B. ...TROTZ EINER IMMER ANSPRUCHSVOLLEREN UND KOMPLEXEREN KOORDINIERUNG MIT DER NATO

Die NATO hat sich von ihrem Hirntod“ vollständig erholt und zeigt sich mit neuen Ambitionen und einem starken Profil, wie es insbesondere in der NATO-Agenda 2030 84 ( * ) zum Ausdruck kommt, die von den Bündnispartnern am 14. Juni 2021 in Brüssel verabschiedet wurde. Diese geht nicht auf die offensichtlichen Probleme der Koordinierung in Hinblick auf die EU-Politik ein.

1. Potentiell unterschiedliche geostrategische Absichten

Die Vereinigten Staaten als die treibende Kraft hinter der NATO verfolgen einen sehr harten politischen Kurs gegenüber China , weil sie befürchten, dass China ihnen die weltweite Führung streitig machen könnte. Sie werden umso hartnäckiger versuchen, Europa in einen Kreuzzug gegen China“ hineinzuziehen, als dies eine der wenigen internationalen Politikrichtungen auf der politischen Bühne der USA ist, die sich einer parteienübergreifenden Unterstützung erfreut. In der NATO-Agenda 2030 heißt es: Chinas erklärte Ambitionen und sein Durchsetzungsvermögen stellen eine systemische Herausforderung für die internationale Ordnung dar“ , und diese Aussage wird im weiteren Verlauf häufig wiederholt (das Wort China“ wird 20 Mal verwendet).

In Bezug auf Russland , wo die wirtschaftlichen Interessen der USA schwach bleiben, verfolgen sie eine traditionell unnachgiebige Politik , für die die eher selbstgefällige Trump-Präsidentschaft kein gutes Beispiel war. Die Regierung Biden hat jedoch kürzlich den Wunsch nach einem besseren Dialog mit Russland geäußert - was durch die Organisation des Gipfeltreffens Biden-Putin am 16. Juni 2022 bestätigt wurde -, da die USA Russland nicht in die Arme Chinas treiben will.

Auch wenn die humanistischen Werte, für die die EU eintritt, sie dazu veranlassen, die Handlungen dieser Regime zu verurteilen, sind ihre Perspektiven jedoch anders geartet: China stellt für die Europäische Union keine ultimative Bedrohung dar. Ihre wirtschaftlichen und strategischen Interessen könnten bestimmte Entscheidungen über die Zusammenarbeit mit China, aber auch mit Russland leiten, was die USA missbilligen würden . Unter diesem Gesichtspunkt sollte der Biden-Putin-Gipfel nicht als Beginn eines russisch-westlichen Dialogs mit den USA als Wortführer gesehen werden - diesbezüglich ist es bedauerlich, dass die anschließende deutsch-französische Initiative zur Wiederbelebung des EU-Russland-Dialogs von den Mitgliedstaaten letztlich nicht unterstützt wurde.

Die unterschiedliche Haltung gegenüber dem Nato-Mitglied Türkei wird von den strategischen Interessen der USA geleitet, die dort bedeutende Militärstützpunkte unterhalten, sowie von dem Wunsch ihres Generalsekretärs Jens Stoltenberg, das Bündnis nicht durch die Ausgrenzung eines seiner Mitglieder zu schwächen. Außerdem hat er sich nicht mit dem Thema Verhaltenskodex zwischen den Bündnispartnern“ des Berichts auseinandergesetzt, den er bei einer Expertengruppe (der auch Hubert Védrine angehörte) in Auftrag gegeben hatte, um ihn bei der Ausarbeitung der NATO-Agenda 2030 85 ( * ) zu unterstützen.

Letztlich sei angemerkt, dass der Rückzug der USA aus dem Nahen Osten nicht grundsätzlich in Frage gestellt wird.

2. Die Unantastbarkeit des Schutzschirms der NATO“

Joe Biden verfügt im Kongress über eine sehr knappe Mehrheit, insbesondere im Senat. Dieser knappe Sieg stellt die internationale Politik der EU vor gewisse Herausforderungen und ist kein gutes Omen für die bevorstehenden Wahlen. Wohl wissend, dass die midterms in etwa einem Jahr anstehen und in etwas über drei Jahren die nächsten Präsidentschaftswahlen, könnte sich die über die NATO wiedererlangte p ax americana als weniger dauerhaft erweisen als erhofft .

Donald Trump hat die Sicherheitsgarantie in Frage gestellt, die die USA anderen Bündnispartnern gemäß Artikel 5 des Nordatlantikvertrags gewähren. Sollte er seine politische Linie in Zukunft auf Staatsangelegenheiten ausrichten, könnte der nächste Schritt darin bestehen, diese Garantie von der Einhaltung der 2 %-Quote des BIP für die Verteidigung abhängig zu machen. Es stimmt, dass die USA eine Demokratie sind, in der es angesichts der störenden Entscheidungen eines Chefs der Exekutive zahlreiche Mittel für Kontrolle und Gegenkontrolle gibt, ebenso wie es viele Formen des Widerstands seitens des Staats im Staate“, wie Donald Trump ihn gerne nennt, geben kann. Aber niemand kann mit Sicherheit sagen, dass die USA niemals zu dem Slogan America first “ zurückkehren werden, und die EU im Falle einer größeren Krise immer auf den amerikanischen Verbündeten zählen können wird.

Es wäre demzufolge folgerichtig, dass die EU die vor ihr liegende Zeit daher als eine Gelegenheit ansieht, sich ausreichend Zeit für eine umfassendere Organisation ihrer Sicherheit zu geben. Dadurch würde die wesentliche Rolle der NATO, so wie sie derzeit funktioniert, in keiner Weise in Frage gestellt , sondern im Gegenteil ihr Potenzial gestärkt werden.

Joe Biden hat das 2 %-Ziel während seiner Europatournee im Juni 2021 nicht angesprochen. Unabhängig der Bedingungen, sind einige Beobachter sind jedoch der Meinung, dass eine Verschärfung der Einhaltung dieser finanziellen Verpflichtung unter seiner Präsidentschaft nicht ausgeschlossen werden kann, wenn die EU beispielsweise beschließen sollte, eine Politik, insbesondere gegenüber China, zu verfolgen, die den USA offen zuwiderläuft.

3. Tendenz zu einer kurzfristigen Erweiterung der Aufgaben der NATO

Im Juni 2021 fand ein NATO-Gipfel statt, ein zweiter ist für 2022 geplant, obwohl derartige Gipfeltreffen normalerweise alle zwei Jahre stattfinden und bei beiden steht viel auf dem Spiel. Es scheint, als wolle der NATO-Generalsekretär das Ende seiner Amtszeit mit großen Initiativen einläuten, denn seine Ziele scheinen sich weitgehend mit den Ambitionen der USA zu decken, und der Nordatlantikrat (NAC, für North Atlantic Council ), das wichtigste Entscheidungsgremium der NATO-Staaten, unterstützt seine Initiativen bereitwillig. Darüber hinaus nähert sich die derzeit einzige echte 86 ( * ) Mission der NATO in Afghanistan ihrem Ende, wodurch ein gewisse Leere entsteht.

Es sei daran erinnert, dass die Hauptaufgabe der NATO in der Abwehr und der territorialen Verteidigung ihrer Mitglieder besteht und gelegentlich auch auf das Krisenmanagement ausgedehnt wird. Seit einigen Monaten besteht die Arbeit der NATO jedoch in der Erarbeitung eines 360-Grad-Ansatzes der Verteidigung, der in der NATO-Agenda 2030 zusammengefasst ist.

Die Arbeitsgruppe NATO 2030“ hat Cybersicherheit und Resilienz“ hervorgehoben, Themen, die von der EU seit der Globalen Strategie 2016 betont werden und die der Strategische Kompass im Schwerpunkt Resilienz“ vorantreiben soll, für die die Mitgliedstaaten über die wichtigsten Handlungsinstrumente verfügen.

Die NATO-Agenda 2030 geht so weit, die Anwendung von Artikel 5 im Falle eines Cyberangriffs in Erwägung zu ziehen , was weiterer Präzision bedarf, da solche Handlungen Länder betreffen könnten, mit denen die EU und die USA unterschiedliche Risiken und Zielen verbinden und denen gegenüber es möglicherweise angebracht sein könnte, Schuldzuweisungen mit Vorsicht zu genießen. Wenn die NATO sich beispielsweise in Bereichen wie 5G, bei denen es in Wirklichkeit um China geht, stärker engagieren möchte, sollte nicht vergessen werden, dass die EU mit Rechtsetzungsbefugnissen ausgestattet ist, die nicht an anderer Stelle neu erfunden werden müssen. Generell sollte der Europäischen Union für den Umgang mit hybriden Bedrohungen angesichts der Vielfalt ihrer Kompetenzen und der ihr zur Verfügung stehenden Instrumente Vorrang gewährt werden.

Mit 26 Nennungen bewirbt die Agenda das Thema Resilienz umfassend , unmittelbar nach dem Ziel der kollektiven Verteidigung. Natürlich darf die NATO sich mit der Resilienz im militärischen Bereich befassen - das Befehls- und Kontrollinstrument (C2) muss resistent sein, damit es auch in Krisenzeiten funktioniert, die Versorgung mit strategischen Gütern wie Munition oder Öl muss gewährleistet sein - oder auch mit ganz bestimmten Problemen wie dem Zusammenbruch des Massentransports oder der Sättigung der Gesundheitskapazitäten, um ein vom Zusammenbruch bedrohtes Land zu retten.

In der NATO-Agenda 2030 wird jedoch auf Resilienz im weitesten Sinne eingegangen - auch wenn eingeräumt wird, dass es sich um eine nationale Verantwortung“ handelt - und sie sieht sogar ein Follow up in Hinblick der Zielerreichung durch die Bündnispartner vor: Die Bündnispartner werden einen Vorschlag zur Festlegung, Bewertung, Überprüfung und Überwachung von Resilienzzielen erarbeiten, um auf nationaler Ebene die Planung und Umsetzung von Maßnahmen zur Resilienz zu verfolgen.“ Demzufolge scheint die Vereinbarkeit mit der EU-Agenda zweitrangig zu sein und im Ermessen der Mitgliedstaaten zu liegen: Es ist Sache jedes einzelnen Bündnispartners festzulegen, wie er seine diesbezüglich national gesteckten Ziele sowie ihre Umsetzung festlegt und verwirklicht. Somit kann jeder Bündnispartner im Einklang mit seinen eigenen Zuständigkeiten, Strukturen, Verfahren und Verpflichtungen und gegebenenfalls auch im Einklang mit denen der EU handeln.“ 87 ( * )

Wenn sich die von der Agenda eröffneten Perspektiven sämtlich erfüllen, könnte die von der EU zu schaffende Resilienz eventuell im Schatten einer von der NATO kontrollierten Resilienz enden, genauso wie die PSDC neben der Allianz ihr Dasein fristet. Was dabei durch die unermessliche Stärke der amerikanischen Armee erklärt werden kann, wäre in Anbetracht der Mittel der EU in diesem Fall nicht zu rechtfertigen.

Die Arbeitsgruppe schlägt auch vor, dass der Kampf gegen den Terrorismus eine der Hauptaufgaben des Bündnisses sein sollte ( Kernaufgaben“ ), was inzwischen in der NATO-Agenda 2030 verankert wurde (18 Nennungen), und dass die NATO eine Strategie für neu entstehende und disruptive Technologien“ erarbeitet sollte, was ebenfalls in der Agenda bekräftigt wird und das Problem der Verknüpfung mit dem EVF aufwirft (siehe nachstehend). Der Klimawandel erscheint als Bedrohungsmultiplikator“ ebenfalls in der Agenda, wobei die Bündnispartner den Generalsekretär auffordern, ein realistisches, ehrgeiziges und konkretes Ziel für die Verringerung der durch politische und militärische Strukturen und Einrichtungen der NATO erzeugten Treibhausgasemissionen festzulegen sowie zu prüfen, ob das Ziel der Netto-Null-Emissionen bis 2050 erreichbar ist.

Die NATO-Agenda 2030 bekräftigt selbstverständlich, dass die Krisenbewältigung zu den Kernaufgaben der NATO gehört, ohne dabei eine besondere Abgrenzung vorzunehmen. Sie geht auch auf die Zusammenarbeit ein, um die zunehmenden Stärke bestimmter Partner zu verfolgen, und setzt schließlich neue Ambitionen in Hinblick auf die Fähigkeiten (siehe nachstehend).

Parallel zu diesem großen Sprung nach vorn“ , den die Rückkehr der Vereinigten Staaten in das multilaterale Spiel und nach Europa ermöglicht und vorantreibt, war die Aktivität der transatlantischen“ Think-Tanks - German Marshall Fund, Carnegie usw. - noch nie so intensiv und die Zahl der Konferenzen über die transatlantischen Beziehungen hat zugenommen.

Die NATO-Agenda 2030 warnt jedoch, dass die notwendigen Mittel bereitgestellt werden müssen: Auf unserem Gipfel im Jahr 2022 werden wir parallel zur Verabschiedung des strategischen Konzepts den spezifischen Bedarf an zusätzlichen Mitteln bis 2030 und die finanziellen Auswirkungen auf das NATO-Militärbudget, das NATO-Sicherheitsinvestitionsprogramm und das Zivilbudget genehmigen und mögliche Effizienzmaßnahmen festlegen.“ In Europa wird dieses Vorhaben von der bedingungslosen Unterstützung des Vereinigten Königreichs profitieren können, dem zweitgrößten Beitragszahler des Bündnisses und dem größten Beitragszahler in Europa, der das Ziel von 2 % des BIP für die Verteidigung (2,2 %) immer überschreitet.

4. Die Oberhand der NATO hinsichtlich der Fähigkeiten

• Im Rahmen ihrer Verteidigungsplanung ( NDPP , für Nato Defence Planning Process ) identifiziert die NATO die künftig erforderlichen Fähigkeiten 88 ( * ) und fördert deren Entwicklung und Aneignung durch die NATO-Staaten, indem sie den Bedarf in Form von Planungsvorgaben zuweist, die Erreichung dieser Zielvorgaben erleichtert und die Fortschritte regelmäßig bewertet. In diesem Rahmen wird von den Bündnispartnern eine Harmonisierung ihrer nationalen Verteidigungsplanungen mit denen der NATO erwartet, ohne jedoch ihre nationale Souveränität zu beeinträchtigen. Es handelt sich also um einen dem Top-Down-Ansatz ähnlichen Prozess (von oben nach unten verlaufend), der auch dem Vierjahreszyklus unterliegt.

Als Rückgrat des Bündnisses, wird der NDPP oft als Schmelztiegel der westlichen militärischen Identität und als Matrix für die Interoperabilität der europäischen Streitkräfte untereinander und mit den US-Streitkräften angesehen. Er wird aber auch als Vektor für das militärische Denken der USA betrachtet, während seine regulatorischen Aspekte dem militärisch-industriellen Komplex der USA dienen (besonders in den Mitgliedstaaten, die größte Nutznießer der europäischen Politik sind, was zuweilen zu Anmerkungen führt). In der Tat handelt es sich bei den hier angepriesenen neuen Technologien und interoperablen Ausrüstungen oft um amerikanische Fabrikate. Für die Zukunft besteht die Gefahr, dass die russische Bedrohung“ einen verstärkten Ausbau von Fähigkeiten am oberen Ende des Spektrums - F35-Kampfflugzeuge, Raketenabwehr - rechtfertigt, die das Budget der Alliierten auf Kosten anderer europäischer Ziele , insbesondere in der Mitte des Spektrums, aufzehren wird.

• Auf europäischer Ebene stützt sich die Planung der Fähigkeiten auf mehrere Instrumente, die viel Freiraum für Initiativen der Mitgliedstaaten lassen. Es sei daran erinnert, dass der von der EDA erarbeitete CDP, Plan zur Entwicklung der Fähigkeiten (mit dem der NDPP manchmal direkt verglichen wird), die Prioritäten der Verteidigungsfähigkeiten der EU festlegt, unter Berücksichtigung der von den Staaten geäußerten besonderen Anforderungen. Der CARD (ebenso) ermöglicht es auf dieser Grundlage, die vorhandenen Fähigkeiten zu ermitteln und die Zusammenarbeit zu erleichtern, um die Ziele des CDP zu erreichen. Dann kommt die PESCO, ein Kooperationsrahmen für Projekte zur Verbesserung der europäischen Verteidigungsfähigkeiten, wenn möglich mit Unterstützung durch den EVF, wobei zu berücksichtigen ist, dass andere Kooperationsprojekte innerhalb der EDA (oder in anderen bilateralen oder multinationalen Rahmen) eingeleitet werden können. Im Gegensatz zum NDPP der NATO scheint der von der EU organisierte Ausbau der Fähigkeiten ein bottom-up-artiger Prozess (von unten nach oben verlaufend) zu sein, der gerne 89 ( * ) als flexibel und agil beschrieben wird.

Die europäische Fähigkeitsplanung basiert weniger auf Vorgaben und Anreizen, ist weniger langfristig und steht im Dienste einer GSVP, die schon immer weniger glaubwürdig und wichtig war als die NATO. Demzufolge wird sie erwartungsgemäß weniger streng befolgt, insbesondere seitens der Mitgliedstaaten, die über kein Finanzierungs-programm für die Verteidigung verfügen und ihren Militärhaushalt allein auf der Basis des NDPP bestreiten.

Die Frage nach der Kohärenz des Engagements der Staaten in der EU und der NATO muss gestellt werden. 38 von 47 PESCO-Projekten entsprechen mehr oder weniger den Prioritäten der NATO. 90 ( * ) Dies ist insofern eine gute Nachricht, als dass durch diese Verbindung Größenvorteile erreicht und Duplizierungen vermieden werden können.

Die GSVP ist jedoch nicht die NATO. Daher wäre es nicht gerechtfertigt, der NATO mittels des NDPP ein Recht auf Einsicht in die innerhalb der Europäischen Union eingegangenen Verpflichtungen zu gewähren. Ebenso könnte ein Übertragen der im Rahmen der PESCO entwickelten europäischen Standards und Normen auf die Normen und Standards der NATO die Schaffung einer EDTIP in Gefahr bringen. In dieser Hinsicht erweist sich die Tatsache, dass die Finanzierungen des EVF europäischen Projekten vorbehalten sind , als teilweiser Schutz.

Kann dieser Ansatz in Anbetracht des Anstoßes durch die NATO-Agenda 2030, in der die Bündnispartner vereinbart haben, [ihre] Zusammenarbeit innerhalb der NATO im Bereich der Technologie zu fördern, die Interoperabilität und die Entwicklung und Übernahme technologischer Lösungen zu unterstützen, um [ihre] militärischen Anforderungen zu erfüllen“ erfolgreich sein?

Der Rest des Dokuments lässt berechtigte Zweifel zu : Zu diesem Zweck werden wir einen zivil-milita·rischen Beschleuniger von Verteidigungsinnovationen für den Nordatlantik ins Leben rufen. Wir vereinbaren ebenfalls die Einrichtung eines NATO-Innovationsfonds , in dessen Rahmen Verbündete auf eigenen Wunsch Start-ups unterstützen können, die in Bereichen, die für die Sicherheit der Verbündeten entscheidend sind, an neuen und disruptiven Technologien mit doppeltem Verwendungszweck arbeiten“. Unabhängig davon, ob man sich auf den EVF oder auf die Initiativen der Kommission bezieht, hat es den Anschein, dass das Prinzip der Vermeidung von Duplizierungen hier von den EU-Bündnispartnern als einseitig verstanden wurde.

5. Die Gleichzeitigkeit strategischer Überlegungen

Die Überarbeitung des strategischen Konzepts soll auf dem nächsten Gipfel im Jahr 2022 veröffentlicht werden. In der NATO-Agenda 2030 ersuchen die Bündnispartner den Generalsekretär, den Prozess zur Erarbeitung des nächsten Strategischen Konzepts zu leiten. Das Konzept wird vom Rat in Ständiger Sitzung verhandelt und beschlossen und beim nächsten Gipfel von den Staats- und Regierungschefs der NATO gebilligt.“ Das letzte Strategische Konzept wurde 2010 veröffentlicht, und diese Überarbeitung wird mit Spannung erwartet, da sich die Ansichten zu Cyberspace, Weltraum und China deutlich verändert haben.

Der Strategische Kompass ist ein separates strategisches Dokument, das einen neuen Ansatz für die EU und ihre Mitglieder darstellt. Er betrachtet die Beziehungen zur NATO aus der Perspektive einer Partnerschaft und versteht sich nicht als lokale Variation des strategischen Konzepts“. Natürlich wäre eine Kohärenz zwischen beiden Ansätzen wünschenswert, denn es geht nicht darum, einer der beiden den Vorrang zu geben.

Das weitere Vorgehen scheint die Befürchtung, der Kompass könnte im Keim erstickt“ werden zu entkräften: Die Arbeiten der EU und der NATO laufen zwar parallel, aber zeitlich so gestaffelt, dass die EU ihre Prioritäten im März 2022 im Strategischen Kompass und die NATO ihre Prioritäten etwas später, wahrscheinlich im Sommer 2022, in ihrem Strategischen Konzept festgelegt haben wird. Dem Ministerium für Europa und auswärtige Angelegenheiten zufolge wurden die Zeitpläne so erstellt, dass die europäischen Überlegungen anschließend in die Überlegungen der NATO einfließen können, ohne dass der Strategische Kompass von der NATO beeinflusst wird.

Die Realität sieht jedoch ganz anders aus: Die NATO, die von ihrem Generalsekretär im Rahmen der NATO-Strategie 2030 sehr gefordert wird, verschafft sich dank ihrer Überlegungen und ihrer Arbeit einen großen redaktionellen Vorsprung. Laut Aussage einiger Beobachter wirkt dies wie ein Wettlauf auf Zeit, den die NATO begonnen hat... Die von ihr gewählten Optionen könnten somit stark auf den Strategischen Kompass der Europäischen Union abfärben. Für jene Länder wie Polen oder einige baltischen Staaten wäre dies nicht schockierend, da sie von Anfang an der Meinung waren, dass der Strategische Kompass der NATO dienen sollte.

Ein politischer Dialog zwischen dem HR/VP und dem Generalsekretär der NATO wäre auf jeden Fall wünschenswert, um zu verhindern, dass der Strategische Kompass auf diese Art und Weise in die NATO einfließt. Dieser Dialog würde idealerweise zur notwendige Kohärenz zwischen beiden Ansätzen führen und gleichzeitig die Autonomie des Strategischen Kompasses gewährleisten, der kein Nebenprodukt der NATO-Strategie 2030 sein sollte. Bisher deutet jedoch nichts auf einen solchen Dialog hin.


* 84 Im Rahmen der Initiative NATO 2030“ des NATO-Generalsekretärs sollten ihn verschiedene Beiträge (darunter der Bericht NATO 2030: United for a New Era - Analysis and Recommendations of the Reflection Group Appointed by the NATO Secretary General“ vom 25. November 2020) bei der Ausarbeitung von Empfehlungen für die Staats- und Regierungschefs der NATO-Staaten unterstützen. Dieser Prozess mündete auf dem Brüsseler Gipfel in der gemeinsamen Verabschiedung einer NATO-Agenda 2030“ mit dem Ziel, dass das Bündnis bereit bleibt, die Herausforderungen der Zukunft zu meistern“.

* 85 siehe vorstehenden Hinweis In der NATO-Agenda 2030 erscheint die Türkei nur im Rahmen der Bezeugung von Vertrauen, ja sogar Dankbarkeit: Wir möchten erneut einem Mitglied unseres Bündnisses, der Türkei, für die Aufnahme von Millionen syrischer Flüchtlinge danken.“

* 86 Bei der Operation Sea Guardian im Mittelmeer handelt es sich nicht wirklich um einen Kampfeinsatz.

* 87 Einige Monate zuvor hatte der NATO-Generalsekretär - ohne vorherige Konsultation der Bündnispartner - ein Papier herausgegeben, in dem er vorschlug, dass jeder Bündnispartner einen für die Resilienz zuständigen Minister“ ernennen sollte und dass verbindliche Fähigkeitsziele im NDPP (siehe nachstehend) verankert werden sollten, deren Anwendungsbereich auf die Resilienz ausgeweitet werden soll...

* 88 Alle 14 Planungsgebiete des NDPP sind am Fa·higkeitenbedarf ausgerichtet.

* 89 Je nach Betrachtungswinkel kann dieser Prozess auch als komplex und ungeordnet beschrieben werden, wobei er viele Ausweichmöglichkeiten bietet (siehe vorstehend).

* 90 Fünfter Fortschrittsbericht über die Folgemaßnahmen zu den gemeinsamen Vorschlägen, die am 6. Dezember 2016 und am 5. Dezember 2017 vom Nordatlantikrat und vom Rat der Europäischen Union am 16. Juni 2020 gebilligt wurden.

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