernunft zu pflegende Partnerschaften“

Die EU beabsichtigt, ihre Stellung als geostrategischer Akteur durch den Ausbau ihrer Partnerschaften zu festigen. Sie muss jedoch einen pragmatischen Ansatz verfolgen und darf bilaterale Partnerschaften nicht als Selbstzweck betrachten , um einen Dialog mit einem bestimmten Land, einer bestimmten Organisation oder einem bestimmten Teil der Welt zu erzwingen. Ausschlaggebend darf einzig und allein ihr Eigeninteresse sein.

Von diesen Partnerschaften ist die zur NATO insofern alles andere als gewöhnlich, als sie für die GSVP wahrscheinlich strukturierender ist als die GSVP für sie.

a) NATO: die zentrale Frage Wer macht was?“ mit der EU

Vor allem ist es wichtig, die Beziehungen zwischen der EU und der NATO zu klären, die über die Organisation der Militärführung und die in letzter Zeit ergriffenen Maßnahmen zur Stärkung ihrer Zusammenarbeit hinausgehen.

Wer macht was?

- Gemäß Artikel 5 des Nordatlantikvertrags sorgt die NATO für die kollektive Verteidigung ihrer Mitglieder und damit des größten Teils des EU-Gebiets. Es handelt sich um die Verpflichtung zu kollektiver Verteidigung, auch bekannt als Bündnisfallverteidigung“. Darüber hinaus erklärt sie sich für zuständig für das Krisenmanagement außerhalb des Hoheitsgebiets ihrer Mitglieder, was nicht zu ihren ursprünglichen Aufgaben gehört, aber 1999 vollständig in ihr strategisches Konzept aufgenommen wurde.

Die Europäische Union muss ihrerseits im Hinblick auf eine ihrem Ambitionsniveau“ (siehe vorstehend) entsprechende GSVP, ihre Handlungsautonomie bei der Krisenbewältigung in ihrem unmittelbaren Umfeld bewahren. Dies bedeutet, dass sie ohne die NATO auskommen muss, um zu vermeiden:

- die Zustimmung aller 68 ( * ) Nicht-EU-Bündnispartner einholen zu müssen: insbesondere der USA, Kanadas, des Vereinigten Königreiches und der Türkei. Vor allem die Türkei widersetzt sich bestimmten Operationen im europäischen Raum, z. B. in Libyen, während ihre Aktionen (feindliche Handlungen gegen Griechenland und Zypern, Verletzung des Waffenembargos in Libyen usw.) kaum eine koordinierte Reaktion der Alliierten hervorrufen, da sie dazu gehört.

- die Hilfe von Nicht-EU-Bündnispartnern , insbesondere der USA , zu beanspruchen, deren militärisches Potenzial beispiellos ist, die aber - vor allem aus innenpolitischen Gründen - möglicherweise nicht in weit entfernten Schauplätzen intervenieren wollen, deren geopolitische Interessen sie nur indirekt betreffen.

• Angesichts der Bedrohungen im oberen Spektrum erscheint die GSVP-Reaktion trotz der in Helsinki festgelegten ehrgeizigen Ziele unzureichend , sowohl in Bezug auf die Fähigkeiten als auch auf die Zahl der Mitarbeiter, die schnell verlegt werden können. Beruhigend wirkt hingegen die Feststellung, dass in der gegenwärtigen internationalen Ordnung ein Krisenmanagement im oberen Spektrum kaum anderswo denkbar wäre als in Schauplätzen wie dem Dombass, den baltischen Staaten oder Georgien, wo mangelndes Interesse der USA an einer Intervention unvorstellbar wäre, da Russland involviert ist.

Daher sollte die Aufgabenverteilung in der Regel wie folgt aussehen:

- für die NATO , nicht nur die Verteidigung des europäischen Territoriums , sondern auch das Krisenmanagement im oberen Spektrum , die beide a priori die Ostflanke betreffen;

- für die Europäische Union 69 ( * ) , eigenständig oder in einem anderen Rahmen als der NATO, z. B. der UN, die Bewältigung anderer sicherheitspolitischer Herausforderungen in der Umgebung Europas - Stabilisierungs- und friedenserhaltende Maßnahmen, Kontrolle der Migrationsbewegungen - ein Krisenmanagement, das a priori auf die Südflanke gerichtet ist.

EINE ETWAS üBERHOLTE DEBATTE : LE RIGHT OF FIRST REFUSAL

Man könnte sich fragen, was passieren würde, wenn die NATO und die EU gleichzeitig in einem Gebiet außerhalb der EU intervenieren wollten. Diese Frage wurde in den frühen 2000er Jahren (zur Zeit der Berlin-Plus-Vereinbarung) diskutiert. Es wurde ein right of first rufusal (Recht auf den ersten Zugriff) ins Auge gefasst, wonach die Europäer nur dann handeln könnten, wenn die USA nicht innerhalb der NATO handeln wollten. In Wirklichkeit scheint diese Debatte weitgehend theoretisch zu sein, denn unabhängig von diesem Recht gibt es Handlungsspielraum: Wenn die USA handeln wollen, tun sie es, und die europäischen Staaten handeln dann im Rahmen der NATO. So stellt sich die Frage, ob es die die Europäer für notwendig halten gegen den Willen der Amerikaner handeln zu können?

- Die Mitgliedstaaten scheinen jedoch nicht gemeinsam die Konsequenzen aus der sich aus dem Anspruchsniveau der GSVP ergebenden Arbeitsteilung zu ziehen, selbst wenn diese durch die Überlassung des oberen Spektrums an die NATO abgemildert wird, was zu immer selteneren Interventionen führt (siehe vorstehend).

Was also bleibt, ist eine abgeschwächte Version der Arbeitsteilung, die sich aus Artikel 5 und der GSVP ergibt und die nach Ansicht einiger Beobachter an eine Art amerikanisches Protektorat“ erinnert . Diese Situation ist für die USA nicht zufriedenstellend, da die militärische Ohnmacht der EU ein Hindernis für deren Asien-Allianz darstellt. Sie ist es noch weniger für die EU, deren Unwillen, sich ohne die Amerikaner zu engagieren, strategisch gefährlich wird, und deren allgemeine Erkenntnis, dass sie militärisch stark unterlegen ist, ihren politischen Spielraum einschränkt und ihre Marktpositionen gegenüber dem Rest der Welt schwächt, 70 ( * ) die jedoch ihre Existenzberechtigung sind. Die EU steht also vor einer existenziellen Frage: Kann sie eine Handelsmacht bleiben, ohne ihre Sicherheit gewährleisten zu können? Die Antwort darauf ist klar: nein 71 ( * ) .

Die Komplementarität zwischen der NATO und der EU sollte daher überprüft werden, um sie zu bekräftigen und zu präzisieren , auf der Grundlage der komparativen Vorteile beider Institutionen je nach Weltregion oder Intensität der Intervention, und im Einklang mit den Ambitionen, die sich die EU selbst setzen will. Würde der Strategische Kompass auch nur dieses Ziel erreichen, wäre das ein großer Fortschritt , denn es gibt noch so viele Meinungsverschiedenheiten über diese Komplementarität. Es geht nicht darum, eine starre und detaillierte Rollenverteilung zu erarbeiten, die möglicherweise kontraproduktiv wäre. In Abhängigkeit von den Umständen und den politischen Konstellationen muss der Initiative eine zentrale Bedeutung beigemessen werden, während es möglich sein muss, sich auf die Staaten zu verlassen, wenn es um die Ausgestaltung ihrer Aktionen geht. Aber es wäre nützlich, klar auszusprechen, was die EU können muss. Derart würden die Grundlagen für eine wirksame Stärkung der GSVP und eine größere Glaubwürdigkeit der Union geschaffen.

DAS KONZEPT EINES SICHERHEITSGüRTELS UM EUROPA“ ( SECURITY BELT AROUND EUROPE ), EIN NEUES ZIEL FüR DIE GSVP?

Dieses Konzept, das im scoping paper erscheint, ist neu. Es trägt der Tatsache Rechnung, dass die EU ein von Krisen umgebener Kontinent ist: die Östliche Partnerschaft mit Berg-Karabach, die südliche Nachbarschaft mit einem östlichen Mittelmeer in Aufruhr und der Gefahr eines Zusammenbruchs in der Sahelzone usw. So richtig diese Sichtweise ist, sollte sie aber unseren Zeithorizont nicht beeinflussen: Bestimmte Herausforderungen der europäischen Verteidigungspolitik liegen weiter entfernt als andere.

Weiter entfernt: Ohne unbedingt bis zum Indopazifik zu gehen, bedeutet die Sicherheit unserer maritimen Versorgung, dass wir an unserer Bewegungsfreiheit im Suezkanal - Stichwort havariertes Containerschiff -, in der Straße von Hormuz und im Golf von Guinea arbeiten müssen.

In der Nähe: Der europäische Boden selbst, denn die NATO, die für seine Verteidigung zuständig ist, befasst sich - zumindest vorläufig (siehe nachstehend) - nicht mit allen Bedrohungen, insbesondere nicht mit terroristischen, hybriden Bedrohungen, Bedrohungen durch Cyberangriffe, durch Desinformation und durch ausländische Einflussnahme.

Hier besteht die Gefahr, dass man zur immer wiederkehrenden Debatte NATO und transatlantische Beziehungen versus europäische Verteidigung und strategische Autonomie“ und in die vor der Trump-Regierung vorherrschende Denkweise zurückfällt. Bekanntlich räumen die Länder mit den geringsten Mitteln und dem geringsten Einsatz, insbesondere an der Ostflanke, der NATO oberste Priorität ein und sind der Ansicht, dass sich die GSVP darauf beschränken sollte, den Anforderungen des Atlantischen Bündnisses zu genügen. Jedoch ist die Mehrheit der Mitgliedstaaten nach wie vor der Ansicht, dass die Stärkung der GSVP der beste Weg für die EU ist, sich selbst als Partner im Bündnis zu stärken.

Die USA selbst loben die Bemühungen einiger europäischer Verbündeter im Kampf gegen den Terrorismus in der Sahelzone, die in den meisten ihrer Think-Tanks als das beste Labor dafür angesehen werden, was eine offene“ europäische strategische Autonomie bewirken kann: eine europäische Sicherheitsoperation, die die euro-atlantische Sicherheit insgesamt stärkt. Generell erhebt Joe Biden keine Einwände gegen eine Stärkung der GSVP und ist nicht - zumindest nicht offen - gegen eine europäische strategische Autonomie“. NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg hingegen steht dem Thema sehr skeptisch gegenüber und erinnert die EU-Bündnispartner daran, dass sie nur für 20 % der Verteidigungsausgaben des Bündnisses verantwortlich sind.

Sicherlich wäre eine höhere Beteiligung der EU-Länder förderlich für eine stärkere Anerkennung des Beitrags der GSVP zur NATO, aber dies setzt Anstrengungen im Bereich der Fähigkeiten voraus (siehe vorstehend). Die Vorbehalte des NATO-Generalsekretärs scheinen aber auch durch seine starken Ambitionen für das Bündnis begründet zu sein (siehe nachstehend).

• Hierbei ist zu beachten, dass die Schaffung einer autonomen europäischen Verteidigung - die, daran sei erinnert, keineswegs auf der Tagesordnung steht - wahrscheinlich eine Revision von 42 Absatz 2 des EU-Vertrags erfordern würde, in dem es heißt, die GSVP achtet die Verpflichtungen einiger Mitgliedstaaten, die ihre gemeinsame Verteidigung in der Nordatlantikvertrags-Organisation (NATO) verwirklicht sehen, aus dem Nordatlantikvertrag und ist vereinbar mit der in jenem Rahmen festgelegten gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik“. Es gibt eine Reihe von theoretischen Konzepten für die Rollenverteilung zwischen EU und NATO, deren Konturen nicht immer klar sind.

THEORETISCHE ANSÄTZE ZUR ROLLENVERTEILUNG ZWISCHEN EU UND NATO

1) Die strikte Arbeitsteilung zwischen NATO und EU, wie sie sich logisch aus der GSVP ergibt (siehe vorstehend)

Die Kriterien sind hier das Territorium - die GSVP befasst sich mit Europas Nachbarn, die NATO verteidigt das Territorium Europas -, die Art des Konflikts - friedenserhaltend für die GSVP, das obere Ende des Spektrums bis hin zu nuklearen Einsätzen für die NATO - und die amerikanische Unterstützung - ja für die NATO, nein für die EU. Dieses Schema entspricht wahrscheinlich der am tiefsten verwurzelten Sichtweise der USA, denn die Clinton-Regierung stimmte einer Intervention in Jugoslawien nur widerwillig zu, und die Obama-Regierung war der Ansicht, dass die Krisen in Libyen, Syrien und Mali nicht in den Zuständigkeitsbereich der NATO fielen. In dieser Hinsicht haben die USA die strategische Autonomie der EU lange unterstützt.

2) Einige Ansätze sehen eine abgeschwächte Version dieser Arbeitsteilung vor. Die NATO wäre führend“ bei der kollektiven Verteidigung und die EU bei der Krisenbewältigung mit der GSVP, wobei jede Organisation die andere in ihrem Zuständigkeitsbereich unterstützen würde.

3) Die Säulen“ : Das Atlantische Bündnis würde sich auf eine amerikanische und eine europäische Säule stützen, die europäische Säule der NATO“. Die EU müsste demzufolge in der Lage sein, einen Teil der europäischen kollektiven Verteidigung zu übernehmen. Die Briten, die bevorzugte Partner der USA sind, lehnen dies entschieden ab, denn es wäre undenkbar, dass der DSACEUR, der jetzt britisch ist, nicht aus einem EU-Staat kommt (siehe vorstehend). Sollte ein solcher Verteidigungspfeiler jemals entstehen, müssten die USA auf jeden Fall einen Zeitplan für den Abzug ihrer in der EU stationierten Truppen aufstellen 72 ( * ) und im Anschluss daran würden alle bei sich bleiben“, wobei die Garantie des Artikels 5 Fortbestand hätte. Die USA wären dann freier, ihre Streitkräfte im Einklang mit der Asien-Allianz“ zu verlagern.

Es ist anzumerken, dass der Begriff europäischer Pfeiler der NATO“ auch in anderen Bedeutungen verwendet wird, wobei sich eine davon ganz allgemein auf den Beitrag der EU zur NATO bezieht, ohne diesen näher zu bezeichnen.

Die Beziehung zur NATO muss auch unter dem Aspekt der militärischen Führung betrachtet werden.

Die am 17. März 2003 verabschiedeten Berlin-Plus-Vereinbarungen“ legten den Grundstein für die politische und militärische Zusammenarbeit zwischen den beiden Organisationen auf der Grundlage einer Strategischen Partnerschaft für Krisenmanagement“. Darauf aufbauend wurden, wie oben erwähnt, zwei neue Strukturen geschaffen: 73 ( * )

- eine ständige Zelle für die Planung und Durchführung von zivilen und militärischen EU-Operationen ohne Rückgriff auf NATO-Mittel“, die im EUMS angesiedelt ist. Diese Zelle ist autonom und von den NATO-Strukturen losgelöst.

- eine im NATO-Hauptquartier (SHAPE) eingerichtete Zelle der Europäischen Union zur besseren Vorbereitung von EU-Operationen mit NATO-Mitteln.

Und es gilt sie schließlich in Bezug auf ihre Partnerschaften zu betrachten.

Auf dem Warschauer Gipfeltreffen im Juli 2016 haben die beiden Organisationen bestimmte Bereiche festgelegt, in denen sie ihre Zusammenarbeit angesichts der gemeinsamen Herausforderungen im Osten und im Süden intensivieren wollen: Bekämpfung hybrider Bedrohungen, Stärkung der Fähigkeiten in den Bereichen Verteidigung, Cyber, maritime Sicherheit usw.

Im Dezember 2016 verabschiedeten die Außenminister der NATO-Staaten ein Paket von 42 Maßnahmen zur Förderung der Zusammenarbeit zwischen der NATO und der EU. Dieses wurde im Dezember 2017 durch ein neues Paket von 32 Maßnahmen ergänzt, insbesondere zum Thema Cyberabwehr . Auf dem Brüsseler Gipfeltreffen im Juli 2018 wurde in einer neuen gemeinsamen Erklärung die Vision der EU und der NATO für Maßnahmen gegen gemeinsame Bedrohungen dargelegt und die Fortschritte bei der Zusammenarbeit zum Nutzen der transatlantischen Sicherheit hervorgehoben.

Die NATO und die EU tauschen seitdem in Echtzeit Warnungen zu Cyberattacken aus, nehmen wechselseitig an ihren Übungen teil und kooperieren bei ihrer Antwort auf die Flüchtlingskrisen. Die Erklärung von 2018 stärkt ihre Zusammenarbeit in vielen Bereichen, darunter militärische Mobilität, Terrorismusbekämpfung, Widerstandsfähigkeit gegen chemische, biologische, radiologische und nukleare Risiken, und fördert eine Agenda für Frauen, Frieden und Sicherheit“.

Die Vereinbarungen zur Transparenz- und Koordinierung zwischen der NATO und der EU im Bereich der Nachrichtendienste scheinen gut etabliert zu sein, wenn auch etwas bürokratisch. Ein weiterer wichtiger Bereich der Zusammenarbeit zwischen der NATO und der EU ist die militärische Mobilität , die für beide Organisationen ein wichtiges operatives Thema darstellt, da die Fähigkeit, Truppen und militärisches Gerät über europäisches Gebiet zu verlegen, von entscheidender Bedeutung ist, insbesondere im Hinblick auf eine Eskalation der Feindseligkeiten an der Ostflanke. Die USA, Kanada und Norwegen werden sich am Projekt Militärische Mobilität“ der PESCO beteiligen [auf EU-Seite hat die Kommission im März 2018 einen Aktionsplan beschlossen und der mehrjährige Finanzrahmen (2021-2027) sieht ein eigenes Budget vor].

b) USA

Die Beziehungen zu den USA scheinen sich mit der Wahl von Joe Biden, der die meisten Streitthemen mit der EU wieder aufnimmt, stark verbessert zu haben - in den Bereichen Sicherheit und Verteidigung (niedrigere Subventionen, Ausstieg aus dem Wiener Abkommen), Handel (Steuern und Zollsanktionen, weniger Zurückhaltung bei der Besteuerung von GAFAs) oder Klima (Ausstieg aus dem Pariser Abkommen) - und erreichen mit dem Gipfeltreffen USA-EU am 15. Juni 2021 in Brüssel, dem Tag nach dem NATO-Gipfel, einen bedeutenden Meilenstein.

Seit Ende 2020 wiederholt der Rat seinen Aufruf zu einem strukturierten Sicherheits- und Verteidigungsdialog mit den USA und betonte, dass eine starke , gegenseitige und langfristige Partnerschaft im Zentrum einer erneuerten globalen Allianz zwischen der EU und den USA stehen muss.

Die EU und die USA stützen ihre Partnerschaft auf gemeinsame Werte : Demokratie, Liberalismus, Achtung der Rechtsstaatlichkeit und der Menschenrechte. Ein gemeinsames Ziel besteht heute darin, das multilaterale System wiederzubeleben und so zur Wiederherstellung einer auf Regeln basierenden internationalen Ordnung beizutragen.

Über die Tatsache hinausgehend, dass die transatlantische Partnerschaft der Eckpfeiler unserer kollektiven Verteidigung bleibt, gibt es viele erkennbare Bereiche der Zusammenarbeit und Verständigung in der GASP : die Beteiligung der USA an der PESCO, die Annäherung an Russland, die Zusammenarbeit auf dem westlichen Balkan, die gemeinsame Arbeit für die Deeskalation im östlichen Mittelmeerraum...

Es gibt aber auch eine Reihe weniger vielversprechender Aspekte, bei denen sich die Europäer zurückhalten sollten, da sie ihren Interessen zuwiderlaufen könnten: Asien-Allianz und der Willen der USA, ihren Ansatz gegenüber China durchzusetzen, Förderung einer Integration von Fähigkeiten in der NATO, die dem eigenen militärisch-industriellen Komplex zugutekommen (zuungunsten der EDTIP), Begünstigung starker wirtschaftlicher Konkurrenz der EU gegenüber, extraterritoriale Sanktionen etc. Darüber hinaus könnten sich im Rahmen der Zusammenarbeit zwischen der EDA und den USA Probleme hinsichtlich der ITAR-Auflagen (siehe vorstehend) ergeben. In den kommenden Jahren könnten neue Instrumente zum Einsatz kommen, um die Autonomie der EU gegenüber den Vereinigten Staaten zu stärken: eine CO2-Steuer an den Grenzen, die bestimmte amerikanische Unternehmen treffen könnte, eine Regulierung des digitalen Raums in der EU, die den amerikanischen Giganten zuwiderläuft und sie dazu verpflichtet, die europäischen Datenschutzbestimmungen zu respektieren.

Die Europäische Union wird hierbei besondere Bemühungen unternehmen und im Auge behalten müssen, dass eine echte Partnerschaft voraussetzt, dass jede Partei ihre Interessen entschlossen berücksichtigt.

c) Vereinigtes Königreich

Unabhängig von den europäischen Bestrebungen, nach dem Brexit eine privilegierte Bindung mit dem Vereinigten Königreich aufzubauen, muss man die Motivation für europäische Mechanismen eines vor allem auf die transatlantische Achse setzenden Landes realistisch einschätzen. Sein relatives Desinteresse und seine Skepsis gegenüber dem Thema werden durch den Brexit sicherlich nicht abnehmen. Die Briten sind aus Althea ausgestiegen, obwohl Berlin-Plus dies nicht forderte, sie werden sich nicht an der koordinierten maritimen Präsenz im Indopazifik beteiligen und sie zeigen kein Interesse an der PESCO. Ihre letzter strategischer Review wurde mit dem Fokus auf die NATO und die USA erstellt 74 ( * ) , wobei sie versuchen, in die Allianz die Problematik der Resilienz hineinzutragen (die die EU unbedingt selbst behandeln will, insbesondere unter dem Impuls des Strategischen Kompasses), während sie einen britischen D-SACEUR aufrechterhalten wollen (siehe vorstehend), der durch den Brexit wahrscheinlich in Frage gestellt werden wird 75 ( * ) .

Natürlich bleibt das Interesse des Vereinigten Königreichs an der Sicherheit Europas ungebrochen. Dies wird jedoch getragen von der NATO, der CJEF ( Combined Joint Expeditionary Force) 76 ( * ) , der EI2 (die 2018 ins Leben gerufen wurde und in gewissem Maße von der CJEF inspiriert ist), der JEF (siehe vorstehend) und den laufenden bilateralen Beziehungen, insbesondere mit Frankreich, im Rahmen der Lancaster-House-Vereinbarungen (aus denen die CJEF hervorging) seit 2010. Schließlich engagiert sich das Vereinigte Königreich weiterhin für die eFP (siehe vorstehend) und für Meeresüberwachungsoperationen.

Es scheint, dass der Kontakt, der über die EI2, in der das Vereinigte Königreich Mitglied der ersten Stunde ist, aufrechterhalten wird, der sicherste Weg hin zu einer Verbesserung der Bindung im Bereich Sicherheit und Verteidigung ist.

d) Indopazifik

Die Europäische Union ist umso mehr am Indopazifik interessiert, als sie befürchtet, dass China ihr möglicherweise den Zugang zu einem wirtschaftlich und strategisch sehr sensiblen Gebiet verweigert.

Diese Zone beherbergt 60 % der Weltbevölkerung sowie eine Reihe besonders dynamischer BIPs der Welt ; 30 % des Weltseehandels passieren die Straße von Malakka auf ihrem Weg zum Suezkanal, was sie zu einer lebenswichtigen Zone für die Versorgung der europäische Länder macht. Mehr als ein Drittel der französischen Exporte in Länder außerhalb der Europäischen Union sind für den indopazifischen Raum bestimmt. In dieser Zone, in der sich auch mehrere Länder mit nuklearen Kapazitäten befinden, wurden in den letzten zehn Jahren auch die größten Investitionen in die Verteidigung getätigt.

Defizite der Regulierung und das Fehlen eines multilateralen Konsenses über die Bedingungen für den Zugang zu und die Nutzung von gemeinsamen Räumen erleichtern die Ausübung von Machtbeziehungen zwischen Staaten oder gegen nichtstaatliche Akteure im gesamten Gebiet.

Die EU kann ihre Position in der Region stärken, indem sie den Abschluss einer strategischen Partnerschaft mit der ASEAN anstrebt sowie ihre Aufnahme in den Ostasiengipfel (EAS) und die Wiederaufnahme der Verhandlungen über Freihandelsabkommen - insbesondere mit bestimmten ASEAN-Staaten - im Hinblick auf ein biregionales Abkommen mit ehrgeizigen Zielen, eine Wiederbelebung des europäisch-asiatischen Dialogs, der unter der Bezeichnung ASEM“ ( Asia Europe Meeting ) bekannt ist und zu einem Platz werden soll, in dem die europäischen Ambitionen in Asien zum Ausdruck kommen, die Umsetzung der europäischen Strategie für die Vernetzung der EU und Asien und vor allem die Festlegung einer europäischen Strategie im Pazifikraum, die eine große Herausforderung für die französischen Ratspräsidentschaft der EU darstellt.

In der Tat befindet sich der Aufbau einer Zusammenarbeit der EU in dieser Zone erst im Anfangsstadium. Die Vision der EU für den indopazifischen Raum wird jedoch durch zahlreiche Treffen mit den Partnern im indopazifischen Raum - Gipfeltreffen mit Indien, Japan und Südkorea - geprägt, die ihrerseits erwarten, dass sie ihnen gegenüber zum Ausdruck gebracht wird.

Die Vertiefung dieses Themas, insbesondere von Seiten Frankreichs, wirft jedoch gewisse Fragen im Bereich der Sicherheit und Verteidigung auf. Frankreich ist neben den Niederlanden und Deutschland der einzige Mitgliedstaat, der im Indopazifik maritime Einsatzbereitschaft zeigt, wobei zu berücksichtigen ist, dass diese beiden Länder jeweils nur eine Fregatte einsetzen, und auch das nur für einen Teil des Jahres. Es liegt auf der Hand, dass ein so komplexer Sachverhalt der Sicherheit und Verteidigung im Rahmen der NATO sicher adäquater behandelt werden kann, in Zusammenarbeit mit den Seemächten USA und Vereinigtes Königreich, was wiederum die politische Autonomie der EU gegenüber China untergraben würde.

e) Andere Partnerschaften

Die Beziehungen zwischen der EU und der UN werden im Allgemeinen als zufriedenstellend beschrieben, innerhalb der Grenzen der jeweiligen Ziele beider Organisationen. Insbesondere die von den Vereinten Nationen gesetzten Grenzen finden systematisch Berücksichtigung in den Operationen der GSVP.

Die OSZE 77 ( * ) hingegen verdient mehr Aufmerksamkeit, insbesondere im Hinblick auf die Förderung einer friedlichen Lösung der eingefrorenen Konflikte in einigen Ländern der Östliche Partnerschaft 78 ( * ) - im Donbass in der Ostukraine, in Berg-Karabach zwischen Armenien und Aserbaidschan, in Georgien und Moldawien. Polen, Rumänien und die baltischen Staaten sind der Ansicht, dass die FEP (siehe vorstehend) diese Partnerschaft stärken sollte , was zu Spannungen mit Russland führen könnte. Die Europäer sollten auch ihre grenzüberschreitenden Verbindungen mit der Bevölkerung dieser Länder verstärken, zum Beispiel im Bereich der Gesundheit oder der Bildung.

Afrika, das zu einem Partner für das globale Wachstum werden könnte, dessen politische und sicherheitspolitische Entwicklungen aber potenziell destabilisierend für die EU sind, gilt es besondere Aufmerksamkeit zu widmen. Es steht momentan in vielerlei Hinsicht im Wettbewerb mit China und Russland. Glücklicherweise entwickelt sich das Thema Afrika zu einer Priorität auf der europäischen Agenda: Die Aussicht auf eine Verlängerung der Partnerschaft mit den Ländern der südlichen Mittelmeer-Nachbarschaft wird immer deutlicher, die gemeinsame Mitteilung Auf dem Weg zu einer umfassenden Strategie mit Afrika“ vom Februar 2020 trägt zur Stärkung der Beziehungen bei, ein Post-Cotonou-Abkommen“ 79 ( * ) zwischen der EU und der OAKPS 80 ( * ) wurde am 15. April 2021 unterzeichnet, und ein sechstes Gipfeltreffen zwischen der Afrikanischen Union und der EU dürfte es ermöglichen, vor 2022 gemeinsame Prioritäten für eine gemeinsame Zukunft festzulegen... In diesem Schwerpunkt Afrika“, der vollstes Lob in Hinblick auf die Absichten der EU verdient, wird der Fokus auf der Konsolidierung der Institutionen, der Schaffung ziviler Infrastrukturen, der Bildung und der Bekämpfung der durch die Gesundheitskrise noch verschärften Armut liegen, Aspekte, die sich wiederum auf das Wachstum, die Sicherheit, die effiziente Bekämpfung von Terrorismus und eine kontrollierte Auswanderung auswirken.

4. Welche Beziehung zu China?

China stellt eine wachsende Bedrohung für die EU in den Bereichen Wirtschaft und Information dar. Die China betreffenden Fragen sind im Wesentlichen im Bereich der Resilienz angesiedelt: digitale Souveränität, industrielle Fähigkeit, Wettbewerbsfähigkeit, Marktzugang, Gefahr der Verweigerung des Zugangs zu den Seewegen, insbesondere in den Meerengen.

Im geostrategischen Umfeld der EU ist China wahrscheinlich das Thema, zu dem sich die Sichtweise der EU in den letzten zwei Jahren am stärksten gewandelt hat. Einst diskret, wird das Land zunehmend präsenter, teils sogar aggressiv. Die persönliche Beleidigung eines französischen Forschers durch einen chinesischen Botschafter in Frankreich, das chinesische Sanktionspaket gegen europäische Akademiker und Parlamentarier als Vergeltung für die europäischen Sanktionen, die wegen der Unterdrückung der uigurischen Minderheit in China verhängt wurden, veranschaulichen die Situation deutlich. Die EU betrachtet China zugleich als Partner, Konkurrent, Rivale“ und bezeichnet das Land als Systemrivale“ .

Das 17+1-Format, das China und 17 mittel- und osteuropäische Länder unter dem gemeinsamen Ziel der Neuen Seidenstraße zusammenbringt, wurde einst als ernsthafte Gefahr für den Zusammenhalt der Europäischen Union angesehen. Doch der Enthusiasmus der 17 Länder hat inzwischen stark nachgelassen. In der EU ist man sich jetzt einig, dass man mit China, das versucht, seine Beziehungen zu den 27 Mitgliedstaaten getrennt zu verwalten, im Team spielen“ muss. Im Idealfall müssten wir von einem 17+1-Format zu einem 27+1-Format übergehen.

In jedem Fall muss China in der Klimafrage auch zukünftig als Partner bestehen bleiben und sollte von der EU lediglich als Konkurrent gesehen werden, zum Beispiel in Handelsfragen, wo die USA schneller in eine Reaktion auf Rivalitäts- oder Feindschaftsebene dem Land gegenüber abgleiten. Das Risiko wäre, dass die chinesische Frage ausschließlich mittels der NATO behandelt werden würde, mit der direkten Folge einer amerikanischen Einmischung in die Handelspolitik der EU.

Die Union muss daher ihre eigene strategische Linie gegenüber China definieren, der die Forderung einer Reziprozität in wirtschaftlichen Fragen zugrunde liegt. Dann könnte es passieren, dass China an den ehemaligen Präsidenten Trump als Motor der Geopolitisierung“ der EU anknüpft, die bereits einen neuen Sanktionsrahmen für Menschenrechtsverletzungen bzw. strengere Regeln für die Ausfuhr von Gütern mit doppeltem Verwendungszweck (zivil und militärisch nutzbar) verabschiedet hat, die nun auch für in der EU hergestellte Cyber-Überwachungstechnologien gelten.

II. EIN MÖGLICHERWEISE ZU STARK AM WESTEN ORIENTIERTER KOMPASS

Durch die erneuten Bemühungen der USA in die transatlantischen Beziehungen messen die meisten Mitgliedstaaten der GSVP eine geringere Priorität bei. Ohne die Motivation, sich im Bereich der Sicherheit und Verteidigung besser zu organisieren, könnte ihre Strategie mehr als angemessen an die der NATO angepasst werden.

A. DIE GROSSE RüCKKEHR DER ATLANTISCHEN AUSRICHTUNG ...

Die von Joe Biden angekündigte Rückkehr zur Unantastbarkeit des Schutzschirms der NATO“ schmälert die Chancen auf einen Strategischen Kompass, der wesentliche Fortschritte in den Bereichen Sicherheit und Verteidigung bringt erheblich. Die haushaltspolitischen und innenpolitischen Perspektiven der Mitgliedstaaten sehen nicht besser aus. Kurz gesagt, während sich der Strategische Kompass auf die kritische Phase der Synthese und politischen Einigung zubewegt, schließt sich für die GSVP eine Tür .

1. Die neuerliche Glaubwürdigkeit der NATO angesichts einer GSVP mit einem - aufgrund des Brexits - reduzierten Potential

America is back ! Die Wahl von Joe Biden und die Ankündigung, dass die USA erneut ihre Rolle als Weltgendarm im Dienst des Rechts und der Demokratie übernehmen, eigenständig oder im Rahmen einer NATO, die ihre Schutzfunktion der Alliierten bekräftigt hat, die Nominierungen von Antony Blinken sowie von Karen Donfried als Assistant Secretary for European and Eurasian Affairs wurden in der gesamten Europäischen Union begeistert aufgenommen. Angesichts dieser Rückkehr zu einer vertrauten und sicheren Beziehung, fühlen sich die europäischen Entscheider bestätigt, da ihnen in der Regel daran gelegen ist, an die Tradition der transatlantischen Beziehungen anzuknüpfen.

Die USA sind entschlossen, Russland für seine Attacken und seine Einmischung im Cyberbereich zur Rechenschaft zu ziehen und gleichzeitig seine Menschenrechtsverletzungen anzuprangern (auch wenn die Auswirkungen dieses Ansatzes kaum spürbar sind, da anekdotische Truppenabzüge an den ukrainischen Grenzen oder die Behandlung von Alexej Nawalny in den Gefängnissen immer noch Anlass zur Beunruhigung geben). Ebenso kann die Türkei, deren europäische Verbündete Opfer illegaler Handlungen sind, nicht mehr mit dem gleichen Maß an Passivität seitens der USA rechnen, die durch ihre Raketenkäufe von Russland stark brüskiert sind (und das Ergebnis ist deutlich spürbar: Erdogans Rhetorik gegenüber der EU ist auf einmal viel versöhnlicher).

In diesem Zusammenhang ruft das Konzept der strategischen Autonomie, das in den vier Jahren der Trump-Regierung zunehmend an Unterstützung gewonnen hatte, wieder größeres Misstrauen hervor , zumindest in seiner sicherheits- und verteidigungszentrierten Ausprägung . Die natürliche Neigung der Bundeswehr zur NATO, in deren Rahmen sie geschaffen wurde, kommt in einem durch den Stopp für den US-Truppenabzug - mit einem enorm symbolischen Charakter - und den amerikanischen Verzicht auf die Sanktionierung der Betreiber des Projekts Nord Stream 2 zweifach beruhigten Deutschland erneut zum Ausdruck. Einzig und allein sein Willen zu fortdauernden Beziehungen zu China, um seine wirtschaftlichen Interessen zu schützen, kann es noch von der USA abwenden. Angesichts der Auswirkungen der deutschen Politik auf viele europäische Partner hat das Argument der Unzuverlässigkeit der USA und damit der NATO kaum noch Bestand. Kurz gesagt nehmen die konditionierten Reflexe“ der transatlantischen Ausrichtung überall überhand.

Verglichen mit der Situation vor Trump ist der Brexit ein zusätzliches Argument, um das Gleichgewicht zugunsten der NATO zu verschieben, denn das Vereinigte Königreich ist der Bündnispartner mit den höchsten Verteidigungsausgaben (60 Mrd. $) hinter den USA (785 Mrd. $) und vor Deutschland (56 Mrd. $) und Frankreich (50 Mrd. $) 81 ( * ) , so dass auf die EU-Länder, die der NATO angehören, nur noch ein Fünftel der Verteidigungsausgaben aller NATO-Länder entfällt. 82 ( * )

2. Mit der Gesundheitskrise verbundene Mehrausgaben

Die Gesundheitskrise hat zu enormen Ausgaben zwecks Stützung der Wirtschaft geführt und gleichzeitig in punkto Sicherheit die Aufmerksamkeit auf das untere Spektrum und die Resilienz gerichtet. In diesem Zusammenhang könnte in einer Zeit, in der die NATO ihre Garantien bekräftigt und sogar ausweitet (siehe nachstehend), die sich aus dem Anstieg der Verschuldung ergebende angespannte finanzielle Situation die Mitgliedstaaten dazu veranlassen, Abstriche bei den Fähigkeiten und den Operationen zu machen, um die Verteidigungshaushalte zu reduzieren. Das folgende Schaubild zeigt, wie sehr sich die finanzielle Lage in der EU seit 2007 infolge des doppelten Schocks aus Finanzkrise 2008 und Gesundheitskrise verschlechtert hat.

ENTWICKLUNG DER STAATSVERSCHULDUNG, AUSGEDRüCKT IN PROZENT DES BIP, VON 2007 BIS 2020

Quelle: Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten und Verteidigung des Senats, Eurostat-Zahlen (abgerufen am 7. Mai 2021)

Diejenigen Mitgliedstaaten, die von sich aus keine Maßnahmen für eine Haushaltskonsolidierung ergreifen, werden durch den geringsten Anstieg der Inflation - die sich bislang nur schwach bemerkbar macht - unweigerlich dazu gezwungen werden, um ihre Verschuldung auf einem erträglichen Niveau zu halten. Die EU selbst könnte solche Maßnahmen fördern oder sogar fordern, insbesondere als Gegenstück zu ihrem Konjunkturpaket Next Generation EU“.

Es ist bereits absehbar, dass der deutsche Verteidigungshaushalt nach 2022 nicht mehr steigen wird; er könnte sogar sinken, da der Bundestag mit einer weithin erwarteten Haushaltskürzung rechnet und weiß, dass nur Ausgaben, die durch den Bedarf der NATO gerechtfertigt sind, die entsprechenden Mittel garantieren.

3. Politische Konstellationen, die sich möglicherweise weniger günstig entwickeln

Bleibt man beim deutsch-französischen Motor“, so sind sowohl die deutschen Wahlen im September 2021 als auch die französischen Wahlen im Frühjahr 2022 Hypotheken zulasten einer Mobilisierung der EU zugunsten der Verteidigung.

In Frankreich geht Emmanuel Macron das Thema Europa mit mehr Sensibilität an als seine potenziellen Konkurrenten bei den nächsten Präsidentschaftswahlen. In Deutschland könnten die Wahlen zu einer schwarz-grünen“ Koalition zwischen der CDU und den Grünen , oder sogar zu einer Drei-Parteien-Koalition unter Einbeziehung der FDP (Freie Demokratische Partei) führen, da die Wahlabsichten für die Grünen zuletzt gesunken sind. In beiden politischen Gleichungen bleiben die von den Grünen gewählten Optionen die entscheidende Variable. Traditionell noch zurückhaltender in Verteidigungsfragen als die CDU oder die FPD, würden sie jetzt zu einer etwas offeneren und realistischeren Linie tendieren, die mit der der beiden anderen Parteien kompatibel sei 83 ( * ) . Andererseits scheint es, dass die Grünen in Bezug auf das strategische Vorgehen gegenüber dem russischen und insbesondere dem chinesischen Regime, bei dem Deutschland recht deutlich mit den USA auf Distanz geht, den Wunsch auf eine Entschlossenheit haben, die sie den amerikanischen Ansichten näher bringen könnten.

Allgemein sind ein erneuter Anstieg des Terrorismus oder neue Migrationswellen wahrscheinlich, Umstände, die die populistische Rhetorik und Parteien begünstigen sowie eine Tendenz zum Euroskeptizismus und ganz sicher ein nationaler Rückzug in Sicherheits- und Verteidigungsfragen, der angesichts der NATO-Garantie zu einem mangelnden Interesse an der GSVP führt.

*

In den Bereichen Sicherheit und Verteidigung laufen alle politischen und budgetären Faktoren zusammen, so dass sich die Europäer gleichermaßen in die euro-atlantische Beziehung einbringen und die Wiederbelebung des europäischen Projekts auf unbestimmte Zeit verschieben.

B. ...TROTZ EINER IMMER ANSPRUCHSVOLLEREN UND KOMPLEXEREN KOORDINIERUNG MIT DER NATO

Die NATO hat sich von ihrem Hirntod“ vollständig erholt und zeigt sich mit neuen Ambitionen und einem starken Profil, wie es insbesondere in der NATO-Agenda 2030 84 ( * ) zum Ausdruck kommt, die von den Bündnispartnern am 14. Juni 2021 in Brüssel verabschiedet wurde. Diese geht nicht auf die offensichtlichen Probleme der Koordinierung in Hinblick auf die EU-Politik ein.

1. Potentiell unterschiedliche geostrategische Absichten

Die Vereinigten Staaten als die treibende Kraft hinter der NATO verfolgen einen sehr harten politischen Kurs gegenüber China , weil sie befürchten, dass China ihnen die weltweite Führung streitig machen könnte. Sie werden umso hartnäckiger versuchen, Europa in einen Kreuzzug gegen China“ hineinzuziehen, als dies eine der wenigen internationalen Politikrichtungen auf der politischen Bühne der USA ist, die sich einer parteienübergreifenden Unterstützung erfreut. In der NATO-Agenda 2030 heißt es: Chinas erklärte Ambitionen und sein Durchsetzungsvermögen stellen eine systemische Herausforderung für die internationale Ordnung dar“ , und diese Aussage wird im weiteren Verlauf häufig wiederholt (das Wort China“ wird 20 Mal verwendet).

In Bezug auf Russland , wo die wirtschaftlichen Interessen der USA schwach bleiben, verfolgen sie eine traditionell unnachgiebige Politik , für die die eher selbstgefällige Trump-Präsidentschaft kein gutes Beispiel war. Die Regierung Biden hat jedoch kürzlich den Wunsch nach einem besseren Dialog mit Russland geäußert - was durch die Organisation des Gipfeltreffens Biden-Putin am 16. Juni 2022 bestätigt wurde -, da die USA Russland nicht in die Arme Chinas treiben will.

Auch wenn die humanistischen Werte, für die die EU eintritt, sie dazu veranlassen, die Handlungen dieser Regime zu verurteilen, sind ihre Perspektiven jedoch anders geartet: China stellt für die Europäische Union keine ultimative Bedrohung dar. Ihre wirtschaftlichen und strategischen Interessen könnten bestimmte Entscheidungen über die Zusammenarbeit mit China, aber auch mit Russland leiten, was die USA missbilligen würden . Unter diesem Gesichtspunkt sollte der Biden-Putin-Gipfel nicht als Beginn eines russisch-westlichen Dialogs mit den USA als Wortführer gesehen werden - diesbezüglich ist es bedauerlich, dass die anschließende deutsch-französische Initiative zur Wiederbelebung des EU-Russland-Dialogs von den Mitgliedstaaten letztlich nicht unterstützt wurde.

Die unterschiedliche Haltung gegenüber dem Nato-Mitglied Türkei wird von den strategischen Interessen der USA geleitet, die dort bedeutende Militärstützpunkte unterhalten, sowie von dem Wunsch ihres Generalsekretärs Jens Stoltenberg, das Bündnis nicht durch die Ausgrenzung eines seiner Mitglieder zu schwächen. Außerdem hat er sich nicht mit dem Thema Verhaltenskodex zwischen den Bündnispartnern“ des Berichts auseinandergesetzt, den er bei einer Expertengruppe (der auch Hubert Védrine angehörte) in Auftrag gegeben hatte, um ihn bei der Ausarbeitung der NATO-Agenda 2030 85 ( * ) zu unterstützen.

Letztlich sei angemerkt, dass der Rückzug der USA aus dem Nahen Osten nicht grundsätzlich in Frage gestellt wird.

2. Die Unantastbarkeit des Schutzschirms der NATO“

Joe Biden verfügt im Kongress über eine sehr knappe Mehrheit, insbesondere im Senat. Dieser knappe Sieg stellt die internationale Politik der EU vor gewisse Herausforderungen und ist kein gutes Omen für die bevorstehenden Wahlen. Wohl wissend, dass die midterms in etwa einem Jahr anstehen und in etwas über drei Jahren die nächsten Präsidentschaftswahlen, könnte sich die über die NATO wiedererlangte p ax americana als weniger dauerhaft erweisen als erhofft .

Donald Trump hat die Sicherheitsgarantie in Frage gestellt, die die USA anderen Bündnispartnern gemäß Artikel 5 des Nordatlantikvertrags gewähren. Sollte er seine politische Linie in Zukunft auf Staatsangelegenheiten ausrichten, könnte der nächste Schritt darin bestehen, diese Garantie von der Einhaltung der 2 %-Quote des BIP für die Verteidigung abhängig zu machen. Es stimmt, dass die USA eine Demokratie sind, in der es angesichts der störenden Entscheidungen eines Chefs der Exekutive zahlreiche Mittel für Kontrolle und Gegenkontrolle gibt, ebenso wie es viele Formen des Widerstands seitens des Staats im Staate“, wie Donald Trump ihn gerne nennt, geben kann. Aber niemand kann mit Sicherheit sagen, dass die USA niemals zu dem Slogan America first “ zurückkehren werden, und die EU im Falle einer größeren Krise immer auf den amerikanischen Verbündeten zählen können wird.

Es wäre demzufolge folgerichtig, dass die EU die vor ihr liegende Zeit daher als eine Gelegenheit ansieht, sich ausreichend Zeit für eine umfassendere Organisation ihrer Sicherheit zu geben. Dadurch würde die wesentliche Rolle der NATO, so wie sie derzeit funktioniert, in keiner Weise in Frage gestellt , sondern im Gegenteil ihr Potenzial gestärkt werden.

Joe Biden hat das 2 %-Ziel während seiner Europatournee im Juni 2021 nicht angesprochen. Unabhängig der Bedingungen, sind einige Beobachter sind jedoch der Meinung, dass eine Verschärfung der Einhaltung dieser finanziellen Verpflichtung unter seiner Präsidentschaft nicht ausgeschlossen werden kann, wenn die EU beispielsweise beschließen sollte, eine Politik, insbesondere gegenüber China, zu verfolgen, die den USA offen zuwiderläuft.

3. Tendenz zu einer kurzfristigen Erweiterung der Aufgaben der NATO

Im Juni 2021 fand ein NATO-Gipfel statt, ein zweiter ist für 2022 geplant, obwohl derartige Gipfeltreffen normalerweise alle zwei Jahre stattfinden und bei beiden steht viel auf dem Spiel. Es scheint, als wolle der NATO-Generalsekretär das Ende seiner Amtszeit mit großen Initiativen einläuten, denn seine Ziele scheinen sich weitgehend mit den Ambitionen der USA zu decken, und der Nordatlantikrat (NAC, für North Atlantic Council ), das wichtigste Entscheidungsgremium der NATO-Staaten, unterstützt seine Initiativen bereitwillig. Darüber hinaus nähert sich die derzeit einzige echte 86 ( * ) Mission der NATO in Afghanistan ihrem Ende, wodurch ein gewisse Leere entsteht.

Es sei daran erinnert, dass die Hauptaufgabe der NATO in der Abwehr und der territorialen Verteidigung ihrer Mitglieder besteht und gelegentlich auch auf das Krisenmanagement ausgedehnt wird. Seit einigen Monaten besteht die Arbeit der NATO jedoch in der Erarbeitung eines 360-Grad-Ansatzes der Verteidigung, der in der NATO-Agenda 2030 zusammengefasst ist.

Die Arbeitsgruppe NATO 2030“ hat Cybersicherheit und Resilienz“ hervorgehoben, Themen, die von der EU seit der Globalen Strategie 2016 betont werden und die der Strategische Kompass im Schwerpunkt Resilienz“ vorantreiben soll, für die die Mitgliedstaaten über die wichtigsten Handlungsinstrumente verfügen.

Die NATO-Agenda 2030 geht so weit, die Anwendung von Artikel 5 im Falle eines Cyberangriffs in Erwägung zu ziehen , was weiterer Präzision bedarf, da solche Handlungen Länder betreffen könnten, mit denen die EU und die USA unterschiedliche Risiken und Zielen verbinden und denen gegenüber es möglicherweise angebracht sein könnte, Schuldzuweisungen mit Vorsicht zu genießen. Wenn die NATO sich beispielsweise in Bereichen wie 5G, bei denen es in Wirklichkeit um China geht, stärker engagieren möchte, sollte nicht vergessen werden, dass die EU mit Rechtsetzungsbefugnissen ausgestattet ist, die nicht an anderer Stelle neu erfunden werden müssen. Generell sollte der Europäischen Union für den Umgang mit hybriden Bedrohungen angesichts der Vielfalt ihrer Kompetenzen und der ihr zur Verfügung stehenden Instrumente Vorrang gewährt werden.

Mit 26 Nennungen bewirbt die Agenda das Thema Resilienz umfassend , unmittelbar nach dem Ziel der kollektiven Verteidigung. Natürlich darf die NATO sich mit der Resilienz im militärischen Bereich befassen - das Befehls- und Kontrollinstrument (C2) muss resistent sein, damit es auch in Krisenzeiten funktioniert, die Versorgung mit strategischen Gütern wie Munition oder Öl muss gewährleistet sein - oder auch mit ganz bestimmten Problemen wie dem Zusammenbruch des Massentransports oder der Sättigung der Gesundheitskapazitäten, um ein vom Zusammenbruch bedrohtes Land zu retten.

In der NATO-Agenda 2030 wird jedoch auf Resilienz im weitesten Sinne eingegangen - auch wenn eingeräumt wird, dass es sich um eine nationale Verantwortung“ handelt - und sie sieht sogar ein Follow up in Hinblick der Zielerreichung durch die Bündnispartner vor: Die Bündnispartner werden einen Vorschlag zur Festlegung, Bewertung, Überprüfung und Überwachung von Resilienzzielen erarbeiten, um auf nationaler Ebene die Planung und Umsetzung von Maßnahmen zur Resilienz zu verfolgen.“ Demzufolge scheint die Vereinbarkeit mit der EU-Agenda zweitrangig zu sein und im Ermessen der Mitgliedstaaten zu liegen: Es ist Sache jedes einzelnen Bündnispartners festzulegen, wie er seine diesbezüglich national gesteckten Ziele sowie ihre Umsetzung festlegt und verwirklicht. Somit kann jeder Bündnispartner im Einklang mit seinen eigenen Zuständigkeiten, Strukturen, Verfahren und Verpflichtungen und gegebenenfalls auch im Einklang mit denen der EU handeln.“ 87 ( * )

Wenn sich die von der Agenda eröffneten Perspektiven sämtlich erfüllen, könnte die von der EU zu schaffende Resilienz eventuell im Schatten einer von der NATO kontrollierten Resilienz enden, genauso wie die PSDC neben der Allianz ihr Dasein fristet. Was dabei durch die unermessliche Stärke der amerikanischen Armee erklärt werden kann, wäre in Anbetracht der Mittel der EU in diesem Fall nicht zu rechtfertigen.

Die Arbeitsgruppe schlägt auch vor, dass der Kampf gegen den Terrorismus eine der Hauptaufgaben des Bündnisses sein sollte ( Kernaufgaben“ ), was inzwischen in der NATO-Agenda 2030 verankert wurde (18 Nennungen), und dass die NATO eine Strategie für neu entstehende und disruptive Technologien“ erarbeitet sollte, was ebenfalls in der Agenda bekräftigt wird und das Problem der Verknüpfung mit dem EVF aufwirft (siehe nachstehend). Der Klimawandel erscheint als Bedrohungsmultiplikator“ ebenfalls in der Agenda, wobei die Bündnispartner den Generalsekretär auffordern, ein realistisches, ehrgeiziges und konkretes Ziel für die Verringerung der durch politische und militärische Strukturen und Einrichtungen der NATO erzeugten Treibhausgasemissionen festzulegen sowie zu prüfen, ob das Ziel der Netto-Null-Emissionen bis 2050 erreichbar ist.

Die NATO-Agenda 2030 bekräftigt selbstverständlich, dass die Krisenbewältigung zu den Kernaufgaben der NATO gehört, ohne dabei eine besondere Abgrenzung vorzunehmen. Sie geht auch auf die Zusammenarbeit ein, um die zunehmenden Stärke bestimmter Partner zu verfolgen, und setzt schließlich neue Ambitionen in Hinblick auf die Fähigkeiten (siehe nachstehend).

Parallel zu diesem großen Sprung nach vorn“ , den die Rückkehr der Vereinigten Staaten in das multilaterale Spiel und nach Europa ermöglicht und vorantreibt, war die Aktivität der transatlantischen“ Think-Tanks - German Marshall Fund, Carnegie usw. - noch nie so intensiv und die Zahl der Konferenzen über die transatlantischen Beziehungen hat zugenommen.

Die NATO-Agenda 2030 warnt jedoch, dass die notwendigen Mittel bereitgestellt werden müssen: Auf unserem Gipfel im Jahr 2022 werden wir parallel zur Verabschiedung des strategischen Konzepts den spezifischen Bedarf an zusätzlichen Mitteln bis 2030 und die finanziellen Auswirkungen auf das NATO-Militärbudget, das NATO-Sicherheitsinvestitionsprogramm und das Zivilbudget genehmigen und mögliche Effizienzmaßnahmen festlegen.“ In Europa wird dieses Vorhaben von der bedingungslosen Unterstützung des Vereinigten Königreichs profitieren können, dem zweitgrößten Beitragszahler des Bündnisses und dem größten Beitragszahler in Europa, der das Ziel von 2 % des BIP für die Verteidigung (2,2 %) immer überschreitet.

4. Die Oberhand der NATO hinsichtlich der Fähigkeiten

• Im Rahmen ihrer Verteidigungsplanung ( NDPP , für Nato Defence Planning Process ) identifiziert die NATO die künftig erforderlichen Fähigkeiten 88 ( * ) und fördert deren Entwicklung und Aneignung durch die NATO-Staaten, indem sie den Bedarf in Form von Planungsvorgaben zuweist, die Erreichung dieser Zielvorgaben erleichtert und die Fortschritte regelmäßig bewertet. In diesem Rahmen wird von den Bündnispartnern eine Harmonisierung ihrer nationalen Verteidigungsplanungen mit denen der NATO erwartet, ohne jedoch ihre nationale Souveränität zu beeinträchtigen. Es handelt sich also um einen dem Top-Down-Ansatz ähnlichen Prozess (von oben nach unten verlaufend), der auch dem Vierjahreszyklus unterliegt.

Als Rückgrat des Bündnisses, wird der NDPP oft als Schmelztiegel der westlichen militärischen Identität und als Matrix für die Interoperabilität der europäischen Streitkräfte untereinander und mit den US-Streitkräften angesehen. Er wird aber auch als Vektor für das militärische Denken der USA betrachtet, während seine regulatorischen Aspekte dem militärisch-industriellen Komplex der USA dienen (besonders in den Mitgliedstaaten, die größte Nutznießer der europäischen Politik sind, was zuweilen zu Anmerkungen führt). In der Tat handelt es sich bei den hier angepriesenen neuen Technologien und interoperablen Ausrüstungen oft um amerikanische Fabrikate. Für die Zukunft besteht die Gefahr, dass die russische Bedrohung“ einen verstärkten Ausbau von Fähigkeiten am oberen Ende des Spektrums - F35-Kampfflugzeuge, Raketenabwehr - rechtfertigt, die das Budget der Alliierten auf Kosten anderer europäischer Ziele , insbesondere in der Mitte des Spektrums, aufzehren wird.

• Auf europäischer Ebene stützt sich die Planung der Fähigkeiten auf mehrere Instrumente, die viel Freiraum für Initiativen der Mitgliedstaaten lassen. Es sei daran erinnert, dass der von der EDA erarbeitete CDP, Plan zur Entwicklung der Fähigkeiten (mit dem der NDPP manchmal direkt verglichen wird), die Prioritäten der Verteidigungsfähigkeiten der EU festlegt, unter Berücksichtigung der von den Staaten geäußerten besonderen Anforderungen. Der CARD (ebenso) ermöglicht es auf dieser Grundlage, die vorhandenen Fähigkeiten zu ermitteln und die Zusammenarbeit zu erleichtern, um die Ziele des CDP zu erreichen. Dann kommt die PESCO, ein Kooperationsrahmen für Projekte zur Verbesserung der europäischen Verteidigungsfähigkeiten, wenn möglich mit Unterstützung durch den EVF, wobei zu berücksichtigen ist, dass andere Kooperationsprojekte innerhalb der EDA (oder in anderen bilateralen oder multinationalen Rahmen) eingeleitet werden können. Im Gegensatz zum NDPP der NATO scheint der von der EU organisierte Ausbau der Fähigkeiten ein bottom-up-artiger Prozess (von unten nach oben verlaufend) zu sein, der gerne 89 ( * ) als flexibel und agil beschrieben wird.

Die europäische Fähigkeitsplanung basiert weniger auf Vorgaben und Anreizen, ist weniger langfristig und steht im Dienste einer GSVP, die schon immer weniger glaubwürdig und wichtig war als die NATO. Demzufolge wird sie erwartungsgemäß weniger streng befolgt, insbesondere seitens der Mitgliedstaaten, die über kein Finanzierungs-programm für die Verteidigung verfügen und ihren Militärhaushalt allein auf der Basis des NDPP bestreiten.

Die Frage nach der Kohärenz des Engagements der Staaten in der EU und der NATO muss gestellt werden. 38 von 47 PESCO-Projekten entsprechen mehr oder weniger den Prioritäten der NATO. 90 ( * ) Dies ist insofern eine gute Nachricht, als dass durch diese Verbindung Größenvorteile erreicht und Duplizierungen vermieden werden können.

Die GSVP ist jedoch nicht die NATO. Daher wäre es nicht gerechtfertigt, der NATO mittels des NDPP ein Recht auf Einsicht in die innerhalb der Europäischen Union eingegangenen Verpflichtungen zu gewähren. Ebenso könnte ein Übertragen der im Rahmen der PESCO entwickelten europäischen Standards und Normen auf die Normen und Standards der NATO die Schaffung einer EDTIP in Gefahr bringen. In dieser Hinsicht erweist sich die Tatsache, dass die Finanzierungen des EVF europäischen Projekten vorbehalten sind , als teilweiser Schutz.

Kann dieser Ansatz in Anbetracht des Anstoßes durch die NATO-Agenda 2030, in der die Bündnispartner vereinbart haben, [ihre] Zusammenarbeit innerhalb der NATO im Bereich der Technologie zu fördern, die Interoperabilität und die Entwicklung und Übernahme technologischer Lösungen zu unterstützen, um [ihre] militärischen Anforderungen zu erfüllen“ erfolgreich sein?

Der Rest des Dokuments lässt berechtigte Zweifel zu : Zu diesem Zweck werden wir einen zivil-milita·rischen Beschleuniger von Verteidigungsinnovationen für den Nordatlantik ins Leben rufen. Wir vereinbaren ebenfalls die Einrichtung eines NATO-Innovationsfonds , in dessen Rahmen Verbündete auf eigenen Wunsch Start-ups unterstützen können, die in Bereichen, die für die Sicherheit der Verbündeten entscheidend sind, an neuen und disruptiven Technologien mit doppeltem Verwendungszweck arbeiten“. Unabhängig davon, ob man sich auf den EVF oder auf die Initiativen der Kommission bezieht, hat es den Anschein, dass das Prinzip der Vermeidung von Duplizierungen hier von den EU-Bündnispartnern als einseitig verstanden wurde.

5. Die Gleichzeitigkeit strategischer Überlegungen

Die Überarbeitung des strategischen Konzepts soll auf dem nächsten Gipfel im Jahr 2022 veröffentlicht werden. In der NATO-Agenda 2030 ersuchen die Bündnispartner den Generalsekretär, den Prozess zur Erarbeitung des nächsten Strategischen Konzepts zu leiten. Das Konzept wird vom Rat in Ständiger Sitzung verhandelt und beschlossen und beim nächsten Gipfel von den Staats- und Regierungschefs der NATO gebilligt.“ Das letzte Strategische Konzept wurde 2010 veröffentlicht, und diese Überarbeitung wird mit Spannung erwartet, da sich die Ansichten zu Cyberspace, Weltraum und China deutlich verändert haben.

Der Strategische Kompass ist ein separates strategisches Dokument, das einen neuen Ansatz für die EU und ihre Mitglieder darstellt. Er betrachtet die Beziehungen zur NATO aus der Perspektive einer Partnerschaft und versteht sich nicht als lokale Variation des strategischen Konzepts“. Natürlich wäre eine Kohärenz zwischen beiden Ansätzen wünschenswert, denn es geht nicht darum, einer der beiden den Vorrang zu geben.

Das weitere Vorgehen scheint die Befürchtung, der Kompass könnte im Keim erstickt“ werden zu entkräften: Die Arbeiten der EU und der NATO laufen zwar parallel, aber zeitlich so gestaffelt, dass die EU ihre Prioritäten im März 2022 im Strategischen Kompass und die NATO ihre Prioritäten etwas später, wahrscheinlich im Sommer 2022, in ihrem Strategischen Konzept festgelegt haben wird. Dem Ministerium für Europa und auswärtige Angelegenheiten zufolge wurden die Zeitpläne so erstellt, dass die europäischen Überlegungen anschließend in die Überlegungen der NATO einfließen können, ohne dass der Strategische Kompass von der NATO beeinflusst wird.

Die Realität sieht jedoch ganz anders aus: Die NATO, die von ihrem Generalsekretär im Rahmen der NATO-Strategie 2030 sehr gefordert wird, verschafft sich dank ihrer Überlegungen und ihrer Arbeit einen großen redaktionellen Vorsprung. Laut Aussage einiger Beobachter wirkt dies wie ein Wettlauf auf Zeit, den die NATO begonnen hat... Die von ihr gewählten Optionen könnten somit stark auf den Strategischen Kompass der Europäischen Union abfärben. Für jene Länder wie Polen oder einige baltischen Staaten wäre dies nicht schockierend, da sie von Anfang an der Meinung waren, dass der Strategische Kompass der NATO dienen sollte.

Ein politischer Dialog zwischen dem HR/VP und dem Generalsekretär der NATO wäre auf jeden Fall wünschenswert, um zu verhindern, dass der Strategische Kompass auf diese Art und Weise in die NATO einfließt. Dieser Dialog würde idealerweise zur notwendige Kohärenz zwischen beiden Ansätzen führen und gleichzeitig die Autonomie des Strategischen Kompasses gewährleisten, der kein Nebenprodukt der NATO-Strategie 2030 sein sollte. Bisher deutet jedoch nichts auf einen solchen Dialog hin.

III. EIN MIT RISIKEN BEHAFTETER STRATEGISCHER KOMPASS

Ein Scheitern des Strategischen Kompasses wäre, insbesondere für die GSVP bedauerlich. Im Bereich der europäischen Sicherheit und Verteidigung zeigt die Erfahrung, dass Desillusionen die Gemüter prägen jegliche Chancen für Fortschritt auf Jahre hinweg vereiteln.

Unter der vorangegangenen US-Präsidentschaft war der Strategische Kompass ein Leuchtfeuer der Hoffnung . Aber die neue internationale Situation ist nicht sehr vielversprechend: die Rückkehr der USA in das multilaterale Spiel, die erneute Bekräftigung des Schutzes der NATO, die Budgetrestriktionen, die Gefahr des Ausfalls des deutsch-französischen Motors... Es gibt zahlreiche Gründe dafür, dass der Strategische Kompass - wenn man das so sagen darf - vom richtigen Weg abkommen könnte, um sich, wie wir gesehen haben, stärker nach Westen zu orientieren.

Auch wenn die Europäische Union entschlossen schien, auf der internationalen Bühne eine wirkliche politische Kohärenz zu erreichen, ist dieses Vorhaben weniger als Chance sondern als vielmehr als Risiko dahingehend zu betrachten, das eine gewisse strategische Aushöhlung der EU neben - oder eher im Gefolge - einer wiederbelebten NATO gefördert wird.

Dieses Risiko ergibt sich aus verschiedenen Hürden, die der Strategischen Kompass überwinden muss. Der Kompass läuft in Gefahr, die Form:

- eines ethischen Dokuments anzunehmen infolge Folge des Verlustes des größten gemeinsamen Nenners zwischen einigen Ländern, darunter Frankreich, mit immer noch starken Ambitionen und einer Gruppe von Ländern, die den USA gefallen wollen, die in der Frage der europäischen strategischen Autonomie sehr zurückhaltend sind,

- eines substantielleren Dokuments anzunehmen, das aber die Strategie einer allmächtigen NATO wiedergibt und konsequent im Einklang mit deren strategischen Konzept steht,

- eines Dokuments anzunehmen, das offensichtlich stärkere Ambitionen für die GSVP hat, aber mit Vorbehalten und derart allgemein formuliert, dass es wirkungslos bleiben könnte,

- eines zu detaillierten Dokuments anzunehmen , das sich in Krisenzeiten als restriktives Korsett erweisen könnte.

Zu diesen, angesichts der Tatsache, dass der Kompass mehrere Kapitel beinhalten wird, kumulierbaren Hürden, kommt noch eine fünfte hinzu: die eines während seiner Ratspräsidentschaft zu interventionistischen Frankreichs“ , das seine Partner derart gegen sich aufbringt und somit die Chancen auf ein Dokument, das der EU Fortschritte in den Bereichen Sicherheit und Verteidigung ermöglichen würde, noch weiter sinken würden.

A. DAS RISIKO EINES WENIG AMBITIONIERTEN DOKUMENTS

Die Analyse der Bedrohungen, ist in diesem Stadium eine einfache Zusammenstellung ohne Priorisierung. Wenn es an der Zeit ist, den Strategischen Kompass zu verabschieden, müssen die Ziele und Mittel, die auf den Tisch gelegt werden, nach Prioritäten geordnet und diese Bedrohungen im Vorfeld abgewogen werden. Diese Arbeit verspricht schwierig zu werden. Schon jetzt weisen Polen und Litauer zum Beispiel bei Sitzungen des Militärausschuss der EU (EUMC) 91 ( * ) darauf hin, dass die Analyse der Bedrohungen nicht verabschiedet wurde.

Da die neue internationale Lage die Ambitionen der meisten Mitgliedstaaten im Hinblick auf die GSVP reduziert hat, könnte sich die Analyse der Bedrohungen, die von allen Mitgliedstaaten geteilt wird, durchaus auf die neueren Formen beschränken , wie beispielsweise hybride und technologische Bedrohungen, zu denen der größte Konsens besteht. Ausgehend von der Überlegung, dass wir unsere Fähigkeiten in umkämpften Räumen stärken und unsere Handlungsweisen an hybride Bedrohungen anpassen müssen, könnte der Schwerpunkt Resilienz“ zuungunsten des Krisenmanagements“ befördert und bei den Fähigkeiten lediglich auf die industrielle und technologische Dimension gesetzt werden.

Sollte der Kompass jedoch keine wirklichen Fortschritte für die GSVP erkennen lassen, wären fast zwei Jahre verloren gegangen. Zahlreiche Fähigkeiten und operative Instrumente sind bereits vorhanden, und es könnten unverzüglich erhebliche Fortschritte erzielt werden, wenn man einige von ihnen weiter ausbaut - das Potenzial des EVF ist mit 42 PESCO-Projekten nach wie vor beträchtlich - und wenn man die Funktionsweise anderer verbessert, indem auf bereits durchgeführte Feststellungen zurückgegriffen wird. Es wäre ein klarer Fehlschlag, wenn der Kompass zum Beispiel einfach die Empfehlungen des CARD vom November 2020 wiederholen würde.

Weiterhin könnte dieser Mangel an Ehrgeiz leider fortbestehen, da er durch ein langfristiges Dokument, das als stark verbindlich für alle Mitgliedstaaten dargestellt wird, in gewisser Weise formalisiert wäre. Dieses Risiko betrifft vor allem die GSVP in ihrer militärischen Dimension, die langfristig für den Erhalt der europäischen Handlungsfähigkeit am entscheidendsten ist.

Ein damit verbundenes Risiko besteht darin, dass der Strategische Kompass teilweise den Schein wahrt, indem er verpflichtende Maßnahmen zur Verbesserung der zivilen Missionen und auch der nicht exekutiven militärischen Operationen enthält, was dem deutschen Vorschlag entsprechen würde.

B. DAS RISIKO EINES ALLEIN AUF DIE BEDüRFNISSE DER NATO ZUGESCHNITTENEN DOKUMENTS

Um einen Ausruf zu zitieren, der während der Anhörungen zu diesem neuen Projekt, dem Strategischen Kompass, zu hören war: der Kompass der Europäer ist die NATO!

Wie wir gesehen haben, tragen viele Faktoren zu einem relativen Desinteresse am Strategischen Kompass und zu seiner Einbettung in den Windschatten einer vermessenen NATO und ihres zukünftigen strategischen Konzepts bei. Zur Veranschaulichung: Selbst ein Staat wie Finnland, der nicht der NATO angehört und lange Zeit die Stärkung der GSVP unterstützt hat, scheint sich nicht mehr sehr für den Strategischen Kompass zu engagieren.

Die Gefahr eines Kompasses, der das strategische Konzept der NATO widerspiegelt, damit beginnt, sich an der NATO-Agenda 2030 zu orientieren, keine Alternative zu den Ambitionen der NATO vorschlägt oder ihnen etwas entgegensetzen könnte, nicht nur in militärischen Fragen, sondern auch in Sachen Resilienz, und dessen Haupterwartungen in der Vertiefung der Partnerschaft“ mit der NATO beständen, scheint real.

In Anbetracht der sich aus ihrer Abhängigkeit von der NATO ergebenden systematischen Ausrichtung einiger Mitgliedstaaten auf die Ansichten der USA, liegt der inhaltliche Reichtum des Strategischen Kompasses diesbezüglich in den Händen der USA. Die von ihnen ausgesandten Signale hinsichtlich des Grads einer möglichen Autonomie der EU werden bis zum Abschluss des Prozesses aufmerksam interpretiert. Möglicherweise sind diese Signale Teil einer Feinabstimmung, mit der die europäischen Bündnispartner dazu ermutigt werden sollen, sich strategisch vollständig in die NATO zu integrieren, insbesondere gegenüber China, und gleichzeitig ihre Anstrengungen im Bereich der Militärausgaben fortzusetzen.

C. DAS RISIKO EINES AMBITIONIERTEN DOKUMENTS, DAS JEDOCH NUR WENIG WIRKUNG ZEIGT

Auch wenn das Schlussdokument nicht den französischen Ambitionen entspräche, könnte es durchaus interessante Perspektiven eröffnen, insbesondere im Zusammenhang mit Resilienz bezüglich strittiger Zonen, deren Fortbestand organisiert werden muss. Hinsichtlich der GSVP würde die von Josep Borrell unterstützte erste Vorauskraft von 5 000 Mann einen wesentlichen Durchbruch darstellen (siehe vorstehend). Dies wäre ein vernünftiges Ziel für die gesamte EU und wenn es so gestaltet wird, dass erhebliche Duplizierungen vermieden werden, könnten weder die NATO noch die USA ernsthafte Einwände erheben.

Aus diesem Grund muss ein Follow up-Mechanismus sowie eine bessere politische Behandlung gewährleistet werden, was einem der wichtigsten französischen Anliegen entspricht (siehe vorstehend).

Der Strategische Kompass sollte daher einen Zeitplan für die Umsetzung der darin enthaltenen Maßnahmen bis zum Jahr 2030 sowie einen Follow up-Mechanismus enthalten, z. B. regelmäßige zwischenstaatliche Treffen, um eine Bilanz der Verwirklichung der operativen Ziele zu ziehen, Sitzungen, die in den folgenden Ratspräsidentschaften weitergeführt werden könnten, insbesondere von der Tschechischen Republik im zweiten Halbjahr 2022 und Schweden im ersten Halbjahr 2023 (mit dem Frankreich das nächste Trio“ bilden wird).

D. DAS RISIKO EINES DOKUMENTS, DAS SICH IM KRISENFALL ALS RESTRIKTIVES KORSETT ERWEIST

Die Erfahrung hat gezeigt, dass die Europäische Union in einer Krise sehr wohl in der Lage ist, den politischen Willen zu zeigen, an dem es ansonsten mangelt. Daher wäre es ein großer Fehler, ein stark formalisiertes Dokument zu erarbeiten, insbesondere hinsichtlich von Mindestfähigkeiten zum Handeln. Der Strategische Kompass könnte sich dann im Krisenfall als kontraproduktiv herausstellen. An dieser Stelle wird an die Entstehung der EU battlegroups erinnert: eine 2003 durchgeführte Operation vom Typ battlegroup war ein voller Erfolg, bis das Instrument 2006 formalisiert wurde und seither nie mehr zum Einsatz kam...

Die Argumentation kann auf die Beziehungen zur NATO ausgedehnt werden, die mithilfe des Kompasses nicht zu sehr eingefroren werden sollten , im Einklang mit einem französischen Anliegen (siehe vorstehend). Einigen Beobachtern zufolge verbessern sich die Beziehungen zwischen der EU und der NATO auch, wenn sie auf Taten beruhen.

Ebenso wäre es wahrscheinlich angebracht, die Positionen der EU hinsichtlich ihrer Beziehungen zu Russland, der Türkei, China und einigen nordafrikanischen Ländern nicht allzu sehr zu präzisieren, denn eine vorzeitige Festlegung unserer Positionen würde einen Verlust an Flexibilität mit erheblichen diplomatischen und operativen Konsequenzen bedeuten.

Die Schwierigkeit liegt in der Wahl des richtigen Maßes. Wenn man sich damit begnügt, die Phänomene allgemein zu charakterisieren - und Begriffe wie zwischenstaatlicher Konflikt, regionaler Konflikt, gescheiterter Staat usw. zu verwenden -, ohne weitere Präzision, besteht die Gefahr, ein unbrauchbares Dokument zu erarbeiten.

E. DAS ZUSÄTZLICHE RISIKO, DASS FRANKREICH ALS WEICHENSTELLER WAHRGENOMMEN WIRD

Frankreich, in Sorge bezüglich seines Ratsvorsitzes, wenn der strategische Kompass die in ihn gesetzten Erwartungen enttäuscht, darf nicht seiner schlechtesten Neigung erliegen, der für spektakuläre Erklärungen und Werbung für neue Konzepte, wie europäische Souveränität oder strategische Autonomie. Dadurch würden lediglich die Partner Frankreichs brüskiert und der gesamte Prozess beeinträchtigt.

Außerdem ist es üblich, dass das Land, das die EU-Präsidentschaft innehat, nicht versucht, mehr Gewicht zu haben, als ihm rechtmäßig zusteht.

Aber Frankreich vermag es weiterhin, sich Gehör zu verschaffen und mit seinen Analysen Aufmerksamkeit zu erzielen. Somit muss das Land für seine Überzeugungen einstehen, diese erklären und versuchen zu überzeugen.

SCHLUSSFOLGERUNG

Als im Jahr 2020 die Arbeit am strategischen Kompass aufgenommen wurde, waren die Erwartungen an dieses künftige Dokument, das die europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik strukturieren würde, hoch. Wir waren sehr erfreut über dieses Projekt, das eine Art Europäische Weißbuch“ werden sollte und dessen Abfassung wir im Bericht zum Thema Europäische Verteidigung, die Herausforderung der strategischen Autonomie“ 92 ( * ) empfohlen hatten.

Die Instrumente für eine wirksame Sicherheits- und Verteidigungspolitik sind vielfältig und ihr Potenzial ist groß. Die jüngste Schaffung des EVF und insbesondere der Europäischen Friedensfazilität sind wichtige Schritte nach vorn. Aber es fehlt leider noch zu oft der politische Wille, das Beste daraus zu machen und sie bestimmungsgemäß einzusetzen.

Sollte der strategische Kompass frühere Ambitionen bestätigen und neue hervorbringen, könnte er die EU endlich in die Lage versetzen, die notwendige Autonomie zu erlangen, um allen Bedrohungen zu begegnen.

Ist dieses Ziel erreichbar ? Jetzt, wo wir uns dem Abschluss des Strategischen Kompasses nähern, haben sich die Einstellungen durch die jüngste Stärkung der transatlantischen Beziehungen geändert, auch wenn diese noch Analyse vertieft werden kann.

Am Ende unserer Arbeit, die auf dem Anhören und der Konsultation unserer für den oben genannten Bericht gewählten Partner basiert, sind wir zu der Überzeugung gelangt, dass der Strategische Kompass heute ein großes Risiko birgt: das Risiko, kontraproduktiv zu sein, indem er die EU in gewisser Weise strategisch schwächt, während die NATO wieder an Stärke gewinnt.

Glücklicherweise hat Frankreich die Chance, im nächsten Jahr die Ratspräsidentschaft zu übernehmen. Frankreich kann mit Feingefühl und vor allem einem integrativen Ansatz eine neue Dynamik in Richtung der von uns angestrebten Autonomie anstoßen.

Seine Verantwortung ist groß: Die Bedrohungen unserer Sicherheit vervielfachen sich, während die Kehrtwende der US-Außenpolitik, die heute zur Stärkung des Schutzschirms der NATO führt, das Ergebnis von Wahlen ist. Generell ist die Fähigkeit der Europäischen Union, bei der Krisenbewältigung einzugreifen, eine Voraussetzung für die Schaffung eines von den meisten europäischen Bürgern geforderten prosperierenden und unsere Interessen schützendes Europe-puissance“ (Europa der Macht).

ÜBERPRüFUNG DURCH DEN AUSSCHUSS

Der Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten, Verteidigung und Streitkräfte hat in seiner Sitzung am Mittwoch, den 7. Juli 2021 unter dem Vorsitz von Herrn Cédric Perrin, stellvertretender Vorsitzender, den Informationsbericht von Herrn Ronan Le Gleut und Frau Hélène Conway-Mouret geprüft.

Herr Cédric Perrin, Vorsitzender. - Wir prüfen derzeit den Informationsbericht Welcher strategische Kompass für die EU“, der von unseren Kollegen Ronan Le Gleut und Hélène Conway-Mouret vorgelegt wurde.

Herr Ronan Le Gleut, Berichterstatter - Ende der 2010er Jahre, als die Bedrohungen für Europa in Zahl und an Schwere zugenommen hatten, stellte US-Präsident Donald Trump den Schutz der europäischen Bündnispartner durch die NATO in Frage - man erinnere sich an sein Fox-News-Interview zu Artikel 5 und Montenegro. Die GSVP, die Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik, kam jedoch trotz wiederholter Versuche, sie wiederzubeleben, nicht voran. Daher schlug Deutschland einen neuen Ansatz, den Strategischen Kompass“, vor, um der Europäischen Union die Möglichkeit zu geben, ein wirklich effizientes strategisches Dokument zu erarbeiten und die Herangehensweise zweifach zu verbessern: methodisch und im Weitblick.

Der Aufbau dieses Dokument wird klassisch sein, mit einem ersten Teil über die Bedrohungen - bis 2030 - und einem zweiten Teil über die Ziele und die Mittel, die sich die Europäische Union dafür geben muss. Dieser Ansatz organisiert in einem noch nie dagewesenen Ausmaß die Übung des gegenseitigen Zuhörens von Sachverständigen und Vertretern der Exekutive aller Mitgliedstaaten. Er erfordert die Ausdehnung strategischen Denkens auf alle Bedrohungen, um über die Sicherheit hinausgehend auch die Resilienz“ der Europäischen Union zu gewährleisten.

Die Analyse der Bedrohungen wurde im November 2020 abgeschlossen. Da sie von der Politik nicht einvernehmlich angenommen wurde, konnte eine erste Schwierigkeit, die der Priorisierung der von den einzelnen EU-Mitgliedstaaten sehr unterschiedlich wahrgenommenen Risiken, vermieden werden.

In der ersten Jahreshälfte arbeiteten die Mitgliedstaaten an Zielen und Mitteln rund um vier Hauptthemen: die bereits bekannten Themen Krisenmanagement und Fähigkeiten sowie die neu hinzugekommenen Ziele Resilienz und Partnerschaften. Eine zweite Schwierigkeit muss dadurch umgangen werden, dass die strategische Autonomie“ bzw. Souveränität“ der EU nicht ausdrücklich beworben wird, da einige europäische Partner der Ansicht sind, dass diese Begriffe die Vereinigten Staaten kränken könnten.

Der Strategische Kompass soll im März 2022 unter der französischen EU-Ratspräsidentschaft fertiggestellt werden. Welche Hoffnungen kann dieser Ansatz, der während der Amtszeit von Donald Trump ins Leben gerufen wurde, gerade jetzt wecken, wo die USA ihr Bekenntnis zum Multilateralismus und die NATO ihr Bekenntnis zur gegenseitigen Verteidigungsklausel des Artikels 5 nachdrücklich bekräftigt haben?

Die Europäische Union stützt sich nicht nur bei der Verteidigung ihres Hoheitsgebiets gemäß Artikel 5 des Nordatlantikvertrags auf die NATO, sondern auch bei der Krisenbewältigung am obere Ende des Spektrums, und beides betrifft die Ostflanke. Grundsätzlich bleibt es Aufgabe der Europäischen Union, auf andere sicherheitspolitische Herausforderungen im Umfeld Europas zu antworten - Operationen zur Stabilisierung und zum Friedenserhalt, Kontrolle der Migrationsflüsse -, die a priori die Südflanke betreffen. Wäre sie in der Lage, dies unter allen Umständen zu gewährleisten? Während die Konflikte zunehmen, geht die Zahl der Operationen zur Krisenbewältigung der EU zurück.

Dennoch wurde die GSVP 2009 durch den Vertrag von Lissabon und 2016 durch die Globale Strategie der Europäischen Union“ neu belebt, und auf dem Papier gibt es eine Fülle vielversprechender Initiativen. Aber die Koordinierung ist fakultativ, die Prozesse haben Schlupflöcher für jeden pazifistischen, atlantisch orientierten, sparsamen oder skeptischen Staat, da die GSVP-Beschlüsse normalerweise einstimmig gefasst werden.

Eine vollständige Integration der Sicherheits- und Verteidigungsinstrumente der Mitgliedstaaten wäre in einem grundsätzlich von Souveränität geprägten Gebiet natürlich undenkbar. Eine für den Ausbau der Fähigkeiten der Mitgliedstaaten stark richtungsweisende GSVP, die sie zur Teilnahme an einer Operation verpflichten könnte, hat niemand jemals gewollt, auch nicht während der Amtszeit von Donald Trump! Wir sind jedoch der Ansicht, dass es möglich ist, einige der eklatantesten Mängel der GSVP zu beheben und sie zumindest für das Krisenmanagement glaubwürdiger zu machen.

Im Bereich der Fähigkeiten zielen die Instrumente mit den bekannten Akronymen - CDP, DAC, PESCO, EVF usw. - darauf ab, Lücken zu schließen und durch Förderung der Zusammenarbeit eine EDTIB, eine technologische und industrielle Basis der europäischen Verteidigung zu schaffen. Aber kommen wir zunächst zum CDP, was können wir über den Plan zur Entwicklung der Fähigkeiten sagen? Obwohl er sehr strukturiert ist, listet er lediglich die Prioritäten auf, die die Mitgliedstaaten bereit sind, sich selbst zu setzen, und zwar auf der Grundlage einer Liste von Fähigkeitslücken, deren Erarbeitung auf mäßig realistischen Szenarien und unaufrichtigen Erklärungen basiert...

Das zentrale Problem besteht darin, dass den nationalen Planungen der Fähigkeiten der Vorzug gegeben wird. Es muss die Möglichkeit geschaffen werden, Elemente des Prozesses zum Ausbau der Fähigkeiten der EU zu integrieren, aber dies wird schwierig sein, zumal der NATO-Prozess in dieser Hinsicht bereits besteht. Wir können auch versuchen, bestimmte Unzulänglichkeiten bei der Verknüpfung der Instrumente für Fähigkeiten zu beheben. Aber wahrscheinlich nicht alle, denn einige von ihnen führen dazu, dass die Souveränität von Staaten verschont bleibt.

Die PESCO bzw. SSZ, die Ständige Strukturierte Zusammenarbeit, hat zahlreiche Projekte hervorgebracht. Es müsste aber selektiver vorgegangen werden, um die Qualität zu verbessern, während das Risiko der ITARisierung - d. h. der Anwendung der US-amerikanischen ITAR-Vorschriften - eine Sorge bleiben sollte, die in der Europäischen Union offenbar nicht mit der gleichen Intensität geteilt wird. Ein wichtiger Schritt nach vorn ist jedoch die europäische Finanzierung des EVF, des Europäischen Verteidigungsfonds, der auch als FEDEF bezeichnet wird. Die Kommission wird darauf achten müssen, dass er nicht zu einem Fonds für die Umverteilung von Mitteln wird.

Ich komme nun zu den operativen Aspekten. Eine zaghafte GSVP mit immer weniger werdenden Operationen und mehr Konflikten untergräbt die Größe und Glaubwürdigkeit der Europäischen Union. Der Kompass könnte hier einige wirksame Maßnahmen vorschlagen:

- Es muss zuallererst dem Grundsatz der Einstimmigkeit besser Rechnung getragen werden. Wir wissen, was sinnvoll ist: nationale Operationen und Ad-hoc-Operationen wie Agénor und Takuba, auf die sich Frankreich spezialisiert hat. Doch die Umgehung der GSVP bedeutet weniger Befehlsgewalt, weniger Finanzierung, weniger politische Absicherung und weniger mögliche Beteiligungen durch Länder wie Deutschland, die ohne Mandat nicht eingreifen können.

Es scheint machbar, den Rückgriff auf die GSVP zu vereinfachen: auf dem Territorium der Europäischen Union im Falle einer Aggression automatisch durch die Beistandsklausel auf der Grundlage von Artikel 42.7 des Vertrags über die Europäische Union (EUV); im Hinblick auf das Krisenmanagement, mit der Möglichkeit, eine schlüsselfertige“ Operation ohne vorherige Studien und Diskussionen vorzuschlagen, oder wiederum mit der GSVP, die Kooperationsmodule“ für nationale oder ad hoc-Operationen bereitstellt.

Sollte ein Europäischer Sicherheitsrat eingerichtet werden, um einen harten Kern in Verteidigungsfragen zu schaffen? Bundeskanzlerin Angela Merkel hat es in Erwägung gezogen, Präsident Emmanuel Macron hat den Vorschlag schließlich unterstützt, aber das war vor drei Jahren, zur Zeit einer anderen amerikanischen Präsidentschaft...

Eine zweite Möglichkeit besteht darin, die Operationen zu verbessern und stärkere Anreize zu schaffen. Erstens könnte die Qualität der militärischen Operationen durch eine Verbesserung der Ausbildung ausländischer Streitkräfte im Rahmen der EUTM, der Ausbildungsmissionen der Europäischen Union, angehoben werden, von denen es drei gibt: in Mali, der Zentralafrikanischen Republik und Somalia. Unter diesem Gesichtspunkt ist die diesjährige Einrichtung der Europäischen Friedensfazilität (EPF), die die Finanzierung der Lieferung von tödlichen Waffen ermöglichen wird, ein großer Fortschritt.

Der entscheidende Punkt ist die Geschwindigkeit der Truppenaufstellung: Die Battlegroups, Bataillone von 1 500 Mann, die 2006 für eine ständige militärische Präsenz aufgestellt wurden, kamen nie zum Einsatz und sind oft nicht verfügbar. Eine Finanzierung durch den EPF wäre ein entscheidender Anreiz. Besser noch: Im Rahmen der Diskussionen über den Strategischen Kompass unterstützt eine kleine Mehrheit von Staaten die französische Initiative einer ersten Vorauskraft“, deren Kern aus zwei großen Battlegroups mit Komponenten an Land, in der Luft und auf See bestehen könnte. Dies wäre eine Gelegenheit für den Kompass, die Komplementarität zwischen der NATO und der EU im Einklang mit realistischen Ambitionen zu bekräftigen und zu verdeutlichen. Wenn wir endlich klarstellen, was die Europäische Union tun können muss, kann sich das nur förderlich auf eine Verbesserung der Fähigkeiten und der operativen Koordinierung auswirken.

Ein weiterer Vektor für Verbesserungen ist das europäische Militärkommando, d. h. der MPCC - der militärische Planungs- und Durchführungsstab - der dem Militärstab der Europäischen Union unterstellt ist, wodurch vermieden wird, sich bei der Leitung einer GSVP-Operation auf die NATO oder einen Mitgliedstaat verlassen zu müssen. Seine derzeit auf die EUTM beschränkte Rolle sollte auf die Leitung sogenannter exekutiver Operationen ausgedehnt werden, so dass ein OHQ, d. h. ein Planungs-Militärstab, für alle militärischen Einsätze geschaffen wird. Vor diesem Hintergrund unterstützt Frankreich die Beibehaltung der einheitlichen Befehlsgewalt des Militärstabs der Europäischen Union und des MPCC - die Deutschland in Frage stellen möchte -, um so die Einheit der Überlegungen zu den Fähigkeiten zu gewährleisten.

Schließlich gilt es, die Lücken im europäischen Nachrichtendienst zu schließen, der den Herausforderungen nicht gewachsen ist.

Frau Hélène Conway-Mouret, Berichterstatterin. - Bevor ich auf den Inhalt des Berichts eingehe, möchte ich darauf hinweisen, dass die Herangehensweise an diesen Bericht, die in der Konsultation unserer europäischen Partner besteht, dieselbe war wie für unseren europäischen Verteidigungsbericht 2019. Diese Konsultation erfolgte per Videokonferenz und mittels eines Fragebogens, der an die Botschaften geschickt wurde, von denen fast alle geantwortet haben. Auf diese Weise konnten wir uns recht schnell auf eine Reihe von Punkten einigen, aber oft auf wenig ermutigende Weise, da wir feststellten, dass den europäischen Bürgern und den Parlamenten der Mitgliedstaaten der Strategische Kompass überhaupt nicht bekannt war. Ich möchte daher den Ausschuss dazu beglückwünschen, dass er sich dieses Themas angenommen hat. Wir hatten somit die Möglichkeit, es zu untersuchen und festzustellen, dass viele Dinge, die in Europa geschehen, im Allgemeinen nicht bekannt sind und dass wir mit dem strategischen Kompass über ein sowohl bemerkenswertes als auch beispielloses Instrument verfügen.

Bei den wiederholten Bestrebungen, die nunmehr dreißig Jahre alte GSVP zu verbessern, muss heute, im Rahmen Formulierung neuer Ziele ganz besonders auf Realismus geachtet werden. Die Resilienz“ als eines der vier Hauptthemen des Strategischen Kompasses vereint hingegen das ganze Potenzial eines Zukunftsprojekts in sich.

Die Wahrung des Zugangs zu umkämpften strategischen Gebieten, die Verringerung unserer industriellen Abhängigkeit im Bereich der Sicherheit und Verteidigung, die Stärkung unseres Zugangs zu kritischen Technologien oder strategischen Materialien, die Gewährleistung unserer wirtschaftlichen, gesundheitlichen und klimatischen Sicherheit ... Resilienz bedeutet, kurz gesagt, Sicherheit außerhalb der GSVP.

Die Europäische Kommission ist in diesen Fragen sehr aktiv. Seit der Gesundheitskrise hat sich diese Dimension spürbar verändert. Die Einrichtung der GD DEFIS im Jahr 2020 deutet auf eine neue Tendenz der EU hin, ihre wirtschaftliche Macht strategisch zu mobilisieren.

Dieses geopolitische Europa stützt sich auch auf seine Partnerschaften, den vierten Schwertpunkt des Kompasses. Was die Vereinigten Staaten betrifft, so hat Joe Biden die meisten Entscheidungen seines Vorgängers, die von der Europäischen Union heftig kritisiert wurden, rückgängig gemacht, und die Beziehungen scheinen sich beruhigt zu haben. Wir sollten jedoch darauf achten, dass wir den USA nicht blind hinterherlaufen. Erstens hat sich das amerikanische Interesse nach Asien verlagert, wo die bilateralen Beziehungen zu China sehr angespannt sind. Die Europäische Union hingegen hat ein weniger wettbewerbsorientiertes Verhältnis, insbesondere aufgrund der notwendigen Reziprozität in wirtschaftlichen Fragen. Deshalb ist es wichtig, dass wir eine eigene indopazifische Partnerschaften aufbauen. Auch die Partnerschaft mit Afrika ist von größter Bedeutung, aber hier mit China als Rivalen. Es bleibt die Partnerschaft mit der NATO, die bei weitem am problematischsten ist, da sie sich strukturierend auf den Strategischen Kompass auswirkt.

Wir sind Zeugen einer großen Rückkehr der atlantischen Ausrichtung. Die Wahl von Joe Biden ging Hand in Hand mit der erneuten Bekräftigung des Schutzes der europäischen Bündnispartner durch die NATO. Das war alles, was es brauchte, um die Europäer in Bezug auf den Ausbau der strategischen Autonomie und der GSVP zu demotivieren...

Der Brexit ist ein weiteres Argument dafür, das Gleichgewicht zugunsten der NATO zu verschieben, da das Vereinigte Königreich nach den USA - 785 Mrd. USD - der Bündnispartner mit den höchsten Verteidigungsausgaben - 60 Mrd. USD - ist. Dies hat dazu geführt, dass die Staaten der Europäischen Union, die der NATO angehören, nur noch ein Fünftel der Verteidigungsausgaben der Bündnisstaaten ausmachen, wie der NATO-Generalsekretär gerne betont. Darüber hinaus hat die Gesundheitskrise die Aufmerksamkeit auf die Resilienz gelenkt und zu hohen Ausgaben zur Unterstützung der Wirtschaft geführt, was zu Haushaltsanpassungen führen kann. Die EU-Bündnispartner werden sich nur noch mehr auf die NATO zu verlassen, wenn sie dadurch an Mitteln für Fähigkeiten und Operationen sparen können. Darüber hinaus könnten die bevorstehenden Wahlen in Deutschland und Frankreich zu Veränderungen führen, die das Engagement der Europäischen Union in den Bereichen Sicherheit und Verteidigung beeinträchtigen könnten.

Alle Ampeln auf dem Weg zur strategischen Autonomie stehen auf Rot. Gleichzeitig wird die Koordinierung mit der NATO unklar.

Erstens unterscheidet sich die geostrategische Positionierung der Europäischen Union von der der NATO und der Vereinigten Staaten: China ist für uns nicht der ultimative Feind, Russland bleibt ein Nachbar, und die Handlungen der Türkei betreffen uns direkt, im Gegensatz zu den Amerikanern, für die sie ein Verbündeter bleibt.

Zweitens gibt es keine Garantie dafür, dass der Schutzschirm der NATO, der seit der Wahl von Joe Biden neu gespannt wurde, nicht durchlässig wird, wenn die Republikaner die nächsten Präsidentschaftswahlen oder sogar die midterms in etwas mehr als einem Jahr gewinnen. Der Trumpismus bleibt eine wichtige politische Kraft.

Drittens unternimmt die NATO derzeit auf Initiative ihres Generalsekretärs einen großen Sprung nach vorn“. Letzterer befürwortet eine 360-Grad-Verteidigungsstrategie, die sich in der kürzlich von den Bündnispartnern verabschiedeten NATO-Agenda 2030 widerspiegelt. Die Anwendung von Artikel 5 im Falle eines Cyberangriffs wird vorgeschlagen, was jedoch weiter präzisiert werden muss, da diese Handlungen von Ländern verursacht werden können, in denen die Risiken und Ziele der EU und der USA nicht dieselben sind. In der Agenda werden Resilienz im weitesten Wortsinn aufgefasst und den Alliierten sogar gegebenenfalls Ziele vorgegeben, deren Umsetzung Gegenstand eines Follow up ist!

Wenn sich die von der Agenda eröffneten Perspektiven sämtlich erfüllen, könnte die von der Europäischen Union zu schaffende Resilienz eventuell im Schatten einer von der NATO kontrollierten Resilienz enden, genauso wie die PSDC ihr Dasein neben der Allianz fristet. Was dabei durch die unermessliche Stärke der amerikanischen Armee erklärt werden kann, wäre in Anbetracht der Mittel der Europäischen Union in diesem Fall nicht zu rechtfertigen.

Viertens wird der NATO-Prozess viel stärker befolgt als der EU-Prozess wenn es um die Fähigkeiten geht, was sich nachteilig auf die Schaffung einer EDTIB auswirkt. Die Agenda 2030 sieht die Einrichtung eines NATO-Fonds für Innovation vor, der den Europäischen Verteidigungsfonds ebenfalls schwächen könnte.

Fünftens wird der Strategische Kompass zeitgleich mit dem strategischen Konzept“, einem weiteren strategischen Dokument, an dem die NATO arbeitet, erarbeitet. Um zu verhindern, dass letzteres auf ersteres abfärbt, wurden die Überlegungen und der Abschluss des Kompasses nach hinten verlegt, da das strategische Konzept erst im Sommer 2022 veröffentlicht werden soll. Die NATO stellt jedoch zahlreiche Arbeiten und Überlegungen an, als ob sie sich, laut Aussage einiger Beobachter, in einem Wettlauf mit der Zeit befände.

Im Grunde ist der Strategische Kompass zu einer riskanten Übung geworden. Wir haben fünf Risiken identifiziert, die sich überschneiden können.

Das erste Risiko ist natürlich das eines wenig ambitionierten Dokuments. Die Bekräftigung der transatlantischen Absicherung reduziert die Ambitionen der meisten Mitgliedstaaten für die GSVP.

Die abschließende Analyse der Bedrohungen, für die sie politisch bereit sind einzustehen, könnte sich auf die Formen beschränken, zu denen der größte Konsens besteht, wie beispielsweise hybride und technologische Bedrohungen, was der Resilienz im Vergleich zum Krisenmanagement Vorrang einräumen würde. Mindestens zwei Jahre - die Zeit für die Erarbeitung des Kompasses - sind für die GSVP verlorene Zeit. Dieses teilweise Scheitern könnte durch Initiativen relativiert - und vorzeigbar gemacht - werden, die nur die nicht-exekutiven zivilen oder militärischen Missionen verbessern, die Deutschland den exekutiven Missionen vorzieht.

Die zweite Gefahr besteht in einem Dokument, das allein auf die Bedürfnisse der NATO zugeschnitten ist und in das strategische Konzept einfließen würde. Der Kompass würde in diesem Fall keine über die Fähigkeiten des Bündnisses hinausgehenden Vorschläge enthalten oder sich von seinen Ambitionen lösen - sowohl in Bezug auf das Militär als auch auf die Resilienz. Die wichtigsten Ambitionen würden die Partnerschaft mit der NATO betreffen. Es sollte ein politischer Dialog zwischen Josep Borrell und dem Generalsekretär der NATO aufgenommen werden, um die notwendige Kohärenz zwischen beiden Ansätzen herzustellen und gleichzeitig die Autonomie des Strategischen Kompasses zu gewährleisten. Bisher deutet jedoch nichts auf einen solchen Dialog hin...

Das dritte Risiko ist das eines ambitionierten Dokuments, das jedoch nur wenig Wirkung zeigt. Es können Vorzeigeeffekte angestrebt werden. Das Schlussdokument könnte durchaus interessante Perspektiven eröffnen, insbesondere im Zusammenhang mit Resilienz bezüglich strittiger Zonen, deren Fortbestand organisiert werden muss. Hinsichtlich der GSVP würde die von Josep Borrell unterstützte erste Vorauskraft, die mein Kollege gerade angesprochen hat, einen wesentlichen Durchbruch darstellen. Mit der Unterstützung von Josep Borrell könnte sie sogar aus transatlantischer Sicht akzeptabel erscheinen. Aus diesem Grund muss ein Follow up-Mechanismus sowie eine bessere politische Behandlung gewährleistet sein, was einem der wichtigsten französischen Anliegen entspricht.

Das vierte Risiko besteht unseres Erachtens darin, dass sich das Dokument im Krisenfall als Korsett erweist. Die Pandemie hat gezeigt, dass die Europäische Union in einer Krise sehr wohl in der Lage ist, politischen Willen zu zeigen. Im Krisenfall könnte sich ein stark formalisiertes Dokument, insbesondere hinsichtlich von Mindestfähigkeiten zum Handeln als kontraproduktiv herausstellen. Dieses Argument gilt auch für die Beziehungen zur NATO, der gegenüber die Möglichkeit von Anpassungen aufrechterhalten werden muss.

Das letzte Risiko besteht darin, dass es Frankreich, in der Befürchtung, der strategische Kompass könnte den Glanz seiner Präsidentschaft trüben, etwas zu gut meint. Wir müssen von unserer Neigung zu Deklarationen und zur Förderung von Konzepten Abstand nehmen, um unsere Partner nicht zu verärgern und zu kränken. Frankreich wird aber auch weiterhin Gehör geschenkt und seine Analysen werden aufmerksam verfolgt. Wir müssen für unsere Überzeugungen einstehen, diese erklären und versuchen zu überzeugen.

Ein Scheitern des strategischen Kompasses würde sich äußerst nachteilig auf die GSVP auswirken: Desillusionen diesbezüglich vereiteln jegliche Chancen für Fortschritt auf lange Zeit.

Daher müssen wir an dieser Stelle unser Bedauern bezüglich der Methode äußern: die Konzertierung und die Diskussionen zum Strategischen Kompass sind nicht auf die Parlamente ausgeweitet worden, wodurch der Strategische Kompass um eine wichtige Dimension der Bereicherung und der Vertiefung gebracht wird. Dieses Versäumnis könnte sich beim Abschluss des Prozesses möglicherweise rächen. Wir schlagen außerdem vor, dass der Strategische Kompass alle 5 Jahre überarbeitet wird. Es ist daher wichtig, dass sich die Parlamente systematisch mit diesem Thema befassen.

Herr Cédric Perrin, Vorsitzender. - Sie machen uns darauf aufmerksam, dass wir in dieser Angelegenheit wachsam bleiben und sie weiterverfolgen müssen. In diesem Zusammenhang möchte ich darauf hinweisen, dass am 25. Februar 2022 die GASP/GSVP-Konferenz des parlamentarischen Teils der französischen EU-Ratspräsidentschaft im Senat stattfindet. Bei dieser Gelegenheit können wir das Thema erneut mit unseren Partnern ansprechen.

Herr André Guiol. - Die Berichterstatter haben das Problem der Stärkung der europäischen Verteidigung und der NATO angesprochen. Kürzlich habe ich gelesen, dass viele Angehörige des US-Militärs beide für unvereinbar halten, ganz gleich, welche der beiden. Wie könnten wir aufzeigen, was die beiden ausmacht?

Frau Hélène Conway-Mouret, Berichterstatterin. - In unserem Bericht für das Jahr 2019 haben wir die Ausarbeitung eines Weißbuchs empfohlen, und wir sind der Meinung, dass Europa nun über das notwendige Instrument verfügt, um dies auf der Grundlage einer gemeinsamen Analyse der Bedrohungen durch die 27 Mitgliedstaaten zu erreichen. Weiterhin gab es die einseitige Entscheidung des NATO-Generalsekretärs, einen Prozess einzuleiten, der dem des Strategischen Kompasses sehr ähnlich ist. Damit hat er uns einer wirklich autonomen Übung beraubt und drängt uns dazu, sie in das viel umfangreichere Vorhaben des Atlantischen Bündnisses zu integrieren. Darüber hinaus ist daraus eine Art Wettlauf mit der Zeit geworden. Die NATO, die sich selbst erneuert, befasst sich jetzt mit der globalen Erwärmung, der Resilienz - kurz gesagt, mit Themen, die nicht in ihre historischen Aufgabengebiete fallen.

Herr Ronan Le Gleut, Berichterstatter - Wir dürfen nicht vergessen, dass eine Reihe von EU-Staaten nicht Mitglied der NATO sind. Es gibt keine Überlagerung zwischen den beiden Organisationen. Damit die Europäische Union Stellung beziehen kann, haben wir in unserem Bericht für 2019 ein Weißbuch vorgeschlagen - die Idee ist natürlich nicht neu, aber wir haben sie wieder aufgenommen. Die Existenz dieses Strategischen Kompasses ist also eine gute Nachricht, sie entspricht den Empfehlungen unseres Ausschusses von vor zwei Jahren, und wir können stolz darauf sein. Allein die Tatsache, dass es dieses Vorhaben gibt, dass die Nachrichtendienste der Mitgliedstaaten der Europäischen Union sich austauschen, um eine gemeinsame Analyse der Bedrohungen zu erstellen, ist ein Novum. Dieser beträchtliche Fortschritt beantwortet im Grunde Ihre Frage: Es ist beides.

Frau Hélène Conway-Mouret, Berichterstatterin. - Ich würde hinzufügen, dass die eine die andere stärken soll.

Frau Gisèle Jourda. - Ein Thema, das uns sowohl in diesem Ausschuss als auch im Ausschuss für europäische Angelegenheiten sehr am Herzen liegt, ist der Europäische Verteidigungsfonds. Er ist ein grundlegendes Element für die europäische Verteidigungsdimension, auch wenn er bereits finanziell angeschlagen ist. Ist es möglich, Einzelheiten über die Gefahren zu erfahren, die diesbezüglich bestehen?

Frau Hélène Conway-Mouret, Berichterstatterin. - Frankreich hatte sich in der Tat für eine Aufstockung des Europäischen Verteidigungsfonds in Höhe von 13 Milliarden Euro eingesetzt. Wir sind bei 8 Milliarden Euro. Aber wir sind zufrieden, denn es ist das erste Mal, dass es in der Europäischen Union einen solchen Fonds gibt. Im Rahmen dieses Fonds werden 26 Projekte gefördert, die ein sehr integratives Verfahren durchlaufen haben, das die Einbindung von KMU aus verschiedenen Mitgliedstaaten in ein großes Ausgangsprojekt fördert. Es ist eine gute Struktur, die in die richtige Richtung geht. Natürlich besteht die Gefahr, dass das Geld nach dem Gießkannenprinzip vergeben wird, und die Europäische Union nicht wirklich zur Förderung von Projekten in der Lage ist, die es ihr erlauben würden, industriell wettbewerbsfähig zu bleiben. Aber die Gefahr, die wir gerade angesprochen haben, besteht darin, dass die NATO die Innovation durch die Schaffung eines eigenen Fonds angehen will, der natürlich viel besser ausgestattet wäre als der Europäische Verteidigungsfonds und diesen dann zu ersetzen droht. Wir haben dafür gekämpft, dass Unternehmen aus Nicht-EU-Ländern keinen Zugang zum Europäischen Verteidigungsfonds haben. Vor allem die Vereinigten Staaten geben Milliarden für Forschung und Innovation im eigenen Land aus, und der Zugang zum Europäischen Verteidigungsfonds würde ihnen Zugang zu europäischen Steuergeldern verschaffen, um noch mehr in diese Bereiche zu investieren. Es stimmt, dass es europäische Unternehmen gibt, die für amerikanische Unternehmen arbeiten oder Tochtergesellschaften amerikanischer Unternehmen sind, die so versuchen, durch die Hintertür an den Europäischen Verteidigungsfonds zu gelangen. Tatsache ist, dass es diesen Fonds gibt, dass er mit der Zeit wachsen soll und dass er einen erheblichen Fortschritt darstellt. In unserem Bericht für 2019 haben wir auch die Schaffung einer Direktion vorgeschlagen, die auch eingerichtet wurde. Insgesamt wurden zwei unserer Vorschläge umgesetzt... Auf jeden Fall weiß ich nicht, ob der Europäische Verteidigungsfonds in zwanzig Jahren in der NATO aufgegangen sein wird oder nicht, ich fürchte, die Situation ist etwas kompliziert geworden.

Frau Joëlle Garriaud-Maylam. - Ich denke, wir müssen bescheiden bleiben: Die Zusammenarbeit zwischen den Dienststellen verschiedener Länder gab es schon lange vor Beginn der Arbeiten am Strategischen Kompass. Außerdem sind mehrere von uns hier Mitglieder der parlamentarischen Versammlung der NATO, und ich für meinen Teil bin verärgert, so oft die gleichen alten Reden und alten Ideen über das Bündnis zu hören. Erinnert sei an Emmanuel Macrons fast schon romantische Vision eines Europas, das mit Russland an seiner Verteidigung arbeiten würde... Ich möchte Sie daran erinnern, dass das Atlantische Bündnis nach den Worten seines Generalsekretärs das erfolgreichste der Welt ist, dass kein Land es jemals verlassen hat und dass es unsere Verteidigung ohne das geringste Problem gewährleistet, auch wenn es an den Grenzen der Europäischen Union Spannungen gibt. Zahlreiche Mitgliedstaaten der Europäischen Union sind sehr für die NATO, im Gegensatz zu dem, was wir hier hören, während andere Mitgliedstaaten nicht genug zum Haushalt der Europäischen Union beitragen wollen - was sie eigentlich sollten -, so dass der Schutz der NATO besonders willkommen ist. Diese Anti-Nato-Rhetorik, die sich immer weiter ausbreitet, diese kleine Musik, wird immer nervender für alle diejenigen, die sehen, was bei der NATO geschieht, die Arbeit, die dort geleistet wird, und von der alle meine Kollegen, die der parlamentarischen Versammlung der NATO angehören, meiner Meinung nach sehr wohl wissen.

Der Ausschuss genehmigt die Veröffentlichung des Informationsberichts.

LISTE DER ANGEHÖRTEN PERSONEN

Montag, 15. März 2021

- Französisches Ministerium für Europa und Auswärtige Angelegenheiten: Herr Philippe BERTOUX , Direktor für strategische Angelegenheiten und Herr David CVACH , Direktor für die Europäische Union.

Montag, 22. März 2021

- European Council on Foreign Relations (ECFR): Frau Tara VARMA, Leiterin des Pariser Büros und Policy Fellow .

Freitag, 26. März 2021

- Frau Claire RAULIN , Botschafterin, Ständige Vertreterin im Politischen und Sicherheitspolitischen Komitee der Europäischen Union in Brüssel (RP COPS).

Dienstag, 30. März 2021

- Französisches Ministerium der Streitkräfte: Frau Alice GUITTON , Generaldirektorin für internationale Beziehungen und Strategie (DGRIS).

Donnerstag, 1. April 2021

- Französisches Ministerium der Streitkräfte - Generalstab der Streitkräfte : General Bruno FOUSSARD , Leiter der Abteilung Euratlantique“.

Freitag, 9. April 2021

- Französische Botschaft in Belgien: Frau Claude-France ARNOULD , Beraterin für europäische Angelegenheiten am IFRI (französisches Institut für internationale Beziehungen).

Montag, 12. April 2021

- Bundesministerium der Verteidigung : Brigadegeneral SCHULZ , Unterabteilungsleiter Politik, Frau VON SEHERR-THOSS , Leiterin des EU-Büros, Frau LINZENMEIER , Leiterin des Frankreich-Büros der Politischen Direktion

- Französische Botschaft in Deutschland: Stabsfeldwebel Steven HERRY, Assistent des Verteidigungsattachés.

Freitag, 16. April 2021

- Europäisches Parlament: Herr Arnaud DANJEAN, Mitglied des Europäischen Parlaments.

Montag, 3. Mai 2021

- Europäisches Parlament: Frau Nathalie LOISEAU , Mitglied des Europäischen Parlaments, Vorsitzende des Unterausschusses für Sicherheit und Verteidigung, ehemalige Ministerin für europäische Angelegenheiten.

Donnerstag, 6. Mai 2021

Herr Frédéric MAURO, wissenschaftlicher Mitarbeiter am IRIS (französisches Institut für Internationale Beziehungen und Strategien) in Paris und am GRIP (Research and Information Group on Peace and Security) in Brüssel.

Montag, 10. Mai 2021

- OECD: Herr Didier LENOIR, Botschafter, Ständiger Vertreter der EU bei der OECD.

Mittwoch, 12. Mai 2021

Herr Hubert VÉDRINE , ehemaliger Minister für auswärtige Angelegenheiten.

Dienstag, 18. Mai 2021

- Polnisches Ministerium für Nationale Verteidigung: Herr Piotr PACHOLSKI, Direktor der Abteilung für internationale Sicherheitspolitik.

- Französische Botschaft in Polen: Herr Frédéric BILLET , französischer Botschafter in Polen, Oberst Jérôme MALLARD , Verteidigungsattaché, Frau Anna CHERNER-DRIEUX , politische Beraterin.

Dienstag, 25. Mai 2021

- Slowenisches Verteidigungsministerium : Herr Uro ZORKO, Direktor für Verteidigungspolitik.

- Französische Botschaft in Slowenien: Oberstleutnant Valérie TRAMEAU-CHABERT , Verteidigungsattaché, Frau Samantha BONBAYL , leitende politische Beraterin.

Montag, 31. Mai 2021

- Schwedisches Verteidigungsministerium : Herr Johan LAGERLÖF , Deputy director General MoD , Head of departement Security Policy and International Relations, Herr Hans PECHAN , Deputy Director departement for acquisition research and development , Frau Linnéa PORATHE , Führungsoffizier Frankreich MoD .

- Französische Botschaft in Schweden: Oberst Marc HENRY , Verteidigungsattaché, Herr Jean TRABAND , 2. Berater - Leiter des Pressebüros.

Montag, 14. Juni 2021

- Europäischer Auswärtiger Dienst (EAD): Herr Hervé BLÉJEAN, Chef des Militärstabs der Europäischen Union (EUMS).

Montag, 21. Juni 2021

- US-Botschaft in Frankreich: Colonel Allen PEPPER , Verteidigungsattaché.

FRAGEN AN DIE BOTSCHAFTEN

Der Fragebogen wurde an unsere 26 Dienststellen in der Europäischen Union versandt:

1. Wie wichtig ist der Strategische Kompass in der öffentlichen Debatte des Landes?

2. Wie wichtig ist der Strategische Kompass für die politischen Behörden.

3. Welche Erwartungen weckt dieses Projekt bei den politischen Behörden? Die Antwort wird einen Beitrag zur Konzeption des Strategischen Kompasses des Mitgliedstaates leisten, der einerseits hinsichtlich der Wahrnehmung der kollektiven Bedrohungen und andererseits hinsichtlich der Orientierungen und Ziele, die sich die Europäische Union ihrer Ansicht nach setzen sollte, um darauf zu reagieren.

4. Haben sich diese Bedeutung und diese Erwartungen seit 2020 verändert:

a. im Anschluss an die Wahl von Joe Biden und die Stärkung der transatlantischen Beziehungen?

b. aufgrund anderer geopolitischer Entwicklungen (Türkei, China...)?

c. infolge der Gesundheitskrise?

d. aufgrund anderer Umstände (Brexit, Cyberrisiken...)?


* 1 Bericht des Senats Nr. 626 (2018-2019), Juli 2019.

* 2 Operational Headquarters : Hauptquartiere auf operationeller Ebene, eine andere Bezeichnung für einen Militärstab für die operationelle Planung (Durchführung, Planung und Organisation militärischer Missionen). Ein mit dieser Rolle als OHQ betrauter MPCC ist zwischen dem EUMS, für Konzepte auf europäischer Ebene zuständig, und dem Militärstab, der die Operation vor Ort leitet, positioniert.

* 3 « La Fin de l'histoire et le Dernier Homme », Francis Fukuyama, 1992.

* 4 Auf der Grundlage der Preise und Wechselkurse von 2015. Schätzungen für 2020. Quelle: NATO «Verteidigungsausgaben der NATO-Länder (2013-2020)», Oktober 2020.

* 5 Das eine europäische Armee unter der Aufsicht des Oberbefehlshabers der NATO vorsah, der wiederum vom Präsidenten der Vereinigten Staaten ernannt wird.

* 6 Die WEU wurde 2011 aufgelöst und in die Europäische Union eingegliedert.

* 7 Die 1992 im Rahmen der Westeuropäischen Union (WEU) definierten Petersberg-Missionen“ umfassen humanitäre Einsätze, die Evakuierung von Staatsangehörigen, Maßnahmen zur Friedenssicherung sowie Streitkräfte für das Krisenmanagement (einschließlich Operationen zur Friedensschaffung). Dies dient in der Tat dazu, das Risiko eines erneuten Debakels wie in Jugoslawien zu vermeiden.

* 8 Die GSEU definiert die Außenpolitik der EU auf der Grundlage von fünf Schwerpunkten: die Sicherheit der Union; die Resilienz von Staat und Gesellschaft in den Nachbarländern im Osten und im Süden; ein integriertes Herangehen an Konflikte; regionalen Kooperationsordnung; weltweite Gouvernance im 21. Jahrhundert. Im Bereich Sicherheit und Verteidigung definiert die GSEU drei strategische Prioritäten: Reaktion auf externe Krisen und Konflikte; Stärkung der Fähigkeiten der Partnerländer; Schutz der Union und ihrer Bürger (siehe nachstehend).

* 9 Dieses Dokument wird vor allem vom SIAC abgefasst, der nachrichtendienstlichen Analysestruktur, in der der (militärische) Nachrichtendienst des EUMS und das (zivile) Analysezentrum des Nachrichtendiensts (IntCen) des Europäischen Auswärtigen Diensts (EEAS) zusammengefasst sind.

* 10 Anmerkung: In Frankreich wurde ursprünglich das Armee-Ministerium für die Nicht-Papiere zum Krisenmanagement und zu den Fähigkeiten angerufen; das Ministerium für Europa und für Auswärtige Angelegenheiten zeichnete für die Resilienz und die Partnerschaften verantwortlich. Für die Diskussionen in den Workshops war allein das Ministerium für Europa und Auswärtige Angelegenheiten zuständig.

* 11 Der Artikel 222 des Vertrags über die Arbeitsweise der EU sieht eine gemeinsame Aktion der Union und ihrer Mitgliedstaaten vor für den Fall, dass einer von ihnen Opfer einer terroristischen Attacke beziehungsweise einer natürlichen oder von Menschen bewirkten Katastrophe ist.

* 12 Klausel über die gegenseitige Verteidigung im Vertrag der Europäischen Union; der Artikel 42.7 EUV entspricht für die EU (mehr oder weniger) dem Artikel 5 des Nordatlantikvertrags für die NATO.

* 13 Takuba vereint Spezialkräfte anderer Mitgliedstaaten in der Sahelzone: Die Tschechische Republik seit Januar 2021, Schweden seit Februar, Italien seit März. Verbindungsoffiziere aus Portugal, Belgien und den Niederlanden sollen Teil des Militärstabs der Task Force in Menaka werden. Die Ukraine, Griechenland und Ungarn haben ebenfalls Beiträge zugesagt. Vorbehaltlich der Zustimmung des dänischen Parlaments wird Dänemark 2022 seinen Beitrag leisten.

* 14 EUTM Mali ist eine von der EU am 18. Februar 2013 gestartete Ausbildungsmission der malischen Streitkräfte.

* 15 Die Türkei macht ihre Unterstützung davon abhängig, dass die Mitgliedstaaten die kurdische Miliz in Syrien, die Volksverteidigungseinheiten (YPG), als terroristische Organisation anerkennen.

* 16 Die französischen Streitkräfte beteiligten sich seit März 2017 an der Enhanced Forward Presence - eFP der NATO mit einer Beistandstruppe an Einsätzen innerhalb eines in Estland stationierten britischen Bataillons (Rahmennation) bzw. innerhalb eines in Litauen stationierten deutschen Bataillons (Rahmennation). Die derzeitige Mission startete in März 2021 und ist in Estland eingesetzt. Ebenfalls im Rahmen der eFP entwickeln sich Kooperationen im Bereich Luftfahrt mit den baltischen Staaten.

* 17 Dieses Vorhaben kann nicht mit der JTA (Joint Threat Assessment - gemeinsame Beurteilung der Bedrohung) der NATO verglichen werden, einem Analysemechanismus, bei dem Verhandlungen zwischen Nachrichtendiensten verbündeter Länder stattfinden und eine zeilenweise Einigung über die Beurteilung der Bedrohung erfolgt. Die JTA dient als Maßstab für die Definition der Abschreckungs- und Verteidigungshaltung der NATO sowie ihres Fähigkeitenbedarfs.

* 18 Bericht des Senats Nr. 626 (2018-2019), Juli 2019.

* 19 Autonomy im Englischen kommt der Idee der Autarkie nahe.

* 20 Es stimmt dass diese relative Verdrossenheit nicht einheitlich ist: In einem kürzlich von Mark Rutte und Pedro Sánchez veröffentlichten gemeinsamen Brief, setzen sich die Niederlande - völlig unerwartet - und Spanien für eine größere strategische Autonomie für Europa ein. Josep Borrell plädiert ebenfalls durchgehend für strategische Autonomie. Andererseits geht aus den Beiträgen der Botschaften hervor, dass Länder wie Polen oder Rumänien weniger denn je ihr gegenüber offen sind.

* 21 Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik

* 22 Diese jüngsten sehr strukturierenden Kooperationen unterliegen jedoch einer Reihe von Umwälzungen, die die Frage nach der Realität eines deutsch-französischen Motors“ in der europäischen Verteidigung aufwerfen. In der Tat ist Deutschland gewillt, seine Beziehungen zu den EU-Ländern in einem multilateralen Rahmen zu gestalten, indem es versucht, andere Länder in die oben genannten Projekte zu integrieren. Von Berlin aus betrachtet, erscheinen die deutsch-französischen Beziehungen weniger exklusiv als in Paris, insbesondere wegen des Rahmennationen-Konzepts FNC, mittels dem Deutschland enge Beziehungen zu den Niederlanden, Polen und anderen mitteleuropäischen Ländern unterhält.

* 23 Regelung bzw. Opt-out-Klausel, die es einem der 27 Mitgliedstaaten erlaubt, ausnahmsweise EU-Recht nicht umzusetzen. Staaten, die davon profitieren, können beschließen, es zu beenden.

* 24 Polen stellt z. B. der NATO eine Luftflotte zur Verfügung, der EU aber nur ein Flugzeug.

* 25 Oder, nach Meinung einiger Beobachter, auch nicht in diesem Rahmen.

* 26 Auf dem Gipfeltreffen in Riga 2006 haben sich die Bündnispartner darauf geeinigt, ihre nationalen Verteidigungsausgaben auf mindestens 2 % des BIP zu erhöhen. Dieses Ziel fand im September 2014 auf dem NATO-Gipfel in Newport, Wales, seinen konkreten und verbindlichen Niederschlag, nachdem es aufgrund der Krisenjahre zwischen 2008 und 2012 zu erheblichen Kürzungen der Budgets und Fähigkeiten gekommen war. In der Gipfelerklärung von Wales zum transatlantischen Bund wird beispielsweise gefordert, dass die Bündnispartner innerhalb von 10 Jahren 2 % des BIP (ohne Renten) für Militärausgaben aufwenden, wobei 20 % dieser Ausgaben für Investitionen und Innovationen eingesetzt werden sollen.

* 27 Im Beschluss werden in Punkt d) des Artikels 3 die Bedingungen genannt, unter denen ein Drittstaat an einem PESCO-Projekt teilnehmen darf: seine Teilnahme darf nicht zu Abhängigkeiten von diesem Drittstaat oder zu durch ihn gegenüber Mitgliedstaaten der Union auferlegten Einschränkungen bei der Beschaffung von Rüstungsgütern, Forschung und Fähigkeitenentwicklung oder bei der Verwendung und Ausfuhr von Waffen oder Fähigkeiten und Technologien führen, durch die Fortschritte behindert oder eine gemeinsame oder sonstige Einsatzfähigkeit, die Ausfuhr oder der operative Einsatz der im SSZ Projekt entwickelten Fähigkeit verhindert würden.

* 28 Die EDA trifft als zwischenstaatliches Gremium ihre Entscheidungen einstimmig.

* 29 Beim derzeitigen Stand der GSVP-Ambitionen und angesichts der Aufrichtigkeit hinsichtlich der Fähigkeiten sollte eine gewisse Grenze jedoch nicht überschritten werden, indem man befürwortet, dass der CDP sich damit begnügen sollte, die im Fortschrittskatalog genannten Fähigkeiten zu erlangen.

* 30 Jedoch können die beiden Prozesse nicht miteinander verschmolzen werden, da die Ziele nicht die gleichen sind: Ein Fähigkeitenprozess zielt darauf ab ein militärisches Instrument aufzubauen, das für die Krisenbewältigung außerhalb Europas nicht das selbe ist wie das für die kollektive Verteidigung auf EU-Gebiet. Und wäre es das gleiche, wäre eine gemeinsame Planung aufgrund der Tatsache, dass in einem Fall die USA berücksichtigt werden und im anderen nicht, trotzdem undenkbar.

* 31 Embedding EU military capability development processes in national defence planning processes and make best use of EU defence initiatives“

* 32 D. h. mit Entsendung von Gefechtsverbänden.

* 33 In der Regel werden GSVP-Beschlüsse vom Europäischen Rat oder vom Rat der Europäischen Union einstimmig gefasst.

* 34 Für die jüngste Mission, die dabei ist in Mosambik eingerichtet zu werden - eine EUTM-Mission, die seit Mai 2021 im Grundsatz vereinbart ist und Ende 2021 einsatzbereit sein könnte - haben diese Faktoren zweifellos eine Rolle gespielt.

* 35 Sie kann bis zu etwa 15 % der anfallenden Kosten betragen.

* 36 Die letzte Operation, die Portugal für Mosambik initiiert hat (siehe vorstehend), wurde jedoch innerhalb eines zumutbaren Zeitraums beschlossen. Aber es ist zu früh, um von einer Trendwende zu sprechen.

* 37 « Enhance flexibility and speed of decision making ».

* 38 Agenor, die militärische Komponente der europäischen Initiative zur Überwachung der Straße von Hormus (EMASOH), zielt darauf ab, die Fähigkeiten zur Lagebeurteilung und Überwachung der maritimen Aktivitäten zu verbessern und die Freiheit der Schifffahrt im Persischen Golf und in der Straße von Hormus zu gewährleisten. Frankreich ist Rahmennation von Agenor, die seit Februar 2020 umfänglich operativ ist.

* 39 Takuba wurde im Juli 2020 eingeleitet, um Barkhane zu vervollständigen und umfasst Spezialkräfte anderer Mitgliedstaaten.

* 40 Die CMP ist ein von der EU im Januar 2021 beschlossenes Pilotprojekt, an dem Frankreich, Spanien, Italien und Portugal teilnehmen. Durch gemeinsame Manöver mit den Seestreitkräften der Nachbarländer hat die CMP unter anderem die Aufgabe, die Piraterie zu bekämpfen.

* 41 Der Artikel 42(7) des Vertrages über die Europäische Union ist die sogenannte Beistandsklausel (dieser Artikel leitet sich von Artikel 5 des Vertrags von Brüssel ab, Gründungsvertrag der WEU). Dieser besagt: Im Falle eines bewaffneten Angriffs auf das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats schulden die anderen Mitgliedstaaten ihm alle in ihrer Macht stehende Hilfe und Unterstützung, im Einklang mit Artikel 51 der Charta der Vereinten Nationen [in dem die Bedingungen der Selbstverteidigung festgelegt werden] . Dies lässt den besonderen Charakter der Sicherheits- und Verteidigungspolitik bestimmter Mitgliedstaaten unberührt. Die Verpflichtungen und die Zusammenarbeit in diesem Bereich bleiben im Einklang mit den im Rahmen der Nordatlantikvertrags-Organisation eingegangenen Verpflichtungen, die für die ihr angehörenden Staaten weiterhin das Fundament ihrer kollektiven Verteidigung und das Instrument für deren Verwirklichung ist.“ Man spricht hier von Mitgliedstaaten“ und nicht von den EU-Organen. Vorgesehen ist folglich ein direkter Dialog und eine direkte Unterstützung zwischen den Ländern, anstatt der potenziell langsam mobilisierbaren europäischen Institutionen.

Dieser Artikel wurde auf Initiative derjenigen EU-Mitgliedstaaten in den Vertrag von Lissabon aufgenommen, die eine stärkere Rolle der EU in Verteidigungsfragen befürworten (insbesondere Griechenland, das zwar durch die in Artikel 5 des Nordatlantikvertrags definierte gegenseitige Verteidigung geschützt ist, aber eine zusätzliche Verteidigungsebene einführen wollte, da sein langjähriger Rivale, die Türkei ebenfalls NATO-Verbündeter ist).

* 42 Die Union und ihre Mitgliedstaaten handeln gemeinsam im Geiste der Solidarität, wenn ein Mitgliedstaat von einem Terroranschlag, einer Naturkatastrophe oder einer vom Menschen verursachten Katastrophe betroffen ist.“

* 43 Der Grundsatz der Vermeidung der Duplizierung“, den Außenministerin Madeleine Albright am 8. Dezember 1998 gegenüber ihren europäischen Partnern im Zusammenhang mit der sogennannten 3-D-Regel“ (für Nicht-Entkopplung, Nicht-Duplizierung und Nicht-Diskriminierung) für die Beziehungen zwischen der europäischen Verteidigung und der NATO erwähnte, wird regelmäßig als Argument des gesunden Menschenverstands angeführt. Ein solches Prinzip ist zwar im Hinblick auf die Rationalisierung der Militärausgaben gerechtfertigt, behindert aber auch die Ausarbeitung und Entwicklung einer eigenständigen europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik.

* 44 Die Union und ihre Mitgliedstaaten handeln gemeinsam im Geiste der Solidarität, wenn ein Mitgliedstaat von einem Terroranschlag, einer Naturkatastrophe oder einer vom Menschen verursachten Katastrophe betroffen ist.“

* 45 Eine solche Aussicht wäre nur von begrenztem Interesse, da die Teilnahme Dänemarks bereits für 2022 vorgesehen ist und Frankreich die Aussicht auf die Einbeziehung des Vereinigten Königreichs aufrechterhalten möchte - d. h. von zwei Staaten, die nicht an der GSVP teilnehmen.

* 46 NATO Response Force, eine multinationale gemeinsame Streitkraft der NATO, die 2002 geschaffen und 2014 durch die Schaffung einer Very High Readiness Joint Task Force“ (VJTF) unter dem Obersten Alliierten Kommando Europa (SACEUR) verstärkt wurde.

* 47 Auf Betreiben des Vereinigten Königreichs gegründet, vereint es Länder aus Nordeuropa zusammen: Vereinigtes Königreich, Dänemark, Norwegen, Schweden, Finnland, die Niederlande und die drei baltischen Staaten. Es wurde im Juli 2018 für voll funktionsfähig erklärt.

* 48 European Union Training Mission: EU-Ausbildungsmission

* 49 Am 19. November 2018 haben der Rat und die Mitgliedstaaten Schlussfolgerungen zur Schaffung eines Pakts für die zivile Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP) angenommen. In den Schlussfolgerungen wurden strategische Leitlinien für die Stärkung der zivilen GSVP festgelegt; sie enthalten dazu 22 politische Verpflichtungen des Rates und der Mitgliedstaaten.

* 50 Im Jahr 2021 war im 1. Halbjahr kein und im 2. Halbjahr nur ein Gefechtsverband auf dem Schichtplan vorgesehen. Angeführt wurde sie von Italien als Rahmennation, und begleitet von den Österreichern, Kroaten, Ungarn und Slowenen (Habsburger Eingreiftruppe). Auch im Jahr 2022 blieb der Schichtplan im 1. Halbjahr leer; für das 2. Halbjahr bestätigte Spanien sein Engagement als Rahmennation des Gefechtsverbandes, mit der Teilnahme von Portugal (Iberische Battlegroup).

* 51 Die EU-Staats- und Regierungschefs haben im Juni 2017 erwogen, den Einsatz der Gefechtsverbände als gemeinsame Kosten im Rahmen des Athena-Mechanismus zu übernehmen, aber letztlich wurde keine Entscheidung getroffen.

* 52 Das Projekt wurde im März 2018 in der ersten Welle von PSK-Projekten angenommen.

* 53 Die übliche zurückhaltende Haltung Deutschlands in militärischen Fragen mag dies erklären. In diesem Sinne sind Deutschland und Frankreich wahrscheinlich Unterzeichner des Non-Papers, die die 5.000 Mann starke erste Vorauskraft jedoch nicht mit der gleichen Überzeugung unterstützen.

* 54 Mechanismus, der mit einem jährlichen BIP-abhängigen Beitrag der teilnehmenden GSVP-Mitgliedstaaten (außer Dänemark) finanziert wird und nicht direkt mit militärischen Tätigkeiten in Verbindung stehende Ausgaben übernimmt, wie die Unterkunft von Soldaten, Treibstoff oder Aufwendungen für den Militärstab. Diese können bis zu 1 5 % des Gesamtbudgets einer Mission ausmachen.

* 55 Der Rat der EU, der für die GASP und die GSVP zuständig ist, wird daher auch die EPF übernehmen, während bisher die Kommission eine wichtige Rolle für die APF spielte, da es sich um ein Instrument der Zusammenarbeit und Entwicklung handelte.

* 56 Parallel dazu gibt es einen Mechanismus, mit dem dieser Entscheidung abgeneigte Mitgliedstaaten die Waffenlieferungen nicht finanzieren müssen. Ihr Beitrag zur EPF wird nicht gemindert, sondern auf weniger sensible Tätigkeiten umgelenkt.

* 57 Die am 17. März 2003 verabschiedeten Berlin-Plus-Vereinbarungen legten den Grundstein für die Zusammenarbeit zwischen der EU und der NATO auf der Grundlage einer Strategischen Partnerschaft zur Krisenbewältigung“ und schufen unter anderem eine ständige Zelle für die Planung und Durchführung von zivilen und militärischen Operationen der EU ohne Rückgriff auf NATO-Mittel“. Um eine GSVP-Operation in diesem Rahmen durchzuführen, war es nicht möglich, sich auf den SACEUR (Supreme Allied Commander Europe - Oberster Alliierten Kommando Europa ) zu stützen, der immer noch amerikanisch ist. Es wurde daher beschlossen einen Stellvertreter, den D-SACEUR (Deputy-SACEUR) einzurichten. Das Vereinigte Königreich hat den D-SACEUR für sich entschieden. Seit dem Brexit ist dies ein klares Problem (siehe nachstehend zur britischen Partnerschaft), das jedoch bisher keine praktischen Folgen nach sich gezogen hat (siehe nächste Anmerkung).

* 58 Es ist in der Tat schwierig geworden, Berlin-Plus in einem Kontext zu nutzen, in dem die Türkei fordert, dass die Zyprioten im Rahmen von Berlin Plus den Raum verlassen. Außerdem verlaufen die Berlin-Plus-Verhandlungen nur schleppend.

* 59 Zum Beispiel ein spanischer Befehlshaber für Atalanta, ein italienischer für Irini. Die französischen Befehlshaber in Mont Valérien wurden zuletzt in der Operation EUFOR Tchad/ZAR (2007-2009) eingesetzt.

* 60 Phase 1 erfordert ein festes Team von 60 Personen, zu dem weitere 50 Personen für eine Exekutivmission hinzukommen sollten. Nach vier Jahren, im Juni 2021, war zusätzliches Personal verfügbar, aber die Mitarbeiterzahl erreichte ein Maximum von 47 von 60 Personen.

* 61 In diesem Zusammenhang betont ein Non-Paper, an dem Frankreich und die baltischen Staaten beteiligt sind, die zentrale Bedeutung“, die Kommunikation und Informationssicherheit sowohl innerhalb der Institutionen als auch zwischen den Institutionen und den Einsatzgebieten zu verbessern.

* 62 2017 konnte aufgrund eines Vetos des Vereinigten Königreichs das Thema nicht diskutiert werden. Es sei darauf hingewiesen, dass eine noch nicht vereinbarte Phase 2 bereits geplant ist, laut der der MPCC in der Lage sein sollte, eine größere gemeinsame Exekutivoperation zu leiten.

* 63 Operationnal Headquarter: Hauptquartier für Operationsführung, ist eine andere Bezeichnung für einen operativen Planungsstab (zur Durchführung, Planung und Organisation von Militäreinsätzen). Ein MPCC in der Rolle des OHQ würde zwischen dem EUMS, der sich mit Konzepten auf europäischer Ebene befasst, und dem Militärstab ansiedeln, der die Operation vor Ort leitet, plant, die logistische Unterstützung und den Transport verwaltet, den Truppenaufbau sicherstellt, die Rotationen organisiert usw.

* 64 Siehe Anmerkung oben.

* 65 Im Übrigen unterstützt Deutschland die Zusammenlegung des zivilen Krisenmanagements (derzeit im Rahmen der Zivilen Planungs- und Durchführungsfähigkeit, CPCC - für Civilian Planning and Conduct Capability) mit dem militärischen Krisenmanagement (MPCC), was den Vorteil der Kohärenz hat, aber letztlich das Ambitionsniveau beeinträchtigen könnte.

* 66 Es geht darum, bei der Entwicklung der durch das Internet der Dinge bedingten Cloud-Plattformen im Rennen zu bleiben“.

* 67 Der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) hat ein Vorabentscheidungsersuchen des slowenischen Obersten Gerichtshofs zur Anwendbarkeit der Richtlinie 2003/88 auf bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung“ für Militärangehörige erhalten. Nach der ständigen Position Frankreichs wäre die Anwendung der Richtlinie unvereinbar mit dem Verfügbarkeitsgrundsatz, d. h. dem Grundsatz, jederzeit und an jedem Ort zu dienen“, der im Soldatenstatut festgelegt ist, und würde den Beruf des Waffenträgers trivialisieren. In diesem Zusammenhang ist auch das Problem der halbautonomen Waffensysteme (Lethal autonomous weapons - LAWs) oder der Explosivwaffen in bevölkerten Gebieten (EWIPA) zu erwähnen, bei denen sich die Festlegung von Normen direkt auf die Fähigkeiten auswirken kann.

* 68 Interventionsbeschlüsse werden sowohl im Rahmen der NATO als auch der GSVP einstimmig gefasst. Zu den Nicht-EU-Bündnispartnern der NATO gehören: Albanien, Kanada, Island, Nordmazedonien, Montenegro, Norwegen, Türkei, USA, Vereinigtes Königreich; die EU-Bündnispartner der NATO sind: Belgien, Bulgarien, Dänemark, Deutschland, Estland, Frankreich, Griechenland, Italien, Kroatien, Lettland, Litauen, Luxemburg, Niederlande, Polen, Portugal, Rumänien, Slowakei, Slowenien, Spanien, Tschechische Republik, Ungarn; EU-Länder, die nicht der NATO angehören: Österreich, Zypern, Finnland, Irland, Malta, Schweden.

* 69 Oder an europäische Staaten in anderen zwischenstaatlichen Verteidigungsprogrammen.

* 70 Positionen, die noch dazu dem Risikos extraterritorialen US-Sanktionen unterliegen, wie das Beispiel der Handelsbeziehungen mit dem Iran oder, zeitweise, der Bau der Gaspipeline Nordstream 2 gezeigt hat.

* 71 Ein gutes Beispiel hierfür ist der Verzicht von Boris Johnson, im Juli 2020, auf das von Huawei gelieferte 5G nachdem Donald Trump gedroht hatte, bestimmte Beziehungen auf Eis zu legen, insbesondere im Bereich der Geheimdienste.

* 72 Auch hier ist anzumerken, dass die in Europa stationierten US-Truppen in erster Linie für US-Operationen im Nahen Osten bestimmt sind. Im Falle einer Übernahme europäischen Territoriums durch Russland, wie in den Niederlanden oder in der Suwalki-Lücke, wäre die Verteidigung Europas durch die NATO angesichts der dort einsatzbereiten Ressourcen nicht von dringendem Charakter.

* 73 Der Weg zu diesen Vereinbarungen wurde 2002 durch das Prager Gipfeltreffen und die anschließende Gemeinsame Erklärung zur Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik geebnet.

* 74 Dieser Review sieht eine drastische Erhöhung der Zahl der nuklearen Sprengköpfe vor.

* 75 Da das Vereinigte Königreich die EU verlassen hat, wäre es sinnvoll, wenn der D-SACEUR aus einem ihrer Mitgliedstaaten käme, da er der Befehlshaber der Berlin-Plus-Maßnahmen der EU ist, seine Befugnisse die Aufgaben eines strategischen Koordinators“ mit der Europäischen Union umfassen und das militärische Gewicht ihrer Mitgliedstaaten in der NATO größer ist als das des Vereinigten Königreichs.

* 76 Das Ergebnis eines französisch-britischen Bestrebens, das in den Lancaster-House-Vereinbarungen zum Ausdruck kommt, ist eine binationale Truppe von bis zu 10.000 Mann, die sehr kurzfristig mobilisiert werden kann und in der Lage ist, hoch intensive Operationen im gesamten Bedrohungsspektrum durchzuführen. Es ist jedoch wahrscheinlich, dass das Vereinigte Königreich nicht bereit bzw. nicht in der Lage sein wird, sie bei einer Operation ohne die USA einzusetzen, nicht zuletzt wegen seiner Abhängigkeit von den Nachrichtendiensten (über die Five Eyes, das Geheimdienstbündnis von Australien, Kanada, Neuseeland, dem Vereinigten Königreich und den USA), wodurch die Möglichkeit eines autonomen Einsatzes ausgeschlossen wäre. Die CJEF wurde im November 2020 für voll funktionsfähig erklärt.

* 77 Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa.

* 78 Die Nachbarschaftspolitik der Europäischen Union (EU) zielt auf den Abschluss von Abkommen mit Armenien, Aserbaidschan, Georgien, Moldawien, der Ukraine und Weißrussland ab, die am 7. Mai 2009 in Prag begonnen wurde.

* 79 Es ist das Nachfolgeabkommen des im Jahr 2000 unterzeichneten Cotonou-Abkommens, das seinerseits das Lomé-Abkommen von 1975 ablöste.

* 80 Organisation afrikanischer, karibischer und pazifischer Staaten, die im April 2020 an die Stelle der AKP-Staaten trat.

* 81 Schätzung für das Jahr 2020, aktueller Wechselkurs.

* 82 Zur Veranschaulichung: In den Antworten der Botschaften wird Litauen beschrieben als bestrebt, die NATO nicht zu schwächen, indem es dem Vereinigten Königreich einen wichtigen Platz in der europäischen Verteidigungsstruktur einräumt“.

* 83 Die radikalsten unter ihnen haben sich größtenteils der Partei Die Linke angeschlossen, die mit ihrer Abneigung gegenüber Operationen und der Bundeswehr nun die pazifistische Nische im politischen Spektrum besetzt, aber wohl kaum Teil einer Koalition sein wird.

* 84 Im Rahmen der Initiative NATO 2030“ des NATO-Generalsekretärs sollten ihn verschiedene Beiträge (darunter der Bericht NATO 2030: United for a New Era - Analysis and Recommendations of the Reflection Group Appointed by the NATO Secretary General“ vom 25. November 2020) bei der Ausarbeitung von Empfehlungen für die Staats- und Regierungschefs der NATO-Staaten unterstützen. Dieser Prozess mündete auf dem Brüsseler Gipfel in der gemeinsamen Verabschiedung einer NATO-Agenda 2030“ mit dem Ziel, dass das Bündnis bereit bleibt, die Herausforderungen der Zukunft zu meistern“.

* 85 siehe vorstehenden Hinweis In der NATO-Agenda 2030 erscheint die Türkei nur im Rahmen der Bezeugung von Vertrauen, ja sogar Dankbarkeit: Wir möchten erneut einem Mitglied unseres Bündnisses, der Türkei, für die Aufnahme von Millionen syrischer Flüchtlinge danken.“

* 86 Bei der Operation Sea Guardian im Mittelmeer handelt es sich nicht wirklich um einen Kampfeinsatz.

* 87 Einige Monate zuvor hatte der NATO-Generalsekretär - ohne vorherige Konsultation der Bündnispartner - ein Papier herausgegeben, in dem er vorschlug, dass jeder Bündnispartner einen für die Resilienz zuständigen Minister“ ernennen sollte und dass verbindliche Fähigkeitsziele im NDPP (siehe nachstehend) verankert werden sollten, deren Anwendungsbereich auf die Resilienz ausgeweitet werden soll...

* 88 Alle 14 Planungsgebiete des NDPP sind am Fa·higkeitenbedarf ausgerichtet.

* 89 Je nach Betrachtungswinkel kann dieser Prozess auch als komplex und ungeordnet beschrieben werden, wobei er viele Ausweichmöglichkeiten bietet (siehe vorstehend).

* 90 Fünfter Fortschrittsbericht über die Folgemaßnahmen zu den gemeinsamen Vorschlägen, die am 6. Dezember 2016 und am 5. Dezember 2017 vom Nordatlantikrat und vom Rat der Europäischen Union am 16. Juni 2020 gebilligt wurden.

* 91 Oberstes militärisches Gremium innerhalb des Rates. Er besteht aus den Generalstabschefs der 27 Mitgliedsländer; sein Vorsitzender ist der italienische General Graziano, der den HR/VP im EAD berät.

* 92 Bericht des Senats Nr. 626 (2018-2019), Juli 2019.

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